Der Bundesrat hat in seiner 857. Sitzung am 3. April 2009 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
- 1. Der Bundesrat begrüßt den Vorschlag der Kommission für eine Neufassung der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Beschränkung der Verwendung bestimmter gefährlicher Stoffe in Elektro- und Elektronikgeräten.
- 2. Der Bundesrat ist allerdings der Auffassung, dass der Vorschlag zur Neufassung der Richtlinie dem Ziel der Kommission, die rechtlichen Rahmenbedingungen zu vereinfachen und verständlicher zu fassen, nicht in allen Punkten gerecht wird.
- 3. Der Bundesrat bittet daher die Bundesregierung, sich bei den weiteren Beratungen des Richtlinienvorschlags zur Sicherstellung eines effektiven und rechtssicheren Vollzugs für eine rechtlich eindeutige Formulierung des Geltungsbereichs der Richtlinie für Geräte und Bauteile einzusetzen. Der Wortlaut in der Überschrift des Anhangs II des Richtlinienvorschlags ("Verbindliche Auflistung von Produkten, die unter die in Anhang II aufgeführten Kategorien fallen") ist dahingehend missverständlich, dass nur die dort aufgeführten Produkte in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallen könnten. Damit wären weitere Produkte, die in der Aufzählung nicht enthalten sind, für die aber dieselben Anforderungen gelten sollten, vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausgeschlossen. Dies betrifft beispielsweise Milchaufschäumgeräte, gewerbliche Reinigungsmaschinen oder Zubehör bzw. Ersatzteile (z.B. Kabel).
- 4. Die Bundesregierung wird in diesem Zusammenhang außerdem gebeten, sich für eine Definition des Begriffs "ortsfeste industrielle Großwerkzeuge" einzusetzen. Dieser Begriff wird bislang in den Mitgliedstaaten der EU unterschiedlich ausgelegt. Dies führt zu erheblichem Verwaltungsaufwand für die Beteiligten. Um einen einheitlichen Vollzug in allen Mitgliedstaaten der EU sicherzustellen, ist eine solche Definition dringend erforderlich.
- 5. Der Bundesrat bekräftigt seine Forderung in BR-Drucksache 664/04(B) , Ziffer 1 Buchstabe b, die so genannte Bezugsgröße "homogener Werkstoff" zwingend zu definieren, weil sich daraus die maximal zulässigen Gehalte der aufgeführten Schadstoffe in den Bauteilen ergeben. Der Bundesrat hat Zweifel, ob die in Artikel 3 Buchstabe l vorgenommene Begriffsbestimmung eine geeignete Grundlage zur Durchführung von Probenahmen und Analysen darstellt. So kann z.B. eine Leiterplatte durch mechanische Vorgänge nicht so in einzelne Werkstoffe zerlegt werden, dass mit hinreichender Sicherheit ein homogener Werkstoff vorliegt. Die Bundesregierung wird deshalb gebeten, sich im Rahmen der weiteren Beratungen für eine Begriffsbestimmung einzusetzen, die ausreichend Rechtssicherheit zur Durchführung von Probenahmen und Analysen für die in Anhang IV aufgeführten Konzentrationshöchstwerte schafft.
- 6. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, sich auf europäischer Ebene für ein einheitliches Stoffrecht einzusetzen, um Doppelbewertungen und möglichst auch Doppelregelungen zu vermeiden. Die Stoffbeschränkungen für Elektro- und Elektronikgeräte sollten in die Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH-Verordnung) langfristig integriert werden.
Der Richtlinienvorschlag übernimmt in Artikel 4 Absatz 7 lediglich Formulierungen der REACH-Verordnung, mit denen diese grundlegende chemikalienrechtliche Vorschrift Beschränkungen für die Herstellung, das Inverkehrbringen und die Verwendung bestimmter gefährlicher Stoffe, Zubereitungen und Erzeugnisse bereits regelt.
Auch die für die Revision der RoHS-Richtlinie vorgesehenen Stoffe sind überwiegend bereits im Anhang XVII der REACH-Verordnung (mit abweichenden Beschränkungsbedingungen) erfasst. Hier können weitere Stoffe oder erforderliche Beschränkungsbedingungen aufgenommen werden.
- 7. Die Bundesregierung wird gebeten, sich bei den weiteren Beratungen zum vorliegenden Richtlinienvorschlag auf europäischer Ebene dafür einzusetzen, dass die Bestimmungen der Artikel R 31 bis Artikel R 34 des Beschlusses Nr. 768/2008/EG in die Richtlinie mit aufgenommen werden.
Begründung
Mit dem Vorschlag setzt die Kommission den Beschluss Nr. 768/2008/EG vom 9. Juli 2008 über einen gemeinsamen Rechtsrahmen zur Vermarktung von Produkten für die vorliegende Richtlinie um. Die Umsetzung ist jedoch unvollständig, da wesentliche Regelungen zur Marktaufsicht in den Artikeln R 31 bis R 34 des Beschlusses nicht in die Richtlinie mit aufgenommen wurden. Diese Regelungen ergänzen die Vorschriften zur Marktaufsicht nach der Verordnung (EG) Nr. 765/2008 um wichtige Bestimmungen - insbesondere über Informationspflichten gegenüber Wirtschaftsakteuren, der Kommission und den Behörden der jeweils anderen Mitgliedstaaten.
- 8. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, darauf hinzuwirken, dass im Richtlinienvorschlag in Artikel 7 Absatz 9 Satz 1, Artikel 8 Absatz 2 Buchstabe b, Artikel 9 Absatz 8 Satz 1 und Artikel 10 Absatz 5 Satz 1 jeweils das Wort "begründetes" gestrichen wird.
Das Verständnis der Kommission von einer Marktüberwachung, die sich auf die Überprüfung der Auszeichnung mit einem "CE"-Zeichen beschränkt, ist nicht praxisnah. Die vorgeschlagene Formulierung des "begründeten Verlangens" ist auch nicht mit Artikel 19 der Verordnung (EG) Nr. 765/2008 vereinbar.
Die Überwachung durch die zuständigen Behörden muss in die Lage versetzt werden, anhand von Stichproben auch ohne begründeten Verdacht die Konformität von Produkten während der Inverkehrbringens-Phase zu überprüfen.
Ansonsten bestätigt sich ein Verstoß gegen die stoffbezogenen Anforderungen der Richtlinie erst mit der Entsorgung/Verwertung, d. h. zu einem Zeitpunkt, zu dem mögliche Sanktionen gegen den Inverkehrbringer in der Regel ins Leere laufen.
- 9. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, künftigen erweiterten Berichtspflichten der Mitgliedstaaten im Zusammenhang mit dieser Richtlinie rechtzeitig entgegenzutreten.
Die bisherigen Erfahrungen belegen ein stetig steigendes Interesse der Kommission an umfangreichen, detaillierten Berichten der Mitgliedstaaten zum Vollzug gemeinschaftsrechtlicher Regelungen, ohne dass dies im Einzelfall sachgerecht wäre oder zu nachvollziehbaren Schlussfolgerungen führen würde.
- 10. Der Bundesrat erinnert daran, dass mit der Zustimmung der Bundesregierung zur Verordnung (EG) Nr. 765/2008 auch die Verpflichtung übernommen wurde, die Überwachungsbehörden mit den erforderlichen Ressourcen auszustatten. Der Bundesrat weist darauf hin, dass eine richtlinienkonforme Überwachung in den meisten Ländern auf Grund fehlender Ressourcen (Personal und Analysekapazitäten zur zerstörungsfreien Kontrolle von Geräten) nicht möglich sein dürfte.