Punkt 39 der 878. Sitzung des Bundesrates am 17. Dezember 2010
Der Bundesrat möge anstelle der Empfehlungen in Drucksache 771/1/10 wie folgt beschließen:
- 1. Der Bundesrat nimmt die Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen "Die GAP bis 2020: Nahrungsmittel, natürliche Ressourcen und ländliche Gebiete" KOM (2010) 672 endg. vom 18. November 2010 zur Kenntnis.
- 2. Der Bundesrat begrüßt, dass die Kommission die Landwirtschaft als wesentlichen Bestandteil der europäischen Wirtschaft und Gesellschaft anerkennt. Landwirtschaft und Forstwirtschaft sowie die vor- und nachgelagerten Wirtschaftsbereiche mit der Ernährungswirtschaft leisten einen wesentlichen Beitrag zur Schaffung und Sicherung von Arbeitsplätzen im ländlichen Raum sowie zur Erreichung der Ziele der "Strategie Europa 2020".
- 3. Der Bundesrat betont, dass die umfassenden Agrarreformen der vergangenen Jahre und Jahrzehnte, die auch von Deutschland wesentlich mitgestaltet wurden, die GAP wesentlich modernisiert und die landwirtschaftlichen Betriebe vor große Herausforderungen gestellt haben. Landwirtschaft und ländliche Räume stehen vor weiteren großen Herausforderungen. Die GAP muss daher umgestaltet und weiter entwickelt werden, um den künftigen Erfordernissen der Gesellschaft, der Landwirtschaft, der ländlichen Räume und der Umwelt besser gerecht zu werden. Hierfür hat die Kommission mit ihrer Mitteilung richtungsweisende Überlegungen und Vorschläge unterbreitet.
- 4. Der Bundesrat begrüßt den Initiativbericht des Europäischen Parlaments zur Zukunft der GAP, insbesondere die Forderung nach einer auch in Zukunft angemessenen Finanzierung im Mehrjährigen Finanzrahmen. Er hält es für richtig, dass das Europäische Parlament die Bedeutung der Produktion öffentlicher Güter durch die Landwirtschaft aufgezeigt und daraus Konsequenzen für die Weiterentwicklung der GAP gefordert hat. Denn zukünftig muss das Prinzip gelten: Öffentliches Geld für öffentliche Güter.
- 5. Für den Bundesrat ist eine sachgerechte Mittelausstattung der GAP ebenfalls von grundlegender Bedeutung. Er fordert eine wirkungsstarke GAP mit zwei Säulen, um die künftigen Herausforderungen im Spannungsfeld zwischen wettbewerbsfähiger Erzeugung qualitativ hochwertiger Nahrungsmittel, nachwachsender Rohstoffe und Biomasse zur Energiegewinnung und gesellschaftlichen Anforderungen an Umwelt, Klima, Wassermanagement und Biodiversität sowie Erhaltung vitaler ländlicher Räume bewältigen zu können. Auch im Rahmen eines reformierten Finanzsystems muss eine verlässliche Finanzierung beider Säulen der GAP auf Basis der bisherigen Gesamtmittelausstattung sichergestellt sein.
- 6. Der Bundesrat teilt die Auffassung der Kommission, dass insbesondere - die Lebensmittelsicherheit und -versorgung,
- - der Umweltschutz und Klimawandel
- - sowie der Erhalt des territorialen Gleichgewichtes zwischen den unterschiedlichen Regionen in Europa wichtige zukünftige Herausforderungen darstellen. Der Bundesrat begrüßt die Position der Kommission, dass diese Herausforderungen einen starken und wettbewerbsfähigen Landwirtschaftssektor im ländlichen Raum erfordern.
- 7. Der Bundesrat betont die Feststellung der Kommission, dass sich die GAP ständig weiterentwickelt hat und für die Zeit ab 2014 erneut der Weiterentwicklung bedarf. Auch der Bundesrat sieht deutlichen Bedarf, die GAP auf die künftigen Herausforderungen, insbesondere Wettbewerbsfähigkeit und Globalisierung, zunehmend volatile Märkte, Lebensmittelsicherheit, Schutz natürlicher Lebensgrundlagen, biologische Vielfalt, Klimaveränderungen und Klimaschutz sowie erneuerbare Energien aus Biomasse auszurichten und so eine breite Akzeptanz in der Gesellschaft für die berechtigten Anliegen der Landwirtschaft zu schaffen.
- 8. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass die vielfältigen Leistungen des europäischen Agrarmodells einer multifunktionalen Landwirtschaft keine Selbstverständlichkeiten sind, sondern hierfür geeignete Rahmenbedingungen bestehen müssen. Dies erfordert eine zielgerichtete und effiziente GAP, die den gesellschaftlichen Zielen und den Belangen der Landwirtschaft gleichermaßen gerecht wird.
- 9. Der Bundesrat teilt die Auffassung der Kommission, dass die Direktzahlungen eine wichtige Funktion zur Stabilisierung der Einkommen der Landwirte haben und zur gleichzeitigen Sicherung und Pflege öffentlicher Güter beitragen sollen.
- 10. Der Bundesrat unterstützt den Vorschlag, künftige Zahlungen in allen Mitgliedstaaten nach dem Prinzip öffentliche Zahlungen für öffentliche Güter zu gestalten sowie stärker und konkreter an gesellschaftlich gewünschten Leistungen auszurichten. Dabei stellt die 2-Säulen-Struktur der GAP eine gute Ausgangsbasis dar. Die Instrumente beider Säulen müssen in abgestimmter Weise zur Erreichung der Ziele beitragen und daher jeweils weiter entwickelt werden. Auch in der 1. Säule muss ein konkreter Bezug zu spezifischen Leistungen hergestellt werden. Dazu sollten ein betriebsbezogener Anteil von ökologischen Vorrangflächen im Umfang von 10 Prozent und die Einhaltung von Fruchtfolgenanforderungen gehören. Zur Verankerung des Klimaschutzes ist ein Klima-Check für landwirtschaftliche Betriebe erforderlich. Mittlere und größere Betriebe sollten die Durchführung einer Beratung über Klimaschutzmaßnahmen (Klima-Check) nachweisen. Darüber hinaus sollte die von der Kommission erwogene Zusatz-Direktzahlung für "grüne" öffentliche Güter eingeführt werden, beispielsweise für den verstärkten Anbau von Körnerleguminosen und den Erhalt von Dauergrünland sowie die Bewirtschaftung von Flächen in Natura 2000 - und Kohärenzgebieten.
- 11. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass für alle nicht mit einem konkreten Leistungsbezug verknüpften Direktzahlungen eine degressive Ausgestaltung vorzusehen ist. In diesem Zusammenhang begrüßt er den Ansatz der Kommission, für große landwirtschaftliche Betriebe dabei einen Lohnarbeitsfaktor zu berücksichtigen.
- 12. Der Bundesrat unterstützt die Forderung der Kommission, die Situation der landwirtschaftlichen Erzeuger in der Lebensmittelkette zu stärken. Ferner unterstützt er die Zielsetzung der Kommission, die lokalen und regionalen Wertschöpfungspotentiale unter anderem durch Verbesserung der Zusammenarbeit in der gesamten Wertschöpfungskette besser zu erschließen. Angesichts zunehmender Preisvolatilitäten auf den Agrarmärkten ist in einigen Sektoren mehr Transparenz und Marktmacht für die Erzeuger wünschenswert.
- 13. Der Bundesrat hält, wie die Kommission, die Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums für einen wichtigen Bestandteil der GAP. Der Bundesrat setzt sich für eine Umstrukturierung der Förderung auch mit dem Ziel der Stärkung der 2. Säule ein. Um die Anforderungen einer integrierten Politik für die ländlichen Räume erfüllen sowie den künftigen Herausforderungen entsprechen zu können, ist die Struktur der 2. Säule mit ihrem Förderspektrum im Kontext einer zielgerichteten Ausrichtung der 1. Säule weiter zu entwickeln und in ihrer Effizienz zu stärken. Der 2. Säule ist die folgende Zielstruktur zugrunde zu legen:
- - Wettbewerbsfähige Agrar- und Forstwirtschaft. - Erhaltung und Entwicklung von Kulturlandschaften, Stärkung von Umwelt, Klima-, Natur-, Tier- und Ressourcenschutz im nationalen bzw. regionalen Gesamtgefüge.
- - Ausbau der Wirtschaftskraft und der Infrastruktur im Rahmen der ländlichen Entwicklung.
Dabei ist dem demographischen Wandel, der Sicherung und der Schaffung von Arbeitsplätzen sowie dem Erhalt der Lebensqualität im ländlichen Raum über den Sektor Landwirtschaft hinaus auch künftig ein besonderes Augenmerk zu schenken.
Der Honorierung ökologischer Leistungen über die Agrarumweltmaßnahmen kommt eine besondere Bedeutung zu. Ziel muss hier die echte Honorierung der Leistung und nicht nur ein Ausgleich der wirtschaftlichen Nachteile sein.
- 14. Das Prinzip der Kofinanzierung von Fördermaßnahmen der 2. Säule hat sich bewährt und soll erhalten bleiben. Die Länder halten einen generell höheren EU-Finanzierungsanteil für erforderlich. Dies gilt insbesondere im Bereich der sogenannten neuen Herausforderungen.
- 15. Der Bundesrat hält eine gezielte Weiterentwicklung der GAP für den richtigen Weg, die gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und ökologischen Herausforderungen der Zukunft zu meistern. Er sieht in der Option 2 einen richtigen Ansatz und bittet die Kommission, diesen für alle weiteren Schritte zur Grundlage für die erforderlichen Konkretisierungen zu nehmen.