959. Sitzung des Bundesrates am 7. Juli 2017 - COM (2017) 281 final; Ratsdok. 9668/17
Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union (EU), der Verkehrsausschuss (Vk) und der Wirtschaftsausschuss (Wi) empfehlen dem Bundesrat, zu der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG wie folgt Stellung zu nehmen:
- 1. Der Bundesrat begrüßt die Absicht der Kommission, die Regelungen für den Zugang zum Beruf des Kraftverkehrsunternehmers und die Bestimmungen zum Marktzugang des grenzüberschreitenden Güterkraftverkehrs wirksamer zu gestalten und einen einheitlicheren Vollzug sowie die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten zu fördern. Im Interesse einer umfassenden Rechtsdurchsetzung müssen die Vorgaben so gestaltet sein, dass sie sowohl von der betroffenen Wirtschaft als auch von den zuständigen Verwaltungsbehörden effektiv und zielgerichtet umgesetzt werden können und zusätzliche Belastungen ohne einen erkennbaren, hinreichenden Nutzen vermieden werden. Vor dem Hintergrund dieser Zielsetzungen verbindet der Bundesrat mit der Überarbeitung der Rechtsvorschriften folgende Forderungen:
- 2. Die Ausnahme von der Erlaubnispflicht für Unternehmen, die ausschließlich Güterbeförderungen mit Kraftfahrzeugen durchführen, deren zulässige Gesamtmasse 3,5 t nicht überschreitet, ist beizubehalten.
Die Einführung eines Zulassungsverfahrens für so genannte Kleintransporter versursacht einen erheblichen Verwaltungsaufwand. Von derzeit rund 2,8 Millionen in Deutschland zugelassenen Lastkraftwagen hatten rund 524 000 Fahrzeuge ein zulässiges Gesamtgewicht von über 3,5 t, hingegen ist die Zahl der Lastkraftwagen mit einem Gesamtgewicht von bis zu dieser Grenze mit rund 2,278 Millionen mehr als viermal so hoch (Daten des Kraftfahrtbundesamtes zum 1. Januar 2016). Selbst wenn man davon ausgeht, dass mit einem geringeren Anteil dieser Fahrzeuge gewerblicher Güterkraftverkehr versehen wird, sowie ein vereinfachtes Verfahren zugrunde legt, dürfte davon auszugehen sein, dass sich der Personalbedarf in den Genehmigungs- und Aufsichtsbehörden mehr als verdoppelt. Besonders in der Einführungsphase dürfte sowohl wegen der Zahl der Anträge als auch wegen des bestehenden Beratungsbedarfs bei erstmaliger Antragstellung von einem noch erheblich höheren Personalbedarf auszugehen sein.
Für die Unternehmen, die bislang dem allgemeinen Gewerberecht unterliegen, wird ein völlig neues Erlaubnisverfahren eingeführt. Dies versursacht einen zusätzlichen Erfüllungsaufwand bei den Unternehmen. Neben den neuen Erlaubnisverfahren wird von den Unternehmen ein Nachweis über eine in der vorgeschlagenen Verordnung näher bezeichnete finanzielle Leistungsfähigkeit abverlangt, die Eigenkapital des Unternehmens bindet. Darauf hinzuweisen ist, dass sich in diesem Sektor viele kleine Unternehmen engagieren. Der Nutzen dieser Maßnahme ist nicht erkennbar. Zwar stellt die Kommission im Erwägungsgrund Nummer 2 heraus, dass ein Mindestmaß an Professionalisierung in diesem Sektor gewährleistet werden soll, gleichzeitig sollen aber gerade die Vorschriften über die Zuverlässigkeit und die Fachkunde, mit denen die gewünschte Qualität hergestellt und gesichert werden kann, keine Anwendung finden.
Zudem werden diese Fahrzeuge wegen ihrer geringen Transportkapazität überwiegend für Gütertransporte im Nahbereich verwendet. Es ist somit zumindest zu hinterfragen, ob hier überhaupt eine Notwendigkeit für eine EU-weite Regelung besteht. Für derartige Fahrzeuge wird im innergemeinschaftlichen Verkehr weiterhin keine Gemeinschaftslizenz erforderlich sein, da die hierzu bestehende Ausnahme in Artikel 1 Absatz 5 Buchstabe c der Verordnung (EU) Nr. 1072/2009 weiterhin bestehen bleiben soll. Insofern ist der Vorschlag hier inkonsequent, was nahelegt, dass auch die Kommission davon ausgeht, dass Beförderungen mit Kleintransportern im innergemeinschaftlichen Verkehr keine wirkliche Bedeutung haben.
- 3. Der Bundesrat bittet darauf zu achten, dass die in der Berufszugangsverordnung für den Güterkraftverkehr (GBZugV) und der Berufszugangsverordnung für den Straßenpersonenverkehr (PBZugV) festgelegten Kriterien für die Zuverlässigkeit des Unternehmers und des Verkehrsleiters auch nach dem Rechtsrahmen der geänderten Verordnung (EU) Nr. 1071/2009 in der jetzigen Weise Anwendung finden können.
- 4. Die Erweiterung der im einzelstaatlichen Register zu erfassenden Daten um das amtliche Kennzeichen der eingesetzten Fahrzeuge, die Zahl der Beschäftigten, die wirtschaftliche Situation des Unternehmens und die Risikoeinstufung ist zu streichen.
Mit der Erweiterung der im einzelstaatlichen Register einzutragenden Daten entstehen für die Wirtschaft umfassende Mitteilungspflichten und für die Verwaltung nennenswerter Aufwand für die Datenpflege. Betroffen sind hiervon neben den Güterkraftverkehrsbehörden auch die für den Kraftomnibusverkehr zuständigen Genehmigungsbehörden nach dem Personenbeförderungsgesetz.
Zu den Daten im Einzelnen:
- - Die Angabe des amtlichen Kennzeichens versursacht einen erheblichen Änderungsaufwand, insbesondere, wenn zeitweise Mietfahrzeuge eingesetzt werden, wovon angesichts der allgemeinen Trends auszugehen ist (siehe auch Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2006/1/EG über die Verwendung von ohne Fahrer gemieteten Fahrzeugen im Güterkraftverkehr - BR-Drucksache 442/17 (PDF) ). Im nationalen Recht ist im Zuge der Verwaltungsvereinfachung vor einigen Jahren darauf verzichtet worden, die Kennzeichen zu erfassen; mit dem Verordnungsvorschlag würde dies jetzt konterkariert werden. In der Sache wird keine Notwendigkeit zur Erfassung der Kennzeichen gesehen, da anhand der auf dem Fahrzeug mitzuführenden Lizenz (zum Beispiel EU-Lizenz, GüKG-Erlaubnis, PBefG-Genehmigung) erkennbar ist, ob mit dem Fahrzeug rechtmäßig gewerblicher Verkehr versehen wird.
- - Die Zahl der Beschäftigten ist für die Genehmigungs- und Aufsichtsbehörden ohne Relevanz. Zwar ist im Rahmen der Risikoeinstufung nach Artikel 12 der Verordnung (EG) Nr. 1071/2009 die Zahl der Fahrer zu berücksichtigen; diese ist jedoch nicht mit der Zahl der Beschäftigten identisch. In der Praxis wäre es zielführender, bei der Risikoeinstufung die Zahl der eingesetzten Fahrzeuge zugrunde zu legen, die die zuständige Behörde im Zusammenhang mit dem Nachweis der finanziellen Leistungsfähigkeit kennt. Da gerade in größeren Unternehmen die Zahl der Beschäftigten täglich variieren kann, entsteht für Unternehmen und Behörden ein in keiner Weise zuzumutender Verwaltungsaufwand.
- - Die Unternehmen müssen im Rahmen der zehnjährigen Erteilungsverfahren die finanzielle Leistungsfähigkeit nachweisen und hierzu Angaben über Vermögenswerte, Verbindlichkeiten, Eigenkapital und Umsatz vorlegen. Mit dem jetzigen Vorschlag ist vorgesehen, diese Daten aus den vergangenen zwei Jahren in das Register einzutragen. Der Aufwand zur Vorlage und Prüfung der finanziellen Leistungsfähigkeit verfünffacht sich damit. Es ist nicht nachvollziehbar, dass mit dem Erlass der Verordnung (EG) Nr. 1071/2009 die Geltungsdauer der Lizenz von fünf auf zehn Jahre erhöht wurde, jetzt aber durch "die Hintertür" eine zweijährige Mitteilungspflicht impliziert wird.
- - Das Ergebnis der Risikoeinstufung dient bislang ausschließlich den Aufsichtsbehörden zur Planung ihrer Prüftätigkeit. Es ist kein Grund ersichtlich, das Ergebnis dieser Bewertung anderen Behörden zugänglich zu machen. Der Vorschlag verursacht hier eine unwirtschaftliche, redundante Datenspeicherung.
- 5. Grundsätzlich begrüßt der Bundesrat zudem die mit dem Verordnungsvorschlag angestrebten Präzisierungen der Vorschriften der Verordnung (EG) Nr. 1071/2009 und 1072/2009 und unterstützt die Absicht der Kommission, den Kabotage-Begriff zu präzisieren.
Er sieht jedoch Änderungsbedarf hinsichtlich der Neuregelung der Kabotageverkehre, das heißt Aufhebung der maximalen Anzahl an Kabotagefahrten.
Die nun vorgeschlagene Regelung könnte dazu führen, die Gründung einer Niederlassung in einem anderen Mitgliedstaat zu unterlaufen und geltende Vorschriften des anderen Mitgliedstaates zu umgehen, da praktisch dauerhafte Aufenthalte auf dem Transportmarkt des Aufnahmemitgliedstaates oder der angrenzenden Mitgliedstaaten ermöglicht werden. Im Ergebnis würde so faktisch gegen das Zeitweiligkeitsgebot einer Kabotageregelung verstoßen und es somit zu einer Wettbewerbsverzerrung der im Aufnahmemitgliedstaat ansässigen Unternehmen gegenüber den entsendenden Unternehmen kommen.
Der Bundesrat bittet daher die Bundesregierung, sich bei den Beratungen des Vorschlags in den Gremien der EU insbesondere dafür einzusetzen, dass an der bisherigen Regelung festgehalten wird oder gegenüber dem Vorschlag der Kommission die Anzahl der aufeinanderfolgenden Tage für Kabotage-Transporte pro Mitgliedstaat reduziert und zugleich eine Höchstgrenze pro Monat für die gesamte EU eingeführt wird. So könnte das Unterlaufen der Niederlassungspflicht bei quasi dauerhaften Aufenthalten in Aufnahmemitgliedstaaten oder in angrenzenden Mitgliedstaaten vermieden werden.