COM (2018) 339 final; Ratsdok. 9476/18
Der Bundesrat hat in seiner 970. Sitzung am 21. September 2018 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
- 1. Der Bundesrat unterstützt die mit dem Verordnungsvorschlag verfolgte Zielsetzung, die enge Verflechtung zwischen Staaten und ihren Banken aufzulösen (Staaten-Banken-Nexus). Die teilweise sehr hohen Bestände an Anleihen des Heimatstaats der Banken im Euroraum bergen - aufgrund der wechselseitigen Auswirkungen im Falle von Staats- oder Bankenkrisen - enorme Risiken.
- 2. Er hält die Herangehensweise, für mehr Diversifizierung in den Portfolios an Staatsanleihen zu sorgen, für geeignet, zur Lockerung des Staaten-Banken-Nexus beizutragen.
- 3. Der Bundesrat sieht allerdings folgende Schwächen im Vorschlag der Kommission:
- a) Für die SBBS-emittierenden Zweckgesellschaften (Sovereign Bond-Backed Securities - SBBS) sind die wirtschaftliche Tragfähigkeit des Geschäftsmodells und die Platzierbarkeit fraglich. Der Bundesrat bezweifelt, dass die aus dem Portfolio an Staatsanleihen generierten Erlöse unter Beachtung der anfallenden Kosten ausreichen werden, um später die SBBS-Tranchen ihrem Risiko entsprechend bedienen zu können. Um Investoren anzusprechen, müssen aber ausreichende Renditechancen geschaffen werden.
- b) Gute Renditechancen der Junior-Tranchen können bei bereits kritischen Banken Fehlanreize und zusätzliche Korrelationsrisiken in den Bilanzen schaffen. Dem wirkt der Vorschlag nicht entgegen, denn er enthält beispielsweise keine Beschränkungen auf bestimmte Investorengruppen oder Höchstgrenzen für SBBS in den Bilanzen.
- c) In der Praxis dürften die vorgesehenen SBBS weit weniger standardisiert und transparent - als von der Kommission dargestellt - sein, was die Risiken für Investoren schwerer vergleich- und einschätzbar macht:
- - Der Kapitalschlüssel der Europäischen Zentralbank (EZB) für die Mitgliedstaaten kann alle fünf Jahre neu festgesetzt werden. An diesem wird die Zusammensetzung des Portfolios an Staatsanleihen ausgerichtet, das als Unterlegung für die dann begebenen staatsanleihebesicherten Wertpapiere dient. - Die Größe der Junior-Tranche sollte 30 Prozent, muss aber lediglich mindestens 2 Prozent betragen. Dass eine Junior-Tranche dieser Größenordnung die beabsichtigte Abschirmwirkung für die Senior-Tranche entfaltet, ist aus Marktsicht unrealistisch. Investoren gehen bei der Senior-Tranche aber grundsätzlich von einem sehr sicheren Vermögenswert aus.
- - In Ausnahmefällen können bestimmte Staatsanleihen durch die Kommission ganz aus dem Portfolio ausgenommen werden. In solchen Fällen kann ebenfalls die Senior-Tranche auf 60 Prozent reduziert werden.
- d) Um die Banken auf freiwilliger Basis dazu zu bewegen, den Staaten-Banken-Nexus aufzulösen, muss es attraktiver sein, die vorgesehenen SBBS gegenüber Staatsanleihen als Direktanlage zu halten. Solche Anreize, wie beispielsweise höhere Renditechancen oder ein "Bestrating" der SBBS-Papiere, sind aufgrund des Verordnungsvorschlags aber nicht absehbar. Daher ist eine wirkungsvolle Diversifizierung nicht zu erwarten.
- e) Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die vorgesehenen SBBS von Ratingagenturen die Bestnote ("AAA") erhalten würden. Selbst die Senior-Tranchen würden bei einer vorgesehenen Aufteilung der Tranchen von 70 Prozent (Senior) zu 30 Prozent (Junior) wohl nicht mit der Bestnote bewertet. Zur Begründung wird auf die starke Korrelation zwischen den Staatsanleihen und auf das Fehlen gemeinschaftlicher Garantien durch die Eurostaaten hingewiesen.
- 4. Aufgrund der erhöhten Ausfallkorrelation zwischen den Eurostaaten bleibt es unklar, wie sich einzelne Ausfälle auf die vorgesehenen SBBS - insbesondere die Juniortranchen - auswirken und wie stark in einem solchen Fall die Erwartung des Marktes ist, dass darauf reagiert wird.
- 5. Aus Sicht des Bundesrates bestehen erhebliche Bedenken, SBBS hinsichtlich der Eigenkapitalanforderungen regulatorisch mit Staatsanleihepositionen gleichzustellen. Diese werden ohne entsprechende Risikogewichtung in Bankenbilanzen geführt, obwohl auch diese ausfallgefährdet sein können. Somit bergen sowohl die bereits vorhandene Privilegierung von Staatsanleihen als auch deren vorgeschlagene Ausweitung auf SBBS erhebliche Gefahren für die Finanzmarktstabilität.
- 6. Daher bittet der Bundesrat die Bundesregierung, auf europäischer Ebene darauf hinzuwirken, dass die SBBS nicht an der regulatorischen Privilegierung von Staatsschuldtiteln teilhaben. Bei neutraler Kapitalmarktregulierung könnte der Markt zeigen, ob eine hinreichende Nachfrage nach SBBS besteht. Ferner ist der Bundesrat der Auffassung, dass im Hinblick auf die angestrebte Stärkung der Stabilität der Finanzmärkte ein Abbau der regulatorischen Privilegierung von Staatsschuldtiteln - bilanzielle Eigenkapitalunterlegung von Null - sachgerecht ist.