COM (2018) 209 final; Ratsdok. 8342/18
969. Sitzung des Bundesrates am 6. Juli 2018
A
Der Ausschuss für Agrarpolitik und Verbraucherschutz (AV), der Ausschuss für Innere Angelegenheiten (In) und der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (U) empfehlen dem Bundesrat, zu der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG wie folgt Stellung zu nehmen:
- 1. Der Bundesrat begrüßt grundsätzlich den Vorschlag einer Verordnung über die Vermarktung und Verwendung von Ausgangsstoffen für Explosivstoffe, mit dem die Schwachstellen der derzeit geltenden Verordnung (EU) Nr. 98/2013 vom 15. Januar 2013 behoben werden sollen.
- 2. Der Bundesrat begrüßt das Vorhaben der Kommission, die Vorschriften zur Regelung der Vermarktung und Verwendung von Ausgangsstoffen für Explosivstoffe durch die vorgeschlagene Neufassung der Verordnung klarer zu gestalten und zu verschärfen.
- 3. Der Bundesrat ist jedoch der Auffassung, dass die mit dem Verordnungsvorschlag geplanten Verbesserungen nicht ausreichen, um die Ziele eines harmonisierten Binnenmarktes zu erreichen.
- 4. Vor dem Hintergrund der in dem Bericht der Kommission an das Europäische Parlament über die Anwendung der und die Befugnisübertragung gemäß der Verordnung (EU) Nr. 98/2013 dargestellten heterogenen Anwendung von Registrierungs- oder Genehmigungssystemen in den Mitgliedstaaten begrüßt der Bundesrat den geplanten Wegfall des Instruments des Registrierungssystems. Er bezweifelt jedoch, dass dies sowie die geplante Verschärfung des Genehmigungssystems ausreichen, um eine Harmonisierung des Binnenmarktes im Sinne der Zielsetzung der Verordnung zu erreichen. Nach Auffassung des Bundesrates enthält das in den Artikeln 5 und 6 des Verordnungsvorschlags geregelte Genehmigungssystem zu wenige eindeutige Vorgaben. Die wenigen enthaltenen Vorgaben bedingen zudem einen erheblichen Verwaltungsaufwand für die zuständigen Behörden, beispielsweise durch die in Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe b des Verordnungsvorschlags vorgesehene Pflicht zur Prüfung vorhandener Alternativen. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, darauf hinzuwirken, dass sich die Struktur von Beschränkungen an bestehenden und bewährten Regelungen, wie die der Richtlinie 2011/65/EU vom 8. Juni 2011 zur Beschränkung der Verwendung bestimmter gefährlicher Stoffe in Elektro- und Elektronikgeräten oder der in der Begründung zum Verordnungsvorschlag in Bezug genommenen Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 vom 18. Dezember 2006 zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe und zur Schaffung einer Europäischen Chemikalienagentur, orientiert.
- 5. Der Internethandel besitzt eine große Bedeutung bei der Bereitstellung von Haushaltsprodukten und damit auch für Ausgangsstoffe für Explosivstoffe. Der Bundesrat ist daher der Auffassung, dass gewerbliche Anbieter auf Online-Plattformen über die Pflichten für regulierte und nicht nur für beschränkte Ausgangsstoffe informiert werden sollten.
- 6. Der Bundesrat bittet um Überprüfung des Anhangs I auf Vollständigkeit. So ist beispielsweise zu prüfen, ob auch Kaliumpermanganat als starkes Oxidationsmittel in diesen Anhang aufgenommen werden sollte.
- 7. Der Bundesrat hält es für wichtig, dass zeitnah zum Inkrafttreten der vorgeschlagenen Verordnung die notwendigen Sanktionsvorschriften sowie die gegebenenfalls erforderlichen Rahmenbedingungen für eine Genehmigung erlassen werden.
- 8. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, dafür Sorge zu tragen, dass bei der Fortentwicklung der vorgeschlagenen Verordnung nach den Artikeln 15 und 16 auch Sachverständige aus dem Bereich der Marktüberwachung konsultiert werden.
- 9. Der Bundesrat teilt die Auffassung, dass mittels der entsprechenden bisherigen Verordnung (EU) Nr. 98/2013 nicht alle gesteckten Ziele erreicht werden konnten.
- 10. Der Bundesrat ist jedoch der Auffassung, dass Genehmigungen nach Artikel 6 des Verordnungsvorschlags grundsätzlich mit der Auflage zu versehen sind, dass beschränkte Ausgangsstoffe unter keinen Umständen durch den Genehmigungsinhaber an andere Mitglieder der Allgemeinheit weitergegeben werden dürfen. Der Bundesrat bittet daher die Bundesregierung, im weiteren Verfahren auf diese Ergänzung hinzuwirken.
- 11. Der Bundesrat ist weiterhin der Auffassung, dass die Vorschriften zur "Unterrichtung der Lieferkette" (Artikel 7 des Verordnungsvorschlags) noch zu unübersichtlich und nicht praktikabel sind. Er bittet daher die Bundesregierung, im weiteren Verfahren darauf hinzuwirken, dass
- - die Vorschriften grundsätzlich für alle regulierten Ausgangsstoffe gelten (Artikel 7 Absätze 1 und 2 des Verordnungsvorschlags),
- - die Informationen unter den Wirtschaftsteilnehmenden nicht nur mittels des Sicherheitsdatenblattes kommuniziert werden, sondern durch eine gesonderte Information mittels eines in einem weiteren Anhang vorgegebenen Formblattes (vergleiche Erwägungsgrund 8 des Verordnungsvorschlags).
- 12. Der Bundesrat ist schließlich der Auffassung, dass die Dokumentationspflichten für die Abgabe beschränkter Ausgangsstoffe (Artikel 8 Absatz 3 des Verordnungsvorschlags) zur Überprüfung der Einhaltung der Verordnung auch für die ausnahmsweise genehmigte Abgabe an Mitglieder der Allgemeinheit gelten sollten und dass die Aufbewahrungsfrist für die Dokumentation nicht ein Jahr, sondern fünf Jahre betragen sollte. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, im weiteren Verfahren im vorstehenden Sinne Einfluss zu nehmen.
- 13. Der Bundesrat weist darauf hin, dass in Anhang II der deutschen Fassung des Verordnungsvorschlages der Eintrag "Calcium ammonium nitrate" (englisch) fälschlicherweise mit "Kalkammonsalpeter" übersetzt wurde. Kalkammonsalpeter fällt aufgrund seines Gehaltes von circa 75 Prozent Ammoniumnitrat nunmehr unter Anhang I. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, auf eine entsprechende Korrektur der deutschen Fassung hinzuwirken.
Begründung (nur gegenüber dem Plenum):
Zu Ziffer 10:
Die Genehmigungsauflage, dass beschränkte Ausgangsstoffe nicht an andere Mitglieder der Allgemeinheit weitergegeben werden dürfen, sollte Gegenstand der Unionsregelungen sein, damit dies nicht in das Ermessen der nationalen Rechtsetzungen oder der die Genehmigungen erteilenden Behörden gestellt ist.
Zu Ziffer 11:
Die Unterrichtungspflichten unter den Wirtschaftsteilnehmenden müssen auch die Ausgangsstoffe des Anhangs II und nicht nur die beschränkten Ausgangsstoffe umfassen, denn besonders für die Ausgangsstoffe des Anhangs II, die genehmigungsfrei abgegeben werden können, ist auch die Kommunikation bis zum Endabnehmer (durch die sachkundigen Verkäufer) wichtig.
Das Sicherheitsdatenblatt eignet sich aber gerade nicht hierfür, denn es kann bis zu 100 Seiten (und mehr) umfassen, wodurch die Gefahr besteht, dass die Informationen untergehen.
Vielmehr sollte die Unterrichtung mittels einer in einem weiteren Anhang vorgegebenen Form gesondert erfolgen. Dies ist auch kein erheblicher Aufwand bei der geringen Anzahl von regulierten Ausgangsstoffen. Wahrscheinlich ist dieser Aufwand sogar geringer, als die Sicherheitsdatenblätter zu ändern.
Zu Ziffer 12:
Für eine ernsthafte Überprüfung der Einhaltung der Verordnung ist es unerlässlich, auch die Abgabe von beschränkten Ausgangsstoffen an Mitglieder der Allgemeinheit (genehmigungsbedürftig) zu dokumentieren und alle diese Aufzeichnungen (also auch über die genehmigungsfreie Abgabe an gewerbliche Verwender und Landwirte) länger als ein Jahr aufbewahren zu müssen. Die hierfür übliche Frist (zum Beispiel Chemikalien-Verbotsverordnung) beträgt fünf Jahre. Anderenfalls besteht die Gefahr, dass die Aufzeichnungen zum Zeitpunkt einer Überprüfung schon nicht mehr existieren.
Zu Ziffer 13:
Die falsche Übersetzung wurde bereits 2017 berichtigt (ABl. L 315 S. 78). Anscheinend wurde diese Berichtigung bei dem Verordnungsvorschlag nicht berücksichtigt. Die Nennung von Kalkammonsalpeter in Anhang II könnte Wirtschaftsteilnehmer zu der falschen Annahme führen, hierfür sei (gegebenenfalls) nur die Meldung einer verdächtigen Transaktion nötig. Tatsächlich fällt Kalkammonsalpeter unter die Beschränkungen (Anhang I).
- 14. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass die Zielsetzung der vorgeschlagenen Verordnung primär der Abwehr von Gefahren durch terroristische Anschläge mit selbsthergestellten Explosivstoffen und nicht der chemikalienrechtlichen Marktüberwachung zuzuordnen ist.
Begründung zu Ziffer 14 (nur gegenüber dem Plenum):
Ziel der noch geltenden Verordnung (EU) Nr. 98/2013 ist es, durch die Festlegung von Beschränkungen und Kontrollen auf Unionsebene gleiche Ausgangsbedingungen für alle betroffenen Unternehmen zu schaffen, um EU-weit einen ausreichenden Schutz der Sicherheit für die Allgemeinheit zu gewährleisten. Da sich die bestehenden Regelungen als unzureichend erwiesen haben, eine unrechtmäßige Herstellung von Explosivstoffen zu verhindern - auch nach Inkrafttreten der Verordnung (EU) Nr. 98/2013 kamen bei den meisten Terroranschlägen in der EU selbsthergestellte Explosivstoffe zur Anwendung - soll die Verordnung durch den vorliegenden Vorschlag ersetzt und verschärft werden.
Die noch geltende Verordnung (EU) Nr. 98/2013 - so wie der vorliegende Verordnungsvorschlag - ist keine Verordnung im Rechtsrahmen der von der EU beabsichtigten neuen Marktüberwachungsverordnung (siehe BR-Drucksache 771/17 (PDF) ) und damit keine klassische Verordnung im Sinne des Chemikaliengesetzes, sondern hat in erster Linie das Ziel der Abwehr terroristischer Gefahren vor Augen.
Auch die im vorliegenden Verordnungsvorschlag vorgesehenen Schulungs-und Sensibilisierungsmaßnahmen bei Strafverfolgungsbehörden, ersteinschreitenden Stellen und Zollbehörden haben das primäre Ziel der Gefahrenabwehr und der inneren Sicherheit.
B
- 15. Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union, der Ausschuss für Arbeit, Integration und Sozialpolitik, der Rechtsausschuss und der Wirtschaftsausschuss empfehlen dem Bundesrat, von der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG Kenntnis zu nehmen.