867. Sitzung des Bundesrates am 5. März 2010
A.
1. Der Rechtsausschuss empfiehlt dem Bundesrat, die Entschließung wie folgt zu fassen:
Bei Annahme entfallen die Ziffern 2 und 3
- "Der Bundesrat begrüßt die im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und FDP vom 26. Oktober 2009 zum Ausdruck kommende Absicht, dass Kinderlärm keinen Anlass für gerichtliche Auseinandersetzungen geben soll. Der Bundesrat unterstützt die Bundesregierung in ihrem Bestreben, die Gesetzeslage entsprechend zu ändern.
Das Recht sollte klar zum Ausdruck bringen, dass Kinderlärm sozialadäquat ist.
Wenn Kinder innerhalb und außerhalb von Betreuungseinrichtungen spielen, verursachen sie Geräusche, Lärm und Krach. Kinder brauchen Freiräume, um spielerisch soziales Verhalten zu erlernen und sich geistig wie körperlich entwickeln zu können.
Eine klare gesetzgeberische Wertung, dass Kinderlärm sozialadäquat ist, kann nach Meinung des Bundesrates dazu beitragen, gerichtliche Auseinandersetzungen um Kinderlärm von vornherein zu vermeiden. Abwehransprüche sollten auf seltene Einzelfälle beschränkt bleiben.
Der Bundesrat bittet die Bundesregierung daher zu prüfen, ob und wie das geltende Bundesrecht verbessert werden kann, um diese Ziele zu erreichen.
Zudem sollte eine Änderung der Baunutzungsverordnung dahingehend erwogen werden dass Kindertagesstätten als Anlagen für soziale Zwecke in reinen Wohngebieten nicht mehr nur ausnahmsweise zugelassen werden können, sondern im Regelfall zulässig sind."
B.
Der Ausschuss für Frauen und Jugend (FJ) und der Ausschuss für Kulturfragen (K) empfehlen dem Bundesrat, die Entschließung nach Maßgabe folgender Änderungen zu fassen:
2. Zu Abschnitt II Nummer 1
Entfällt bei Annahme von Ziffer 1
Abschnitt II Nummer 1 ist zu streichen.
Folgeänderung:
Abschnitt II Nummer 2 ist wie folgt zu fassen:
- "2. aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit im Bürgerlichen Gesetzbuch klarzustellen, dass Kinderlärm keine wesentliche Beeinträchtigung des Eigentums oder einer Mietsache ist.
Kinderlärm ist als Ausdruck natürlicher Lebensäußerung von Kindern grundsätzlich sozial adäquat und verträglich mit anderen Nutzungen. Diese Feststellung hat Auswirkungen auf die Bestimmung der Wesentlichkeit von Beeinträchtigungen im Zivilrecht."
Begründung (nur gegenüber dem Plenum):
Die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz für die Lärmbekämpfung umfasst nach der Föderalismusreform nicht mehr den verhaltensbezogenen Lärm.
Der Begriff des verhaltensbezogenen Lärms in Artikel 74 Absatz 1 Nummer 24 GG ist eigenständig verfassungsrechtlich zu interpretieren und nicht von dem einfachgesetzlichen Begriffspaar "verhaltensbezogenen/anlagenbezogenen" aus dem Immissionsschutzrecht herzuleiten. Regelungen des Lärms von Kindergärten, Kindertagesstätten und Kinderspieleinrichtungen haben überwiegend lokale Bedeutung und fallen nun in die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz der Länder (vgl. BT-Drs. 16/813 i. V. m. Drucksache. 16(6)48 des BT-Rechtsausschusses).
3. Zu Abschnitt II Nummer 4 - neu -
Entfällt bei Annahme von Ziffer 1
Dem Abschnitt II ist folgende Nummer 4 anzufügen:
- "4. zu prüfen, inwieweit durch weitere präventive Maßnahmen schon im Vorfeld Klagen gegen Kinderlärm nach Möglichkeit unterbunden werden können.
So scheint es vielversprechend, im Rahmen der allgemeinen städtebaulichen Planung die Planung von Spielflächen stärker zu berücksichtigen."
Begründung (nur gegenüber dem Plenum):
Die Spielraumversorgung ist vor allem in den Städten zum Teil unterentwickelt, sie wird in den Planungen für die weitere Stadtentwicklung häufig wenig beachtet. Um Konflikte wegen Kinderlärms schon im Vorfeld zu vermeiden und potenziell emissionsstarke Flächen räumlich zu entzerren, erscheint es sinnvoll die Spielraumversorgung besser zu strukturieren und ihr im Verfahren der allgemeinen städtebaulichen Planung einen festen Platz einzuräumen.
Denkbar ist es, einen Bedarfsplan für Spielräume (Spielflächenplan) und dessen rechtzeitige Berücksichtigung bei städtebaulichen Planungen vorzusehen.
Die unterstützende Teilhabe der Kinder und Jugendlichen bei der Spielflächenplanung würde eine größere Akzeptanz solcher Spielräume in der Bevölkerung insgesamt gewährleisten. So könnte das Thema Lärm in der Kommune an Konfliktpotenzial verlieren weil ein Meinungsklima entstanden ist, das Kinder willkommen heißt und das die Belange von Kindern ernst nimmt.
C.
- 4. Der federführende Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, der Gesundheitsausschuss und der Ausschuss für Städtebau, Wohnungswesen und Raumordnung empfehlen dem Bundesrat, die Entschließung zu fassen.