Empfehlungen der Ausschüsse
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes

980. Sitzung des Bundesrates am 20. September 2019

A

Der federführende Finanzausschuss, der Ausschuss für Agrarpolitik und Verbraucherschutz,

der Wirtschaftsausschuss und der Ausschuss für Städtebau, Wohnungswesen und Raumordnung empfehlen dem Bundesrat, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:

1. Zum Gesetzentwurf allgemein

Der Bundesrat begrüßt, dass die Bundesregierung mit dem vorliegenden Gesetzentwurf Maßnahmen gegen Steuergestaltungen zur Vermeidung von Grunderwerbsteuer ergreift. Der Bundesrat begrüßt insbesondere die vorgesehenen Regelungen gegen Gestaltungen in Form so genannter "Share deals". Er hält es für nicht hinnehmbar, dass etwa der Erwerb eines Eigenheims mit Grunderwerbsteuer belastet wird, während die Übertragung von großen Gewerbeimmobilien oder umfangreichen Wohnungsbeständen nicht selten unter Umgehung der Grunderwerbsteuer gestaltet wird. Der Bundesrat geht davon aus, dass sich hierdurch Steuermindereinnahmen in erheblichem Umfang für die Haushalte der Länder ergeben.

Grundsätzlich ist das Steuerrecht aus Sicht des Bundesrates kontinuierlich anzupassen, wenn sich in der Praxis erweist, dass das geltende Recht Steuerumgehungen erlaubt oder Steuergestaltungsmöglichkeiten unzulässig genutzt werden und dadurch die Steuergerechtigkeit in Frage gestellt ist. Der Bundesrat sieht vor diesem Hintergrund gesetzliche Maßnahmen als unerlässlich an, um auch für Fälle von "Share Deals" bei grundbesitzenden Gesellschaften die gesetzlich vorgesehene Belastung mit Grunderwerbsteuer sicherzustellen.

2. Zum Gesetzentwurf allgemein:

Der Bundesrat begrüßt die Bemühungen der Bundesregierung, durch Änderungen des Grunderwerbsteuergesetzes missbräuchliche Steuergestaltung mit Share Deals einzudämmen. Er fordert die Bundesregierung auf, spätestens zwei Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes im Rahmen einer Evaluierung aufzuzeigen, ob die Korrektur der 95-Prozent- auf eine 90-Prozent-Anteilsgrenze sowie die Verlängerung der Haltefrist von fünf auf zehn Jahre zu den intendierten Verhaltensänderungen bei den adressierten Marktakteuren geführt hat.

3. Zu Artikel 1 (Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes)

Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, inwieweit die derzeitigen Vorschriften zur Besteuerung von Anteilsübertragungen an grundbesitzenden Gesellschaften im Grunderwerbsteuergesetz zu Gunsten eines quotalen Systems für die Besteuerung von Anteilsübertragungen an grundbesitzenden Gesellschaften ersetzt werden sollten.

Begründung:

Die im Gesetzentwurf enthaltene Absenkung der bestehenden Grenze zur Erhebung von Grunderwerbsteuer beim Verkauf von Anteilen an Gesellschaften mit Liegenschaftsvermögen von bisher 95 Prozent auf 90 Prozent wird als nicht ausreichend angesehen, um die Umgehung der Zahlung von Grunderwerbsteuer bei Anteilskäufen künftig zu verhindern. Die Grunderwerbsteuerumgehung mittels Share Deals kann aus Sicht des Bundesrates nur durch die Einführung eines quotalen Besteuerungsmodells vermieden werden.

4. Zu Artikel 1 (Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes)

Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, ob im Falle einer Beibehaltung des bestehenden Systems bei landwirtschaftlichen Unternehmen die bestehende Grenze zur Erhebung von Grunderwerbsteuer beim Verkauf von Anteilen an Gesellschaften mit Liegenschaftsvermögen von derzeit 95 Prozent auf 75 Prozent abgesenkt werden kann.

Begründung:

Die im Gesetzentwurf enthaltene Absenkung der bestehenden Grenze zur Erhebung von Grunderwerbsteuer beim Verkauf von Anteilen an Gesellschaften mit Liegenschaftsvermögen von bisher 95 Prozent auf 90 Prozent wird als nicht ausreichend angesehen. Missbräuchliche Steuergestaltungen bei der Grunderwerbsteuer mittels Share Deals bleiben bei dieser geringfügigen Absenkung der Auslöseschwelle weiterhin möglich. Es bedarf einer deutlichen Absenkung, um diese zu verhindern. Die Gleichstellung des 75 Prozent-Erwerbs mit dem Vollerwerb ist aus Sicht des Bundesrates zudem auch verfassungsgemäß.

5. Zu Artikel 1 Nummer 1 Buchstabe a Doppelbuchstabe bb (§ 1 Absatz 2a Satz 4 GrEStG)

In Artikel 1 Nummer 1 Buchstabe a Doppelbuchstabe bb sollte § 1 Absatz 2a Satz 4 dahingehend ergänzt werden, dass für die Bestimmung der Neugesellschaftereigenschaft bei einer an einer Personengesellschaft beteiligten Kapitalgesellschaft lediglich Gesellschafterwechsel innerhalb eines Zeitraums entsprechend § 1 Absatz 2a Satz 1 und nicht unbefristet maßgebend sind.

6. Zu Artikel 1 Nummer 1 Buchstabe a Doppelbuchstabe cc -neu-, Buchstabe b (§ 1 Absatz 2a Satz 7 -neu-, Absatz 2b Satz 7 - neu - GrEStG)

In Artikel 1 Nummer 1 ist § 1 Absatz 2a wie folgt zu ändern:

Begründung:

Die Ausgabe von Anteilen und deren Verbreitung über die Börse ist für Kapitalgesellschaften ein gängiges Mittel zur Kapitalbeschaffung. Beim Handel mit solchen Anteilen über eine Börse stehen grundsätzlich andere Gründe als die Einsparung von Grunderwerbsteuer im Vordergrund. Das Interesse des Erwerbers der Anteile betrifft vorrangig die Ertragskraft der Kapitalgesellschaft und grundsätzlich nicht die im Vermögen der Kapitalgesellschaft enthaltenen Grundstücke. Jedoch führt ein solcher Handel mit Anteilen über eine Börse zu Wechseln der Anteilseigner und wäre im Rahmen des § 1 Absatz 2b GrEStG-E zu berücksichtigen. Unter den weiteren Voraussetzungen würde dies zu einer Besteuerung führen, obwohl regelmäßig keine missbräuchliche Gestaltung vorliegt.

Diese Problematik stellt sich bereits heute bei der Vorschrift des § 1 Absatz 2a GrEStG, wenn eine Kapitalgesellschaft an einer grundbesitzenden Personengesellschaft unmittelbar oder mittelbar beteiligt ist.

Zur Vermeidung einer übermäßigen Besteuerung bedarf es daher dem Sinn und Zweck der Vorschriften entsprechend einer Ausnahmeregelung für solche Kapitalgesellschaften, bei denen die Anteile zum Handel an einer Börse zugelassen sind. Daher wird in § 1 Absatz 2a Satz 7 GrEStG-E und § 1 Absatz 2b Satz 7 GrEStG-E jeweils eine sog. Börsenklausel eingefügt, die die Wirkung der Ergänzungstatbestände ziel- und sachgerecht begrenzt. Um eine ungerechtfertigte Ausnutzung dieser Börsenklausel zu verhindern, soll diese aber nur greifen, wenn die zum Handel zugelassenen Anteile den überwiegenden Teil des Kapitals repräsentieren.

Voraussetzung ist jedoch, dass die Anteile an der Kapitalgesellschaft zum Handel an einem organisierten Markt nach § 2 Absatz 11 WpHG oder einem gleichwertigen Dritthandelsplatz zugelassen sind. Organisierte Märkte bieten die größtmögliche Gewähr dafür, dass diese nicht missbräuchlich genutzt werden. Sie unterliegen der Zulassung und kontinuierlichen wirksamen Beaufsichtigung durch die Aufsichtsbehörden. Sie verfügen über klare und transparente Vorschriften für die Zulassung und den Handel von Wertpapieren, sodass diese fair, ordnungsgemäß, effizient und frei handelbar sind. Die Wertpapieremittenten unterliegen regelmäßig und kontinuierlich Informationspflichten, die ein hohes Maß an Anlegerschutz sowie Markttransparenz und - integrität gewährleisten. Marktmissbrauch in Form von Insidergeschäften und Marktmanipulation werden so verhindert.

In Deutschland fallen unter den Begriff des organisierten Marktes regelmäßig "Börsen" nach dem Börsengesetz (BörsG). Der Begriff des "organisierten Marktes" im Sinne von § 2 Absatz 11 WpHG entspricht dem Begriff des "geregelten Marktes" im Sinne von Artikel 4 Absatz 1 Nummer 21 der Richtlinie 2014/65/EU (Mifid II) . Es kann also davon ausgegangen werden, dass Handelsplätze in der EU und dem EWR, die sich als geregelter Markt qualifizieren, über vergleichbar hohe Standards verfügen. Die "European Securities and Markets Authority" (ESMA) führt ein Register über alle geregelten Märkte ("Regulated market") in der Europäischen Union und dem Europäischen Wirtschaftsraum. Nicht zu den organisierten bzw. geregelten Märkten zählen hingegen "Multilaterale Handelssysteme" und "Organisierte Handelssysteme" sowie der Freiverkehr nach § 48 BörsG, weil sie die entsprechenden Anforderungen nicht erfüllen.

Vergleichbaren Standards unterliegen auch Drittlandhandelsplätze, die gemäß Artikel 25 Absatz 4 Buchstabe a der Richtlinie 2014/65/EU von der Europäischen Kommission als gleichwertig erklärt wurden. Die derzeit auf diese Weise anerkannten Drittlandhandelsplätze ergeben sich aus den einzelnen Durchführungsbeschlüssen: USA (Durchführungsbeschluss (EU) Nr. 2017/2320 ), Hongkong (Durchführungsbeschluss (EU) Nr. 2017/2319 ) und Australien (Durchführungsbeschluss (EU) Nr. 2017/2318 ).

7. Zu Artikel 1 Nummer 1

In Artikel 1 ist nach Nummer 1 folgende Nummer 1a einzufügen:

"1a. § 4 wird wie folgt geändert:

Begründung:

Nach geltendem Recht fällt bei Ausübung des siedlungsrechtlichen Vorkaufsrechts zweimal Grunderwerbsteuer an: Beim Verkauf des Grundstücks an das anerkannte gemeinnützige Siedlungsunternehmen sowie beim Verkauf durch dieses Siedlungsunternehmen an den erwerbenden Landwirt.

Der Durchgangserwerb beim Siedlungsunternehmen dient lediglich der Verwirklichung des Sinns und Zwecks des siedlungsrechtlichen Vorkaufsrechts: Die Eigentumserhaltung von Grundstücken in landwirtschaftlicher Hand. Eine dauerhafte Eigentümerstellung des Siedlungsunternehmens ist nicht vorgesehen. Daher ist es angezeigt, diesen Durchgangserwerb von der Grunderwerbsteuer freizustellen.

8. Zu Artikel 1 Nummer 4 (§ 6a GrEStG)

Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, wie § 6a angepasst werden kann, damit Umstrukturierungsmaßnahmen im Konzern steuerneutral erfolgen können.

Begründung:

Die geltende Regelung des § 6a GrEStG begünstigt zurzeit nur bestimmte Umstrukturierungsmaßnahmen zwischen verbundenen Unternehmen. Bereits der einfachste denkbare Sachverhalt, ein Verkauf von Grundstücken zwischen Tochterunternehmen, wird nicht von der Regelung des § 6a GrEStG umfasst und unterliegt der Grunderwerbsteuer. Ferner werden Grundstücke in Konzernstrukturen häufig in einer Holdinggesellschaft verwaltet. Wird die Beteiligung an dieser Holdinggesellschaft im Rahmen von Umstrukturierungsmaßnahmen innerhalb eines Konzerns einer anderen Gesellschaft übertragen, führt dies ebenfalls regelmäßig zum Anfall von Grunderwerbsteuer. Das ursprüngliche gesetzgeberische Ziel,

Umstrukturierungen im Konzern zu erleichtern, um den Unternehmen eine größere Flexibilität bei sich verändernden Marktverhältnissen zu ermöglichen, wird nur unzureichend erreicht.

Solange ein Grundstück bei Umstrukturierungen im Verbund verbleibt, fließt dem Verbund jedoch keine Liquidität zu. Dennoch ist nach der derzeitigen Regelung z.B. in den genannten Fallkonstellationen Grunderwerbsteuer zu erheben. Dies steht im Widerspruch zu der ursprünglichen gesetzgeberischen Intention.

Auch die Maßnahmen gegen Steuergestaltungen mittels Share Deals verschärfen die Unzulänglichkeiten bei Umstrukturierungen innerhalb von Konzernen, so dass für Konzerne eine zusätzliche Lösung gefunden werden muss.

Es sollte daher geprüft werden, ob im Verbund stattfindende Grundstücksübertragungen nicht grundsätzlich steuerneutral erfolgen könnten. Im Rahmen eines sich beständig ändernden Marktumfeldes darf die Grunderwerbsteuer kein Hemmnis darstellen. Beschränkungen für sinnvolle Umstrukturierungsmaßnahmen müssen praxisgerecht beseitigt werden, ohne dass sich dadurch potentielle Gestaltungsmöglichkeiten ergeben.

9. Zu Artikel 1 Nummer 10 (§ 23 Absatz 23 GrEStG)

In Artikel 1 Nummer 10 ist § 23 Absatz 23 wie folgt zu fassen:

(23) Bei der Anwendung des § 1 Absatz 2b bleiben Übergänge von Anteilen der Gesellschaft, die vor dem ... [einsetzen: Datum des Inkrafttretens nach Artikel 2] erfolgen, unberücksichtigt. Ebenso unberücksichtigt bleiben Übergänge von Anteilen der Gesellschaft, die auf einem vor dem ... [einsetzen: Datum der Zuleitung des Gesetzentwurfs an den Bundesrat] abgeschlossenen Verpflichtungsgeschäft beruhen. Satz 2 gilt nur, wenn das Verpflichtungsgeschäft innerhalb eines Jahres vor dem ... [einsetzen: Datum der Zuleitung des Gesetzentwurfs an den Bundesrat] abgeschlossen wurde und innerhalb eines Jahres nach dem ... [einsetzen: Datum der Zuleitung des Gesetzentwurfs an den Bundesrat] erfüllt wird."

Begründung:

Nach der im Entwurf vorgesehenen Regelung des § 23 Absatz 23 GrEStG-E werden bei der Frage der Verwirklichung des Steuertatbestandes auch Anteilsübertragungen in der Vergangenheit "mitgezählt". Dagegen bestehen aus Gründen des Vertrauensschutzes erhebliche Bedenken, da mit dem Erwerbsvorgang des neuen § 1 Absatz 2b GrEStG erstmals eine Regelung eingeführt wird, die auch bei Kapitalgesellschaften allein auf das Ausmaß der Veränderungen im Gesellschafterbestand abstellt, ohne dass ein einzelner Gesellschafter eine bestimmte Beteiligungshöhe überschreiten muss.

Die Beteiligten mussten bei Anteilsübertragungen in der Vergangenheit nicht damit rechnen, dass diese Transaktionen in einem künftigen Steuertatbestand berücksichtigt werden, der auf Änderungen im Gesellschafterbestand abstellt. Sie konnten von einem steuerlich unerheblichen Handeln ausgehen. Der Vertrauensschutz gebietet es daher, bei der Bemessung des Umfangs der Veränderungen im Gesellschafterbestand nur solche Änderungen zu berücksichtigen, die nach dem 31. Dezember 2019 erfolgen.

10. Zum Gesetzentwurf allgemein

Die Anschaffungskosten von Immobilien steigen stetig und mit ihnen die Anschaffungsnebenkosten, bei denen die Grunderwerbsteuer mit bis zu 6,5 Prozent des Immobilienkaufpreises mit hohem Anteil zu Buche schlägt. Hierdurch wird die Finanzierung einer eigengenutzten Immobilie immer schwieriger. Deshalb sollte nach Auffassung des Bundesrates für den Ersterwerb einer selbstgenutzten Immobilie ein persönlicher grunderwerbsteuerlicher Freibetrag eingeführt werden. Die Höhe sollte dabei so konzipiert sein, dass eine spürbare Entlastung eintritt, um eine leichtere Finanzierbarkeit einer Grundstücksanschaffung zu ermöglichen. Schließlich stellt der Weg ins Eigenheim einen wichtigen Beitrag zur Altersvorsorge dar.

B