COM (2018) 131 final; Ratsdok. 7203/18
968. Sitzung des Bundesrates am 8. Juni 2018
A
Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union (EU), der Ausschuss für Arbeit, Integration und Sozialpolitik (AIS) und der Wirtschaftsausschuss (Wi) empfehlen dem Bundesrat, zu der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG wie folgt Stellung zu nehmen:
- 1. Der Bundesrat begrüßt grundsätzlich Initiativen der Kommission, die der Förderung grenzüberschreitender Arbeitskräftemobilität dienen und damit das Grundprinzip der Arbeitnehmerfreizügigkeit weiter stärken. Dabei vertritt der Bundesrat ebenso die Auffassung, dass die Arbeitnehmerfreizügigkeit als wichtige Errungenschaft der europäischen Integration nur wirksam gewährleistet werden kann, wenn auf einem europäischen Arbeitsmarkt mobiler Arbeitskräfte faire Arbeitsbedingungen garantiert sind.
- 2. Der Bundesrat unterstützt daher das Grundanliegen der Kommission, mit der Errichtung einer europäischen Arbeitsagentur vor allem faire Arbeitsbedingungen zu sichern und den Schutzrechten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor dem Hintergrund eines wachsenden europäischen Arbeitsmarktes bei einer sich verändernden Arbeitswelt zur Durchsetzung zu verhelfen.
- 3. Der Bundesrat erachtet eine gute Koordinierung in Bezug auf den grenzüberschreitenden europäischen Arbeitsmarkt zwischen den nationalen Behörden im Rahmen der bestehenden Strukturen als sinnvoll.
- 4. Der Bundesrat unterstützt deshalb die mit dem Vorschlag angestrebte bessere Koordinierung nationaler Verwaltungsbehörden, die geplante Ausweitung der Informationen zu Rechten und Pflichten (Transparenz) für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber sowie das Angebot von Schulungen für Beschäftigte in den nationalen Arbeits- und Sozialbehörden. Vor diesem Hintergrund stellt der Verordnungsvorschlag einen ersten wichtigen Schritt in Richtung einer stärkeren supranationalen Zusammenarbeit und zur Umsetzung eines Aspektes der sozialen Säule als gemeinsame Verpflichtung der EU und der Mitgliedstaaten dar. Hierzu bedarf es jedoch noch intensiver Erörterungen über die künftige Weiterentwicklung und Aufgabenverteilung.
- 5. Der Bundesrat betont allerdings, dass die primäre Zuständigkeit der Mitgliedstaaten und die strikte Beachtung des Subsidiaritätsprinzips im Bereich der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik als bedeutende Bereiche der nationalen Souveränität Zurückhaltung gegenüber neuen Legislativakten auf EU-Ebene gebieten. Die Errichtung einer Europäischen Arbeitsbehörde wird kritisch gesehen, da die Befürchtung besteht, dass sich diese mit Angelegenheiten befasst, die rein in nationaler Zuständigkeit liegen.
- 6. Der Bundesrat bezweifelt die Notwendigkeit einer Europäischen Arbeitsbehörde vor dem Hintergrund der erheblichen Kosten, die mit der Etablierung einer solchen einhergehen, und der bereits bestehenden Agenturen auf diesem Gebiet. Unnötige Doppelstrukturen sollten vermieden werden.
- 7. Darüber hinaus sollte geprüft und dargelegt werden, welchen Mehrwert eine supranationale EU-Behörde, insbesondere vor dem Hintergrund bereits auf EU-Ebene vorhandener Einrichtungen und Gremien, hat. Aus Sicht des Bundesrates ist es im Rahmen einer solchen Prüfung wichtig, konkreter herauszustellen, inwieweit die Arbeit bereits bestehender Strukturen ergänzt bzw. in die Arbeitsbehörde überführt werden kann. Hierbei sollte insbesondere die Berücksichtigung der EU-Agentur für Sicherheit- und Gesundheitsschutz bei der der Arbeit (OSHA), des Europäischen Netzwerks für öffentliche Arbeitsverwaltungen (PES-Netzwerk) sowie der von der Generaldirektion Regionalpolitik und Stadtentwicklung (GD Regio) eingerichteten Anlaufstelle Grenze dargelegt werden. Zudem muss geprüft werden, wie eine Abgrenzung zur Arbeit der EURES-Grenzpartnerschaften erfolgt, damit Dopplungen vermieden werden können.
- 8. Der Bundesrat lehnt über eine Koordinierung und Unterstützung hinausgehende Befugnisse der Europäischen Arbeitsbehörde explizit ab.
- 9. Mit dem Aufbau einer solchen Behörde dürfen nur solche Strukturen einhergehen, die für die Zielerreichung notwendig sind.
- 10. Es ist zu befürchten, dass ein weiterer Ausbau der Strukturen und Befugnisse einer solchen Europäischen Arbeitsbehörde zu Kompetenzüberschreitungen seitens der EU führen könnte.
- 11. Eine diesbezügliche Kompetenzüberschreitung seitens der EU - insbesondere in den Bereichen der Beschäftigungs- und Sozialpolitik - muss vermieden werden.
- 12. Damit eine Europäische Arbeitsbehörde die mit dem Verordnungsvorschlag angestrebten fairen Bedingungen für die Arbeitskräftemobilität gewährleisten kann, müssen die Leistungsbereiche und die Aufgaben sowie klare Kompetenzen und Befugnisse der Behörde in der Verordnung selbst eindeutig und transparent festgelegt werden.
- 13. Der Bundesrat weist insbesondere darauf hin, dass es angemessener Regelungen sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene bedarf, um die Voraussetzungen für ein effektives Tätigwerden der Europäischen Arbeitsbehörde zu schaffen. Damit arbeitsrechtliche Verstöße effektiv geahndet werden können, sind grenzüberschreitende Kontroll- und Sanktionsmöglichkeiten - wie sie in anderen Bereichen (zum Beispiel Bankenaufsicht, Kartellbehörde) bereits erfolgreich umgesetzt werden - notwendig. Dies stärkt zugleich die nationalen Behörden bei der wirksamen grenzüberschreitenden Verfolgung und Sanktionierung illegaler Praktiken und dient damit letztlich auch der Durchsetzung geltenden nationalen Rechts.
- 14. Der Bundesrat weist darauf hin, dass der Einfluss der Sozialpartner durch die Schaffung einer Europäischen Arbeitsbehörde nicht geschmälert werden darf.
- 15. Der Bundesrat betont darüber hinaus, dass bei der Schaffung einer Europäischen Arbeitsbehörde die Beteiligungsrechte der Sozialpartner erhalten bleiben müssen.
- 16. Bei einer neu zu schaffenden Europäischen Arbeitsbehörde erachtet es der Bundesrat als sinnvoll, dass diese in einer - im grenzüberschreitenden Arbeitsmarkt erfahrenen - Grenzregion angesiedelt wird, um die Erfahrung und das Wissen vor Ort in die Tätigkeit der Arbeitsbehörde einfließen zu lassen, und bewährte Strukturen erhalten werden.
- 17. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, dies in den anstehenden Ratsberatungen entsprechend geltend zu machen. Hierbei ist insbesondere hervorzuheben:
Die vorgesehene Behörde soll die Tätigkeit von vier anderen Behörden, unter anderem dem Europäischen Zentrum für die Förderung der Berufsbildung (Cedefop) und der Europäischen Stiftung für Berufsbildung (ETF), ergänzen und auf Kohärenz mit deren Tätigkeiten achten. Bei der Errichtung der neuen Behörde soll festgestellt werden, welche Aufgaben bei anderen Behörden entfallen und welche Synergien erreicht werden sollen. Dabei müssen aus Sicht des Bundesrates folgende Ziele im Mittelpunkt stehen:
- - die Umsetzung der in der Europäischen Säule sozialer Rechte definierten Grundsätze als zentraler Ansatzpunkt der Bemühungen und
- - Stärkung der Teilhabemöglichkeiten für Angebote zur Fortbildung und für ein lebenslanges Lernen für die Bürgerinnen und Bürger sowie Förderung der Initiativen zu grenzüberschreitender Mobilität.
B
- 18. Der Rechtsausschuss empfiehlt dem Bundesrat, von der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG Kenntnis zu nehmen.