954. Sitzung des Bundesrates am 10. März 2017
A
Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union und der Ausschuss für Innere Angelegenheiten empfehlen dem Bundesrat, zu der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG wie folgt Stellung zu nehmen:
- 1. Der Bundesrat begrüßt das mit dem Verordnungsvorschlag verfolgte Ziel, ein Europäisches Reiseinformations- und -genehmigungssystem (ETIAS) einzurichten.
- 2. Die in Kapitel IX des Verordnungsvorschlags vorgesehene Möglichkeit für Strafverfolgungsbehörden, zwecks Verhütung, Aufdeckung und Untersuchung terroristischer oder sonstiger schwerer Straftaten im ETIAS-Zentralsystem gespeicherte Daten abzufragen, wird ausdrücklich begrüßt.
Der Verordnungsvorschlag lässt für die Polizeibehörden in diesem Zusammenhang jedoch nur einen eingeschränkten Zugriff auf die in ETIAS gespeicherten Daten zu. So ist zum Beispiel das Kriterium "Bildung (Niveau und Bereich)", welches auf Grund von Artikel 15 Absatz 2 Buchstabe h des Verordnungsvorschlags durch den Reisenden bei der Antragstellung anzugeben ist, von einem Zugriff durch Polizeibehörden nicht umfasst.
Der Bundesrat bittet daher die Bundesregierung, in den weiteren Verhandlungen auf EU-Ebene dafür einzutreten, dass die Vorschriften des Kapitels IX des Verordnungsvorschlags dahingehend geändert werden, dass Strafverfolgungsbehörden einen vollumfänglichen Zugang zu den ETIAS-Daten erhalten. Der Zugriff sollte im Ermessensspielraum der jeweiligen Sicherheitsbehörde liegen.
- 3. Eine durch ETIAS erteilte Reisegenehmigung wird zu einer Voraussetzung für eine rechtmäßige Einreise bzw. einen rechtmäßigen Aufenthalt eines visumsbefreiten Drittstaatsangehörigen. Dies wird nicht zuletzt durch Artikel 69 des Verordnungsvorschlags deutlich. In dieser Vorschrift soll Artikel 6 des Schengener Grenzkodexes dahingehend geändert werden, dass eine gültige Reisegenehmigung die Voraussetzung für die Einreise von visumsbefreiten Drittstaatsangehörigen ist. Eine demzufolge notwendige Ermächtigung für Inlandsbehörden (unter anderem die Polizei), zwecks Verifizierung der Voraussetzungen für eine Einreise oder einen Aufenthalt eine entsprechende ETIAS-Abfrage durchzuführen, sieht der vorliegende Verordnungsvorschlag nicht vor.
Der Bundesrat bittet daher die Bundesregierung, in den weiteren Verhandlungen auf EU-Ebene dafür einzutreten, dass der in Rede stehende Verordnungsvorschlag entsprechend ergänzt wird.
Begründung (nur gegenüber dem Plenum):
Das Ziel des Verordnungsvorschlags, ETIAS zu installieren, scheint geeignet zu sein, die Grenzbehörden vorab über Reisende dahingehend zu informieren, ob mit ihrer Einreise ein Sicherheitsrisiko verbunden ist. Mit Inkrafttreten der ETIAS-Verordnung ist gleichzeitig eine Verbesserung der Interoperabilität der Informationssysteme innerhalb der EU zu erwarten. Der Vorschlag entspricht dem im September 2016 verabschiedeten sogenannten "Bratislava-Fahrplan" sowie einer entsprechenden Forderung des Europäischen Rates vom Oktober 2016.
Der Verordnungsvorschlag sieht vor, Datenabfragen für Sicherheitsbehörden zu beschränken und keine Vollauskunft zu erteilen. Die Entscheidung, ob hinterlegte Daten möglicherweise Relevanz für polizeiliche Ermittlungen entfalten, sollte nach hiesiger Einschätzung im Ermessensspielraum der jeweiligen Sicherheitsbehörde liegen. Auch Informationen zur Bildung und zu besonderen Kompetenzen von Personen können bedeutende Auswirkungen auf weitere kriminaltaktische Maßnahmen haben, zum Beispiel Kenntnisse zu Chemikalien und Technik.
Die Polizei im Inland steht außerhalb der Terrorismusbekämpfung immer wieder vor der Aufgabe, die Legitimität des Aufenthalts auch eines visumsbefreiten Drittstaatsangehörigen überprüfen zu müssen. Dazu gehört in der Konsequenz des in Rede stehenden Verordnungsvorschlags auch die Frage, ob eine ETIAS-Reisegenehmigung vorliegt oder nicht. Daher ist ein entsprechender Zugriff auf ETIAS durch Inlandsbehörden, die berechtigt sind, den Aufenthalt eines Ausländers zu verifizieren, unabdingbar.
B
- 4. Der Gesundheitsausschuss und der Rechtsausschuss empfehlen dem Bundesrat, von der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG Kenntnis zu nehmen.