Der Bundesrat hat in seiner 828. Sitzung am 24. November 2006 beschlossen, zu dem vom Deutschen Bundestag am 27. Oktober 2006 verabschiedeten Gesetz einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 des Grundgesetzes nicht zu stellen.
Der Bundesrat hat ferner die nachstehende Entschließung gefasst:
- 1. Der Bundesrat begrüßt die Regelungen des Gesetzes zur Änderung des Vertragsarztrechts und anderer Gesetze (Vertragsarztrechtsänderungsgesetz - VÄndG), die durch Liberalisierung und Flexibilisierung eine Verbesserung der ärztlichen Versorgung der Patientinnen und Patienten bringen werden. Er weist jedoch mit Nachdruck darauf hin, dass die nachträglich eingefügte Entschuldungsregelung in § 265a SGB V in zeitlicher Hinsicht nicht ausreichend ist, die Entschuldungsproblematik zu lösen.
- 2. Der Bundesrat hält mithin folgende Änderungen des § 265a SGB V für unabdingbar notwendig:
- - Bei dem in Absatz 1 Satz 3 des § 265a SGB V vorgesehenen Quorum ist von einer Zweidrittelmehrheit aller Mitglieder (und nicht nur der anwesenden Mitglieder) auszugehen, wobei das Stimmrecht entsprechend der Mitgliederzahl der jeweiligen Kassen zu gewichten ist.
- - Die Frist, bis zu der die Kassen ihre Verschuldung abzubauen haben, ist generell (und nicht nur ausnahmsweise - wie in Absatz 4 des § 265a SGB V vorgesehen -) auf den 31. Dezember 2008 zu verlängern.
- - Im Rahmen der Entschuldung sind vertraglich vereinbarte und bereits geleistete Struktur- und Finanzmaßnahmen zu berücksichtigen.
- - Es ist sicherzustellen, dass die Vorschrift des § 265a SGB V über den 31. Dezember 2008 hinaus fortbesteht, soweit sie sich auf Strukturhilfemaßnahmen in besonderen Notlagen oder zur Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit bezieht. Die in Artikel 8 Abs. 3 des VÄndG vorgesehene Befristung des § 265a SGB V ist daher zu streichen.
- 3. Durch das Vorziehen der Entschuldungsregelung in das VÄndG wird zudem die inhaltliche Wechselbeziehung zwischen Entschuldung und der im Gesetzentwurf zur Stärkung des Wettbewerbs in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz - GKV-WSG) festgelegten Insolvenzregelung auseinandergerissen. Betrachtet man - wie sachlich geboten - beide Regelungen im Zusammenhang, so ist davon auszugehen, dass ein zweistelliger Milliardenbetrag erforderlich ist, um das Kassensystem auf eine solide wirtschaftliche Basis zu stellen, von der aus ein fairer, chancengleicher Wettbewerb, wie ihn die Einführung des Gesundheitsfonds im Rahmen des GKV-WSG vorsieht, überhaupt erst möglich ist. Die Einführung der Insolvenzfähigkeit der Krankenkassen bedingt zwingend die Vorlage einer Eröffnungsbilanz, um festzustellen, ob und inwieweit eine Krankenkasse im Sinne der Insolvenzordnung überschuldet ist. Hierbei sind nicht nur die nach bisherigem öffentlichrechtlichen Bilanzierungsrecht ausgewiesenen Schulden einzustellen, sondern auch die aufgrund der bisherigen Bundesvorschriften nicht zu bilanzierenden Belastungen durch Versorgungsansprüche von DO-Angestellten, Betriebsrenten und sonstige von den Kassen zugesagte Versorgungsleistungen. Bei einer Refinanzierung dieser Belastungen innerhalb der durch das VÄndG festgesetzten kurzen Zeit drohen für viele Kassen Beitragssatzsteigerungen in existenzvernichtender Höhe. Die Länder haben auch und besonders wegen der bislang durch den Bund eröffneten Möglichkeit der Mittelschöpfung durch Beitragssatzerhöhung ihre Kassen von der Anwendung der Insolvenzordnung freigestellt. Wenn nun der Bund diese Geschäftsgrundlage grundlegend ändert, so ist er verpflichtet, die aus dieser Konversion resultierenden Belastungen, das heißt, die finanziellen Altlasten, selbst zu tragen. Er kann und darf sie nicht auf die Länder abwälzen.
- 4. Die Bundesregierung ist deshalb gefordert, ein schlüssiges Entschuldungskonzept aufzulegen, das sich an den realen Belastungen vor dem Hintergrund der Anwendung der Insolvenzordnung auf die Krankenkassen orientiert.
- 5. Der Bundesrat behält sich daher weitere Schritte im Rahmen der Beratungen des Gesetzgebungsverfahrens zum GKV-WSG vor.