Unterrichtung durch die Bundesregierung
Mitteilung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften an das Europäische Parlament und den Rat über die Internationalen Gesundheitsvorschriften KOM (2006) 552 endg.; Ratsdok. 13501/06

Übermittelt vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie am 10. Oktober 2006 gemäß § 2 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union (BGBl. I 1993 S. 313 ff.).

Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat die Vorlage am 26. September 2006 dem Bundesrat zugeleitet.

Die Vorlage ist von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften am 26. September 2006 dem Generalsekretär/Hohen Vertreter des Rates der Europäischen Union übermittelt worden.


Hinweis: vgl.
Drucksache 243/96 = AE-Nr. 961223,
Drucksache 667/03 (PDF) = AE-Nr. 032951 und
Drucksache 719/03 (PDF) = AE-Nr. 033169

Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat über die Internationalen Gesundheitsvorschriften

1. Einleitung

In dieser Mitteilung wird die Ansicht der Kommission zur Implementierung der Internationalen Gesundheitsvorschriften - IGV (2005)1 dargelegt. Sie soll eine strukturierte Erörterung mit dem Europäischen Parlament und dem Rat fördern.

Die Internationalen Gesundheitsvorschriften sind ein internationales Rechtsinstrument, das darauf abzielt, Krankheiten vorzubeugen, vor ihnen zu schützen und ihre Ausbreitung einzudämmen, und das eine verhältnismäßige Reaktion des Gesundheitswesens auf die entsprechenden Risiken ermöglichen soll, ohne dabei den internationalen Waren- und Personenverkehr unnötig zu behindern.

Die Internationalen Gesundheitsvorschriften treten am 15. Juni 2007 in Kraft und müssen bis spätestens 2016 schrittweise umgesetzt werden. Die Weltgesundheitsversammlung von Mai 2006 nahm eine Entschließung2 an, die zur freiwilligen frühzeitigen Anwendung bestimmter Teile der Internationalen Gesundheitsvorschriften mit Blick auf eine Grippepandemie aufrief.

Die Umsetzung der Internationalen Gesundheitsvorschriften in die Praxis wird eine enge Zusammenarbeit zwischen der Kommission und den Mitgliedstaaten (MS) erfordern. Durch ihre Zusammenarbeit können die Europäische Union (EU) und die MS die Implementierung optimieren und die EU-Bürger besser vor gesundheitlichen Krisen internationalen Ausmaßes schützen.

Insbesondere das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC3) und das EU-Frühwarn- und Reaktionssystem für Bedrohungen der öffentlichen Gesundheit (EWRS4) können dazu beitragen, die Internationalen Gesundheitsvorschriften solider und kohärenter zu implementieren.

Kurz gesagt, diese Mitteilung soll

Der Anhang dieser Mitteilung enthält eine Zusammenfassung und ein Abkürzungsverzeichnis.

2. Hintergrund der Internationalen Gesundheitsvorschriften

2.1. Kurze Beschreibung5

Im Jahre 1951 verabschiedeten die Mitgliedstaaten der Weltgesundheitsorganisation (WHO) das erste Internationale Sanitätsreglement. Dieses wurde 1969 in Internationale Gesundheitsvorschriften umbenannt und seither viermal ergänzt und revidiert zuletzt und am umfassendsten im Jahre 2005.

Die Internationalen Gesundheitsvorschriften sind ein internationales Rechtsinstrument, das für alle Vertragsstaaten bindend ist. Es erfordert keine Ratifizierung durch die einzelnen Staaten, doch jeder Staat kann die IGV ablehnen oder Vorbehalte gegen bestimmte Aspekte geltend machen. 192 Staaten sind WHO-Mitglieder, einschließlich der 25 EU-Mitgliedstaaten, Bulgarien und Rumänien.

Die EU ist nicht Vertragspartner der IGV, die IGV erkennt jedoch die Rolle der "Organisationen der regionalen Wirtschaftsintegration" wie der EU an. So lautet Artikel 57 Absatz 3 der IGV: "Unbeschadet ihrer Verpflichtungen nach diesen Vorschriften wenden Vertragsstaaten, die Mitglieder einer Organisation der regionalen Wirtschaftsintegration sind, in ihren gegenseitigen Beziehungen die in dieser Organisation der regionalen Wirtschaftsintegration in Kraft befindlichen gemeinsamen Regelungen an".

Dies bedeutet beispielsweise Folgendes: Sollte die WHO Staaten empfehlen, die Einfuhr oder Ausfuhr bestimmter Waren im Rahmen der IGV zu verweigern (Artikel 18 Absatz 2), so müsste die EU auf Initiative der Kommission als Ganzes handeln da die Mitgliedstaaten nach den Binnenmarktvorschriften nicht einseitig handeln dürfen.

2.2. Rechtliche Zuständigkeit

Die IGV sind ein internationales Rechtsinstrument für Bereiche, in denen sowohl die einzelstaatlichen Regierungen als auch die Europäische Gemeinschaft (EG) zuständig sind6.

Viele IGV-Artikel beziehen sich auf Angelegenheiten, die unter das Gemeinschaftsrecht fallen. Je nachdem, fallen diese Vorschriften entweder in die ausschließliche Zuständigkeit der Gemeinschaft oder in die gemeinsame Zuständigkeit der einzelstaatlichen Regierungen und der Gemeinschaft. So betrifft Artikel 45 der IGV beispielsweise die Verarbeitung personenbezogener Daten, die in der EU durch Rechtsvorschriften mit einer Binnenmarktrechtsgrundlage geregelt wird7 und damit in die ausschließliche Zuständigkeit der Gemeinschaft fällt.

Andere IGV-Artikel sind ausschließlich Sache der einzelstaatlichen Regierungen, weil es im jeweiligen Zusammenhang keine gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften gibt. So betrifft zum Beispiel Artikel 41 der IGV Gebühren für die Anwendung von Gesundheitsschutzmaßnahmen auf Transportmittel (Schiffe und Flugzeuge). Dies ist nicht Gegenstand des Gemeinschaftsrechts und fällt daher nicht in die Zuständigkeit der Gemeinschaft.

Es ist nicht der Zweck dieser Mitteilung, aufzulisten, welche Artikel der IGV die einzelstaatliche gemeinschaftliche oder geteilte Zuständigkeit betreffen, sondern zu erwägen wie die IGV auf koordinierte Weise in der ganzen Gemeinschaft implementiert werden können.

3. Vorbehalte

Gemäß Artikel 62 der IGV können die Vertragsstaaten dem WHO-Generaldirektor bis zum 15. Dezember 2006 unter bestimmten Bedingungen Vorbehalte notifizieren.

Vorbehalte würden allgemein dazu verwendet, anzuzeigen, dass Staaten bestimmte Teile der IGV nicht implementieren können oder wollen.

Die Mitgliedstaaten und die Kommission haben während der gesamten IGV-Verhandlungen eng und effektiv zusammengearbeitet, um sicherzustellen, dass die endgültigen IGV mit dem Gemeinschaftsrecht und den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften im Einklang stehen, so dass sich Vorbehalte erübrigen.

3.1. Vorbehalte der EG und der Mitgliedstaaten

Eine abschließende Überprüfung der IGV anhand des Gemeinschaftsrechts ergab, dass kein Anlass für Vorbehalte gegenüber IGV-Bereichen besteht, die in die Zuständigkeit der Gemeinschaft fallen.

Bisher hat kein MS einen Anlass für Vorbehalte gegenüber IGV-Bereichen gesehen, die in einzelstaatliche Zuständigkeit fallen. Es ist dennoch möglich, dass bei der Vorbereitung zur Implementierung Probleme mit einzelnen Bestimmungen auftreten.

Sollte dies der Fall sein, wäre ein Vorgehen der EU als Ganzes erforderlich, um offiziell Vorbehalte bei der WHO geltend zu machen, damit das Prinzip der geschlossenen völkerrechtlichen Vertretung gewahrt bleibt, wie es vom EuGH anerkannt wird und aus Artikel 10 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft folgt.

Die Kommission stellt mit Zufriedenheit fest, dass es keinen Anlass für Vorbehalte gegenüber IGV-Bereichen unter gemeinschaftlicher Zuständigkeit gibt. Falls ein Mitgliedstaat einen Vorbehalt gegenüber den IGV in einem Bereich äußern möchte der in einzelstaatliche Zuständigkeit fällt, so wird eine EU-Koordinierung erforderlich. Um dies vor Ablauf der Frist im Dezember 2006 zu erreichen, sollten MS, die einen Vorbehalt geltend machen wollen, der Kommission und den anderen Mitgliedstaaten dies so früh wir möglich mitteilen, damit ein koordiniertes Vorgehen vereinbart werden kann.

3.2. EU-Reaktionen auf Vorbehalte von Drittländern

Bisher hat kein Drittland Vorbehalte gegenüber den IGV geäußert, bei einigen Drittländern könnte es jedoch dazu kommen. Falls oder wenn bei der WHO ein Vorbehalt eingeht, muss der WHO-Generaldirektor gemäß Artikel 62 der IGV alle anderen Vertragsstaaten, welche die IGV nicht abgelehnt haben, notifizieren und ihnen eine sechsmonatige Frist für die Stellungnahme einräumen. Wenn mindestens ein Drittel dieser Staaten Einwände gegen den Vorbehalt erhebt, wird die WHO den Staat, der den Vorbehalt geäußert hat, auffordern, eine Rücknahme des Vorbehalts innerhalb von drei Monaten zu erwägen. Ist der Staat damit nicht einverstanden, wird die WHO den IGV-Prüfungsausschuss anrufen.

Es bedarf auch einer EU-Koordinierung zur Festlegung eines gemeinsamen Vorgehens bei Vorbehalten von Drittländern.

4. Freiwillige frühzeitige Anwendung von gripperelevanten Aspekten

Die am 26. Mai 2006 verabschiedete Entschließung 59.2 der Weltgesundheitsversammlung (WHA) ruft die Vertragsstaaten dazu auf, unverzüglich freiwillig den IGV-Bestimmungen nachzukommen, die als relevant angesehen werden für das von der Vogelgrippe und einer möglichen Grippepandemie des Menschen ausgehende Risiko.

Es ist wichtig klarzustellen, dass die IGV am 15. Juni 2007 in Kraft treten werden und für alle Vertragspartner bindend sind. Danach haben die Vorschriften unterschiedliche Implementierungsfristen, doch die Einhaltung des gesamten Instruments ist verbindlich.

4.1. Spezifische Aspekte für die frühzeitige Anwendung - EU-Kontext

Die Entschließung der Weltgesundheitsversammlung ruft die Staaten dringend dazu auf

4.2. Notwendigkeit eines gemeinsamen EU-Vorgehens bei freiwilliger frühzeitiger

Anwendung Zur Wahrung des Prinzips der geschlossenen völkerrechtlichen Vertretung gemäß EG-Vertrag ist ein gemeinsames Vorgehen erforderlich.

Die jeweiligen IGV-Bereiche sollten in den verschiedenen EU-Mitgliedstaaten gleichzeitig implementiert werden. Dies bedarf der Koordinierung auf EU-Ebene.

Die Kommission wird geeignete Initiativen ergreifen, die notwendig werden könnten um diese Implementierung zu fördern.

5. Vollständige Implementierung - EU-Rolle

Die IGV haben klare politische Implikationen für die EU, insbesondere, was Handel, Verkehr und Grenzpolitik im Binnenmarkt angeht, wo im Falle einer gesundheitlichen Krise internationalen Ausmaßes das Gemeinschaftsrecht die Grundlage für die Reaktion auf Notfälle bildet.

Wie bereits während der Verhandlungen festgestellt, betreffen die meisten Bestimmungen der IGV sowohl die EU als auch die MS, daher bedarf die optimale Implementierung einer engen Koordinierung.

Die EU, ihre Institutionen und Netze können daher eine wichtige Rolle bei der IGV-Implementierung spielen einen zusätzlichen Nutzen erzielen und Doppelarbeit auf nationaler Ebene vermeiden.

5.1. Vereinbarung zwischen der WHO und der Gemeinschaft

Auf der Grundlage der nachstehenden Vorschläge zu Arbeitsweise und Rolle der EU-Institutionen und -Netze, wäre es wünschenswert, eine Vereinbarung zwischen der Gemeinschaft und der WHO zu treffen, um sicherzustellen, dass klar definierte Vorkehrungen für die IGV getroffen werden. Die Kommission wäre für den Entwurf, die Aushandlung und Unterzeichnung dieser Vereinbarung verantwortlich.

5.2. Die Rolle der vorhandenen EU-Netze, des EWRS und des Gesundheitssicherheitsausschusses

Mit der Entscheidung 2119/98/EG des Europäischen Parlaments und des Rates wurde ein Netz für die epidemiologische Überwachung und Kontrolle übertragbarer Krankheiten in der EU (EWRS) errichtet. Die Entscheidung 2000/57/EG der Kommission legte die Kriterien für die Verwendung dieses Netzes zur Prävention und Bekämpfung übertragbarer Krankheiten fest.

Die wichtigste Rolle dieses Netzes besteht darin, Infektionskrankheiten zu melden, die mehr als einen MS betreffen oder sich möglicherweise auf mehrere Mitgliedstaaten ausbreiten könnten. Gemäß der Entscheidung 2119/98/EG müssen die MS auch melden, welche Abhilfemaßnahmen sie getroffen haben, und einander in Verbindung mit der Kommission konsultieren, um die Bemühungen zur Prävention und Bekämpfung von übertragbaren Krankheiten zu koordinieren.

Das Netz beschränkt sich auf Infektionskrankheiten, auch auf diejenigen unbekannten Ursprungs. Es ist daher nicht so breit angelegt wie die IGV, die auch Ereignisse unbekannter Ursache oder Entstehung und die Verbreitung von toxischem infektiösem oder sonstigem gefährlichen Material als potenzielle gesundheitliche Krisen internationalen Ausmaßes umfasst, wie in Anhang 2 der IGV dargelegt.

Angesichts der Tatsache, dass die meisten gesundheitlichen Krisen internationalen Ausmaßes von Infektionskrankheiten verursacht werden, stehen die MS natürlich in Bezug auf das EWRS und die IGV vor vielfach ähnlichen Informations- und Kommunikationserfordernissen.

Für mögliche gesundheitliche Krisen internationalen Ausmaßes, die andere Ursachen als Infektionskrankheiten haben, kann der EU-Gesundheitssicherheitsausschuss eine zusätzliche Aufgabe übernehmen; dieser wurde 2001 eingesetzt, um die Zusammenarbeit zur Bekämpfung des Bioterrorismus zu fördern. Die Vertreter im Gesundheitssicherheitsausschuss koordinieren sektorübergreifende Reaktionen auf Gesundheitsbedrohungen in den MS, die von besonderer Bedeutung beim Umgang mit Bedrohungen sind, welche nicht durch Ausbrüche von Infektionskrankheiten verursacht werden. Die Ausschussmitglieder kommunizieren miteinander und mit der Kommission über ein sicheres Informationssystem (RAS-BICHAT), das 24 Stunden am Tag und 7 Tage in der Woche eine Schnellwarnung bei solchen Ereignissen ermöglicht.

Laut der Verordnung zur Errichtung des ECDC soll dieses die Kommission bei der EWRS-Arbeit unterstützen. Derzeit werden Nutzeranforderungen ermittelt, um das System zu verbessern und aus den Erfahrungen mit den jüngsten von der Kommission und den Mitgliedstaaten durchgeführten Krisensimulationsübungen zu Pocken und Grippe ausgewertet.

Zur Maximierung der Effizienz schlägt die Kommission folgende Vorgehensweisen vor:

Somit könnte die EU mit einer Stimme sprechen, es würde unnötiger Aufwand vermieden und eine effizientere politische Koordinierung sichergestellt. Dieses Verfahren könnte auf der Grundlage vorhandener Mechanismen festgelegt werden.

5.3. Rolle des ECDC

Das Seuchenbekämpfungszentrum ECDC ist eine unabhängige Einrichtung mit der Aufgabe, aktuelle und bevorstehende Bedrohungen der menschlichen Gesundheit durch übertragbare Krankheiten zu ermitteln, zu prüfen und mitzuteilen. Das ECDC sammelt und verarbeitet einschlägige wissenschaftliche und technische Daten, gibt wissenschaftliche Gutachten ab, leistet fachliche Hilfe und koordiniert die europaweite Vernetzung. Das ECDC arbeitet auch mit der Kommission und den MS zusammen um EU-Anlaufstelle für die Überwachung übertragbarer Krankheiten zu werden. Es prüft und unterstützt MS zur Verstärkung ihrer nationalen Überwachungskapazitäten.

Die Überwachungstätigkeiten des ECDC werden im Falle einer Bedrohung der öffentlichen Gesundheit, die eine IGV-Meldung erfordert, sehr wichtig sein. Das ECDC kann die MS auch bei der einzelstaatlichen IGV-Implementierung unterstützen.

Das ECDC erarbeitet zurzeit Leitlinien für die Erkennung und Bewertung von Bedrohungen in der EU, die im Zusammenhang mit Anhang I der IGV über geforderte Kernkapazitäten nützlich wären.

Das ECDC könnte Anleitung geben, wie Anhang 2 der IGV anzuwenden ist, der das Entscheidungsinstrument für die Festlegung beschreibt, welche Ereignisse eine gesundheitliche Krise internationalen Ausmaßes darstellen können.

Das ECDC könnte den Austausch von Informationen und vorbildlichen Verfahren zwischen den EU-MS erleichtern, möglicherweise durch die Veranstaltung von IGV-Sitzungen oder Workshops.

Das ECDC kann Sachverstand mobilisieren, indem es Epidemiologieexperten in die betroffenen Gebiete innerhalb der EU und in Nachbarländer entsendet, die bei der Risikobewertung helfen und in Fragen der wirksamsten Reaktion des Gesundheitswesens beraten. Dies ergänzt die vorhandenen WHO-Mechanismen für internationale Hilfeleistung. Die Zusammenarbeit zwischen dem ECDC und der WHO funktioniert bereits gut und soll weiter ausgebaut werden, um die größtmögliche Effizienz innerhalb der EU und dem weiteren Europa sicherzustellen.

In Anbetracht der Aufgabenstellung schließlich, welche die WHO für die nationalen Kontaktstellen der IGV (NFP)8 vorschlägt, ist die Kommission der Ansicht, dass das ECDC eine ergänzende Rolle auf EU-Ebene übernehmen könnte und sollte. Formal besagt der Wortlaut der IGV nur, "jeder Vertragsstaat solle eine nationale IGV-Kontaktstelle benennen oder einrichten". In der Praxis wird jedoch das ECDC, das das EWRS betreibt und Risikobewertungsdaten zusammenstellt, viele dieser Funktionen auf EU-Ebene wahrnehmen, die den nationalen Kontaktstellen auf einzelstaatlicher Ebene zugewiesen werden.

Die Kommission schlägt vor, dass die Rolle des ECDC im Rahmen der IGV offiziell festgelegt werden sollte, insbesondere mit Blick auf die Erhebung von Daten über Fragen, die in sein Mandat fallen. Seine Rolle sollte folgende Elemente umfassen, die im WHO-Leitfaden für die IGV-Kontaktstellen genannt werden:

5.4. Expertenstab, Notfall- und Prüfungsausschüsse

Artikel 47 der IGV sieht einen Expertenstab vor, der vom WHO-Generaldirektor zu ernennen ist und sich aus einem "Mitglied, das auf Ersuchen jedes Vertragsstaats benannt wird, und gegebenenfalls Experten, die von einschlägigen zwischenstaatlichen Organisationen und Organisationen der regionalen Wirtschaftsintegration vorgeschlagen werden" zusammensetzt. Die Kommission schlug der WHO kürzlich in einem Schreiben Experten der Kommission und des ECDC für den IGV-Expertenstab vor.

Die Artikel 48 bis 53 der IGV betreffen den Notfallausschuss und den Prüfungsausschuss. Der Notfallausschuss wird die WHO darüber beraten, ob ein bestimmtes Ereignis eine gesundheitliche Krise internationalen Ausmaßes darstellt, und wird auch um Stellungnahme zur geeigneten Reaktion durch vorläufige WHO-Empfehlungen gebeten. Der Prüfungsausschuss wird die WHO über Vorbehalte, ständige IGV- und die allgemeine Funktionsweise der IGV beraten.

Beide Ausschüsse werden jeweils auf Ersuchen der WHO ad hoc einberufen und setzen sich aus Experten aus dem IGV-Expertenstab zusammen. Grundlage hierfür sind Sachkenntnis, Erfahrung und gleichmäßige Vertretung nach geografischen Gesichtspunkten. Mindestens ein Mitglied des Notfallausschusses sollte ein Sachverständiger aus dem Staat sein, in dem das Ereignis auftritt.

Im Falle einer potenziellen gesundheitlichen Krise internationalen Ausmaßes auf EU-Hoheitsgebiet wäre es angemessen, dass die WHO die Experten der Kommission und/oder des ECDC aus dem IGV-Expertenstab einlädt, am Notfallausschuss mitzuwirken.

6. Beschränkungen der politischen Reaktionen, die den internationalen Verkehr betreffen

Aus Artikel 43 der IGV geht eindeutig hervor, dass Staaten zwar ihre eigenen Maßnahmen treffen dürfen, wenn sie das gleiche oder ein höheres Maß an Gesundheitsschutz erreichen wie die WHO-Maßnahmen dürfen den internationalen Verkehr nicht stärker beeinträchtigen und für Personen nicht eingreifender oder störender sein als unter vertretbarem Aufwand verfügbare Alternativen, die ein angemessenes Maß an Gesundheitsschutz erreichen würden."

Die IGV erlegen nationalen Maßnahmen, die den internationalen Verkehr "erheblich beeinträchtigen", weitere Beschränkungen auf. Diese Beeinträchtigung wird definiert als die Verweigerung der Ein- oder Ausreise von internationalen Reisenden, Gepäck und Frachtstücken oder deren Verzögerung um mehr als 24 Stunden beispielsweise durch Schließung einer Grenze oder Quarantänebeschränkungen. In solchen Fällen müssen die jeweiligen Staaten die wissenschaftlichen Informationen und gesundheitsrelevanten Begründungen der Maßnahme vorlegen.

Jeder von einer solchen Maßnahme betroffene Staat kann den die Maßnahme durchführenden Staat um Rücksprache ersuchen. Im Falle eines Streits über handelsbeschränkende Maßnahmen könnte die Welthandelsorganisation als Entscheidungsgremium angerufen werden.

6.1. Grenzmaßnahmen

Ein wichtiges Ziel der überarbeiteten IGV, insbesondere von Teil V, ist es, die Notwendigkeit von Beschränkungen willkürlicher Grenzmaßnahmen gegen das Recht der Staaten auf Durchführung der notwendigen Kontrollen von Reisenden abzuwägen.

Das europäische Recht beschränkt einseitige Maßnahmen noch weiter: an innergemeinschaftlichen Grenzen durch den Schengener Grenzkodex9 und an allen Grenzen durch die Richtlinie 2004/38/EG über Freizügigkeit10, sowie die Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte11.

Gemäß Artikel 31 der IGV dürfen die Vertragsstaaten von Reisenden medizinische Untersuchungen, Impfungen oder sonstige Prophylaxemaßnahmen als Voraussetzung für die Einreise verlangen. Dies unterliegt bestimmten Bedingungen, wie zum Beispiel, dass es sich um die am wenigsten invasive und störende ärztliche Untersuchung handelt, durch die das Ziel aus Sicht der öffentlichen Gesundheit erreicht wird.

Gemäß der Richtlinie 2004/38/EG dürfen MS EU-Bürgern und deren Familienangehörigen die Einreise verweigern, wenn sie als eine Gefahr für die öffentliche Gesundheit erachtet werden, jedoch nur, sofern dies verhältnismäßig ist und strengen Auflagen und Verfahrensgarantien entspricht. Nach dem Schengener Grenzkodex kann auch Angehörigen von Drittstaaten die Einreise verweigert werden wenn sie eine Gefahr für die öffentliche Gesundheit darstellt. Zur Definition des Begriffs "Gefahr für die öffentliche Gesundheit" beziehen sich beide Dokumente auf die einschlägigen Instrumente der WHO.

Artikel 43 der IGV erlaubt es zwar den Vertragsstaaten, unter bestimmten Bedingungen ihre eigenen Maßnahmen zur Reaktion auf internationale gesundheitliche Krisensituationen zu treffen, doch fallen Grenzmaßnahmen in der EUin die Zuständigkeit der Gemeinschaft und erfordern EU-Koordinierung. Wie in der Entscheidung 2119/1998 über das Netz ausgeführt, müssen MS darüber hinaus wenn sie beabsichtigen, Maßnahmen zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten zu treffen, die anderen Mitgliedstaaten und die Kommission im Voraus informieren und nach Möglichkeit konsultieren. Dies ist eine wichtige Frage, die einer Erörterung im Rat bedarf.

6.2. Rückverfolgung der Kontakte

Gemäß Artikel 23 der IGV dürfen Staaten von Reisenden verlangen, dass sie ihren Zielort angeben, damit aus gesundheitlichen Gründen Kontakt zu den Reisenden aufgenommen werden kann. Es gibt derzeit kein standardmäßiges internationales Vorgehen für die Rückverfolgung von Kontakten, aber sofern die Datenschutzvorschriften vollständig eingehalten werden, ist dies ein nützliches Instrument für die öffentliche Gesundheit.

Die Kommission arbeitet mit der Luftfahrtbranche und den Generaldirektoren für zivile Luftfahrt zusammen, um ein mögliches EU-Vorgehen zur Rückverfolgung von Kontakten zu erörtern.

Hierzu könnten die Passagiere an Bord ein Standardformular zur späteren Lokalisierung ausfüllen; die WHO arbeitet bereits an einem entsprechenden Entwurf für die Verwendung bei gesundheitlichen Krisen internationalen Ausmaßes.

6.3. Spezifische Fragen in Bezug auf eine Grippepandemie

Die oben beschriebenen Maßnahmen zur Kontrolle des internationalen Verkehrs sind herkömmliche gesundheitspolitische Instrumente, die in Teil V der IGV behandelt werden deren Wirksamkeit jedoch fraglich erscheint in Bezug auf die Grippe, die übertragen werden kann, bevor Symptome auftreten, und die sich in der Pandemiephase rasch ausbreiten kann. Einzelstaatliche und örtliche Maßnahmen zur räumlichen Trennung, wie die Schließung von Schulen und interne Reisebeschränkungen könnten wirksamer sein, außerdem leichter durchzuführen und weniger kostenaufwändig.

Nach Auffassung des ECDC wäre ein Screening internationaler Reisender bei Abreise oder Ankunft bei einer Grippepandemie von sehr begrenztem Nutzen, mit Ausnahme der frühen Phase, in der nach Ansicht der WHO ein Screening bei der Ausreise erwägenswert wäre. Unter praktischen und Kostengesichtspunkten würde auch diese Art von Grenzmaßnahme von einer politischen Koordinierung zwischen dem Abreise und dem Ankunftsland profitieren.

7. Operationelle Schlussfolgerungen

In dieser Mitteilung wird eine Reihe von Arbeitsverfahren für die IGV-Implementierung in der EU vorgeschlagen. Unter Berücksichtigung der Stellungnahmen des Europäischen Parlaments und des Rates wird die Kommission in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten und dem ECDC diese Vorschläge weiter ausarbeiten.

Die Kommission wird insbesondere

Das ECDC wird

Die IGV enthalten Implementierungsfristen, innerhalb deren die Vertragsstaaten die Kernkapazitäten prüfen und aufbauen müssen, um die Anforderungen in Bezug auf Überwachung und Reaktion zu erfüllen. Innerhalb von fünf Jahren nach Inkrafttreten der IGV im Juni 2007 müssen die Vertragsstaaten Pläne erstellt und implementiert haben um sicherzustellen, dass diese Kernkapazitäten auf ihrem Hoheitsgebiet vorhanden und funktionsfähig sind. Die Kommission ist deshalb der Ansicht, dass es sinnvoll wäre, bis 2012 die Fortschritte bei der IGV-Implementierung zu überprüfen.

Anhang - Zusammenfassung und Abkürzungsverzeichnis

Vorbehalte.

Die Kommission stellt mit Zufriedenheit fest, dass es keinen Anlass für Vorbehalte gegenüber IGV-Bereichen unter gemeinschaftlicher Zuständigkeit gibt. Bisher hat kein MS einen Anlass für Vorbehalte gegenüber IGV-Bereichen gesehen, die in einzelstaatliche Zuständigkeit fallen. Falls es einen Anlass für Vorbehalte gibt, so wird eine EU-Koordinierung erforderlich. Es bedarf auch einer EU-Koordinierung bei Vorbehalten von Drittländern.

Freiwillige frühzeitige Anwendung.

Es ist wichtig, dass die jeweiligen IGV-Bereiche in den verschiedenen EU-Mitgliedstaaten gleichzeitig implementiert werden. Dies bedarf der Koordinierung auf EU-Ebene.

Vorhandene EU-Netze, einschl. EWRS.

Die Kommission schlägt in Zusammenhang mit den IGV folgende vier Vorgehensweisen vor: Benennung der gleichen nationalen Kontaktstelle für das EWRS wie für die IGV; gleichzeitige Information des EWRS und der WHO über Ereignisse im Bereich der öffentlichen Gesundheit im Hoheitsgebiet, die keine gesundheitlichen Krisen internationalen Ausmaßes darstellen; Information des EU-Netzes für übertragbare Krankheiten vor der offiziellen IGV-Meldung einer potenziellen gesundheitlichen Krise internationalen Ausmaßes sowie Nutzung des EWRS und/oder des Gesundheitssicherheitsausschusses zur Koordinierung des Risikomanagements und der Reaktion vor der Mitteilung an die WHO.

Rolle des ECDC.

Das ECDC erarbeitet zurzeit Leitlinien für die Ermittlung nationaler Überwachungskapazitäten, die im Zusammenhang mit Anhang 1 der IGV nützlich wären.

Auf Wunsch könnte es auch Anleitung für die Verwendung des in Anhang 2 der IGV beschriebenen Entscheidungsinstruments geben und den Austausch von Informationen zur IGV-Implementierung erleichtern, möglicherweise durch die Veranstaltung von Sitzungen oder Workshops. Die Rolle des ECDC im Rahmen der IGV sollte offiziell festgelegt werden, um bestimmte Aspekte der Rolle der nationalen Kontaktstellen widerzuspiegeln, u. a. was die Entgegennahme von Informationen der WHO über Notifizierungen und Anhörungen (über das EWRS) betrifft.

Expertenstab, Notfall- und Prüfungsausschüsse.

Die Kommission schlug der WHO kürzlich Experten der Kommission und des ECDC für den IGV-Expertenstab vor. Im Falle einer von einem MS der EU mitgeteilten potenziellen gesundheitlichen Krise internationalen Ausmaßes wäre es angemessen, dass die Experten der Kommission und/oder des ECDC eingeladen werden, am Notfallausschuss mitzuwirken.

Vereinbarung zwischen der Gemeinschaft und der WHO.

Auf der Grundlage der vorstehenden Vorschläge zur Arbeitsweise ist es wünschenswert, eine Vereinbarung zwischen der Gemeinschaft und der WHO zu treffen, um sicherzustellen, dass klar definierte Vorkehrungen für die IGV getroffen werden. Die Kommission wäre für den Entwurf, die Aushandlung und Unterzeichnung dieser Vereinbarung verantwortlich. IGV-Beschränkungen für einseitige politische Reaktionen, einschl. Grenzmaßnahmen.

Die IGV halten Folgendes fest: "derartige Maßnahmen dürfen den internationalen Verkehr nicht stärker beeinträchtigen und für Personen nicht eingreifender oder störender sein als unter vertretbarem Aufwand verfügbare Alternativen, die ein angemessenes Maß an Gesundheitsschutz erreichen würden." Grenzmaßnahmen fallen in die Zuständigkeit der Gemeinschaft und erfordern EU-Koordinierung. Wie in der Entscheidung 2119/1998 über das Netz ausgeführt, müssen MS darüber hinaus, wenn sie beabsichtigen, Maßnahmen zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten zu treffen, die anderen MS und die Kommission im Voraus informieren und nach Möglichkeit konsultieren.

Spezifische Fragen in Bezug auf eine Grippepandemie.

Maßnahmen an internationalen Grenzen sind herkömmliche gesundheitspolitische Instrumente, deren Wirksamkeit jedoch fraglich erscheint in Bezug auf die Grippe, die übertragen werden kann, bevor Symptome auftreten und die sich in der Pandemiephase rasch ausbreiten kann.