925. Sitzung des Bundesrates am 19. September 2014
A
- 1. Der federführende Rechtsausschuss und der Ausschuss für Kulturfragen empfehlen dem Bundesrat,
zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:
- a) Vor dem Hintergrund der großen Herausforderungen, vor denen das deutsche Bildungs- und Wissenschaftssystem steht, unterstreicht der Bundesrat seine Forderung nach neuen Formen der Zusammenarbeit von Bund, Ländern und Gemeinden. Der Bundesrat begrüßt deshalb den Gesetzentwurf der Bundesregierung, mit dem erweiterte Möglichkeiten des Zusammenwirkens von Bund und Ländern im Wissenschaftsbereich geschaffen werden. Zugleich betont der Bundesrat, dass im gesamten Bildungsbereich große Herausforderungen bestehen und es deshalb zukünftig auch in diesem Bereich neuer Formen der Zusammenarbeit und eines stärkeren Engagements des Bundes bedarf.
- b) Durch die im Gesetzentwurf vorgesehene Änderung des Artikels 91b des Grundgesetzes können Bund und Länder zukünftig in Fällen überregionaler Bedeutung bei der Förderung von Forschung und Lehre an Hochschulen zusammenwirken. Die dynamische Entwicklung des deutschen Wissenschaftssystems in den letzten Jahren wurde durch das Zusammenwirken von Programmen, die das Wissenschaftssystem in der Breite fördern (z.B. Hochschulpakt, Qualitätspakt Lehre, Professorinnenprogramm), mit solchen Programmen, die exzellente Spitzenforschung an einzelnen Standorten fördern (z.B. Exzellenzinitiative), ermöglicht. Der Bundesrat betont deshalb, dass auch zukünftig eine Förderung des Wissenschaftssystems in der Breite wie auch in der Spitze geboten ist, und begrüßt, dass ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung auch eine langfristige, breit angelegte, hochschul- oder institutsübergreifende Förderung ermöglicht wird.
Laut Gesetzentwurf bedürfen Vereinbarungen, die im Schwerpunkt die Hochschulen betreffen, der Zustimmung aller Länder. Der Bundesrat unterstreicht, dass die Länder überall dort einstimmige Beschlussfassungen über Vereinbarungen für notwendig halten, wo die Hochschulen direkt betroffen sind.
- c) Der Gesetzentwurf betont, dass Deutschlands Zukunft maßgeblich durch Wissenschaft und Forschung bestimmt werde, insbesondere durch gut ausgebildete Menschen mit zunehmend akademischen Abschlüssen. Der Bundesrat weist darauf hin, dass eine gute Bildung im frühkindlichen Bereich und der Schule eine notwendige Voraussetzung für die steigende Zahl akademisch ausgebildeter Menschen mit hervorragenden Abschlüssen darstellt.
Das deutsche Bildungs- und Wissenschaftssystem steht vor enormen Herausforderungen. Dazu gehören eine ausreichende Zahl pädagogisch gut ausgestatteter Kita-Plätze, die Umsetzung der Inklusion im Sinne der gleichberechtigten Teilhabe von Kindern und Jugendlichen mit und ohne Behinderung am Bildungssystem, die Schaffung eines bundesweiten flächendeckenden Angebots an Ganztagsschulen, der Übergang von der Schule in den Beruf und die Schaffung einer bedarfsdeckenden Zahl von Studienplätzen, die zu verbinden ist mit guten Rahmenbedingungen für exzellente Forschung an Hochschulen.
Unbeschadet der durch das Grundgesetz bestimmten Gesetzgebungskompetenzen bedarf es der verstärkten Kooperation aller Beteiligten und neuer Formen der Zusammenarbeit im gesamten Bildungsbereich, um den enormen Herausforderungen erfolgreich begegnen zu können.
- d) Der Bundesrat unterstreicht, dass die Weiterentwicklung des Bildungssystems im Sinne der Inklusion von gesamtgesellschaftlicher Bedeutung ist und eine gemeinsame Aufgabe von Bund, Ländern und Gemeinden darstellt. Der aktuelle, gemeinsame Bericht von Bund und Ländern "Bildung in Deutschland 2014" führt dazu aus:
"Ressourcen stehen gegenwärtig aus unterschiedlichen Bereichen zur Verfügung, es fehlt ein abgestimmtes Konzept ihrer Nutzung: Beim Zusammenwirken von Sozialsystem und Bildungssystem bei Maßnahmen der Bildung und Förderung von Menschen mit Behinderung wirkt sich die Unterschiedlichkeit der Zuständigkeiten und inhaltlichen Ansätze besonders bei der Bewilligung und Zuordnung von Ressourcen belastend aus." Daraus ergibt sich die vordringliche Aufgabe, die gesetzlichen Grundlagen für diese komplexen Anforderungen so anzupassen, dass das schulische Bildungssystem auch in Zukunft den gesellschaftlichen Herausforderungen gewachsen ist. Es sollte zukünftig als gemeinsame Aufgabe von Bund, Ländern und Gemeinden verstanden werden, die Bildungseinrichtungen in die Lage zu versetzen, dass diese ihren Aufgaben (Herstellung von Barrierefreiheit, Umsetzung des Ganztags, Bildung multiprofessioneller Teams aus pädagogischen Kräften, Teilhabeassistentinnen und -assistenten und Integrationshelferinnen und -helfern, Schulsozialarbeit) noch besser gerecht werden können. Investitionen in die Erhöhung der Teilhabe an Bildung erhöhen gleichzeitig die staatlichen Bildungserträge, von denen der Bund bereits heute überproportional profitiert.
- e) Befristete Programme und die damit einhergehenden befristeten Finanzierungen reichen nicht aus, um Standards und Qualität verschiedener bildungs-, sozial-, wirtschafts- und integrationspolitischer Instrumente dauerhaft aufrecht erhalten zu können. Im Sinne einer verbesserten systemischen Förderung des Bildungssystems, deren Notwendigkeit auch die Autorengruppe des Berichts "Bildung in Deutschland 2014" betont hat, fordert der Bundesrat die Bundesregierung auf, die gesetzlichen Voraussetzungen dafür zu schaffen, eine auskömmliche und dauerhafte Finanzierung der öffentlichen Bildungsaufgaben zu ermöglichen. Konkrete Anwendungsfelder könnten beispielsweise die dauerhafte Finanzierung der Schulsozialarbeit und der "Initiative Bildungsketten" durch den Bund sein. So hat der Bund im Rahmen des Vermittlungsverfahrens zum "Bildungs- und Teilhabepaket" bereits zutreffend erkannt, dass im Schulwesen Aufgaben erfüllt werden, die ansonsten die Sozialhilfeträger zu erfüllen hätten. Der Bund hat daraufhin befristet bis Ende 2013 die Finanzierung der Schulsozialarbeit übernommen. Im Bereich des Übergangssystems von der Schule in den Beruf hat der Bund seine "Initiative Bildungsketten" ausgebaut und mit Ländern bilaterale Vereinbarungen im Zusammenhang mit dem Berufsorientierungsprogramm geschlossen, mit denen die Einführung, Verstetigung und verbindliche Festschreibung von Instrumenten der Berufsorientierung, insbesondere der Potenzialanalyse nach Bundesstandards erfolgen sollen. In beiden Anwendungsfeldern ist eine verlässliche, kontinuierliche Finanzierung unter Beteiligung des Bundes notwendige Voraussetzung dafür, dass geschaffene Strukturen quantitativ und qualitativ erhalten und weiter ausgebaut werden können.
B
- 2. Der Finanzausschuss und der Ausschuss für Innere Angelegenheiten empfehlen dem Bundesrat, gegen den Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes keine Einwendungen zu erheben.