966. Sitzung des Bundesrates am 23. März 2018
Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union (EU), der Ausschuss für Agrarpolitik und Verbraucherschutz (AV) und der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (U) empfehlen dem Bundesrat, zu der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG wie folgt Stellung zu nehmen:
- 1. Der Bundesrat nimmt die geplanten Maßnahmen des Aktionsplans für einen verbesserten Umweltrechtsvollzug in der EU zur Kenntnis. Er begrüßt ihn insoweit, als er sich auf freiwillige Maßnahmen bezieht wie finanzielle Förderungen und den bewährten Austausch von Best-Practice und durch ihn Wettbewerbsbedingungen für Unternehmen angeglichen werden. Durch solche freiwilligen Maßnahmen wie auch durch das EU-Öko-Audit (EMAS) wird mit weniger administrativem Aufwand mehr erreicht und der Umweltschutz in der EU insgesamt erhöht.
- 2. Der Bundesrat stellt fest, dass der vorgelegte Aktionsplan Maßnahmen umfasst, die über den Erfahrungsaustausch, die verschiedenen Leitfäden, die Ermittlung eines Ausbildungsbedarfs und eine Evaluierung der Überwachungssysteme einen Beitrag für einen verbesserten Vollzug des Umweltrechts leisten können.
- 3. Weitere wichtige Aspekte, wie die Bereitstellung angemessener Ressourcen, können dem Aktionsplan nur in der Beschreibung der Ausgangslage entnommen werden. Keine Erwähnung als zur Entlastung des Vollzugs geeignetes Instrument findet hingegen das bereits im EU-Recht angelegte EMAS-Umweltmanagementsystem.
- 4. Der Bundesrat weist darauf hin, dass die verstärkte Anwendung des EMAS-Umweltmanagementsystems geeignet ist, Defizite in der Umsetzung des Umweltrechts zu verringern. Die von der Kommission in der Mitteilung genannten Gründe für Rechtsverstöße wie Unklarheit, mangelndes Verständnis oder mangelnde Akzeptanz von Vorschriften könnten bei EMAS-Organisationen bereits während des Implementierungsprozesses ausgeräumt werden. Die Umsetzung des Umweltrechts könnte so befördert werden, ohne die Vollzugskapazitäten zu belasten.
- 5. Der Bundesrat ist allerdings der Auffassung, dass der Aktionsplan darüber hinaus Maßnahmen enthält, die nicht mit den Grundsätzen der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit im Einklang stehen. Beide Grundsätze gelten - wie die Subsidiaritätsrüge - nicht nur für Entwürfe der Gesetzgebungsakte, sondern für die gesamte Tätigkeit der Union. So zielt der Aktionsplan auf eine Steuerung und Kontrolle dieses Umweltrechtsvollzugs bis auf die unterste Ebene ab.
- 6. [Der Vollzug des EU-Umweltrechts ist Aufgabe der Mitgliedstaaten (Artikel 291 Absatz 1 AEUV, Artikel 197 Absatz 1 AEUV), in Deutschland primär der Länder. Der Aktionsplan zielt auf eine Steuerung und Kontrolle dieses Umweltrechtsvollzugs mit Maßnahmen, die Organisation und Ausstattung der zuständigen Behörden betreffen oder Ausbildungsmaterialien für Vollzugspersonal, Bewertungen und Kontrollen des Vollzugs zum Gegenstand haben - beispielsweise durch Vor-Ort-Besuche oder Peer-Reviews sowie Verfahrensleitfäden zu verschiedenen Themen, die insbesondere über die Heranziehung durch Gerichte eine quasinormative Wirkung entfalten werden. Dies ist in den Verträgen nicht vorgesehen.] Auch wenn die EU feststellt, dass es in den Mitgliedstaaten Vollzugsdefizite gibt, rechtfertigen diese nach Auffassung des Bundesrates keine Vollzugssteuerung auf EU-Ebene. Bei Defiziten steht der Kommission das Instrument des Vertragsverletzungsverfahrens zur Verfügung, jedoch kein Gestaltungs- oder Selbsteintrittsrecht.
- 7. Der Bundesrat bezweifelt, dass der Vollzug des EU-Umweltrechts auf Unionsebene besser verwirklicht werden kann als durch die Mitgliedstaaten selbst. Vollzug ist vielmehr eine klassische Vor-Ort-Aufgabe. Auf EU-Ebene liegen die erforderlichen detaillierten Kenntnisse der unterschiedlichen Gegebenheiten vor Ort nicht vor.
- 8. Der Bundesrat unterstützt die Erstellung von Verfahrensleitfäden für die Sicherung des Vollzugs des Umweltrechts.
- 9. Der Bundesrat bezweifelt, dass die vorgesehenen Maßnahmen - wie der Einfluss der Kommission auf die Ausbildung von Vollzugspersonal, Vor-Ort-Besuche der Kommission, zentrale Verfahrensleitfäden und eine zentrale Dokumentation über bewährte Verfahren zur Behandlung von Umweltbeschwerden und Bürgerbeteiligung - erforderlich und angemessen sind, um das Ziel eines verbesserten Vollzugs des Umweltrechts zu erreichen. Auf die unterschiedlichen Gegebenheiten in den einzelnen Regionen wird damit gerade keine ausreichende Rücksicht mehr genommen.
- 10. Im Hinblick auf die unter Nummer 5 der Mitteilung genannten Maßnahmen ist der Bundesrat der Auffassung, dass mögliche Handlungsleitfäden jedoch nicht allein auf ländliche Gebiete begrenzt sein sollten, da insbesondere der Bodenschutz auch im städtischen Bereich relevant ist.
- 11. Der Bundesrat stellt fest, dass im Rahmen der Diskussion um den Vollzug des Umweltrechts die Themen Bodenschutz und Reduktion der Flächenneuinanspruchnahme insgesamt auf EU-Ebene weiterhin nicht ausreichend behandelt werden und dass insbesondere ein entsprechender Rechtsrahmen fehlt. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, sich für einen EU-weiten verbindlichen Rechtsrahmen für den Bodenschutz einzusetzen.
- 12. Das EU-Umweltrecht besteht in weiten Teilen aus Richtlinien, die den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel überlassen (Artikel 288 Absatz 3 AEUV). Vollzugsleitlinien auf EU-Ebene sind mit diesen in den Verträgen vorgesehenen Spielräumen der nationalen Gesetzgeber kaum in Einklang zu bringen.
- 13. Der Bundesrat weist darauf hin, dass effektiver Vollzug Spielräume braucht, da sich Einzelfälle vor Ort unterscheiden und sachgerechte Lösungen jeweils nur möglich sind, wenn man auf diese Besonderheiten beispielsweise mit Beurteilungsspielräumen und Ermessen eingehen kann. Soweit eine Vollzugslenkung sinnvoll und möglich ist, existieren bereits Verwaltungsvorschriften in den Ländern. Zusätzliche Leitfäden auf europäischer Ebene würden hier zu Verwirrung führen.
- 14. Der Bundesrat sieht es mit Sorge, dass die vorgesehenen Leitfäden ohne Beteiligung der demokratisch legitimierten Organe der EU und der Mitgliedstaaten erstellt werden sollen bzw. echte Mitsprache- und Vetorechte der eingebundenen Kreise fehlen. Wenn es einheitlicher Bedingungen für die Durchführung der verbindlichen Rechtsakte der Union bedarf, sieht der AEUV vor, dass in diesen Rechtsakten der Kommission oder dem Rat vom Gesetzgeber Durchführungsbefugnisse übertragen werden (Artikel 291 Absatz 2 AEUV).
- 15. Der Bundesrat bittet daher die Bundesregierung, sich bei der Kommission dafür einzusetzen, dass der Aktionsplan auf freiwillige Maßnahmen beschränkt und den Grundsätzen von Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit gerecht wird.
- 16. Der Bundesrat regt zudem mit Blick auf die von der Kommission vorgeschlagene Sicherung des Vollzugs des Umweltrechts in ländlichen Gebieten in Bezug auf Boden und Wasser (Maßnahme Nr. 5) die enge Einbindung der und Zusammenarbeit mit den Flächennutzern an, um vor Ort den Einzelfällen und der Sache gerechte Lösungen zu ermöglichen.
- 17. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, diese Aspekte in die Beratungen auf EU-Ebene einzubringen.