Der Bundesrat hat in seiner 882. Sitzung am 15. April 2011 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
- 1. Der Bundesrat begrüßt den von der Kommission vorgeschlagenen Entwurf als weiteren Schritt zur Herstellung von Transparenz bei Unternehmensinformationen. Verlässliche und für jedermann zugängliche Unternehmensdaten sind ebenso wie der reibungslose Datenabgleich zwischen den Registern eine wesentliche Funktionsbedingung für den grenzüberschreitenden Geschäftsverkehr im Binnenmarkt.
- 2. Gerade im grenzüberschreitenden Geschäftsverkehr können die wirtschaftlichen Akteure auf eine hohe Qualität der Registerinformationen nicht verzichten, weil die Richtigkeit ausländischer Registerinhalte weder für sie noch für ihre heimischen Registerbehörden mit vertretbarem Aufwand nachprüfbar ist. Da eine Vermischung von Daten unterschiedlicher Verlässlichkeit diese für den Rechtsverkehr entwerten kann, sollte die Gewährleistung unionsweiter Mindeststandards der Richtigkeitskontrolle ein zentrales Anliegen bei der Fortentwicklung des europäischen Registerwesens bilden. In jedem Fall muss sichergestellt bleiben, dass Registerinformationen nur diejenigen Rechtswirkungen auslösen können, denen sie nach ihrer konkreten Qualität gerecht werden. Vor diesem Hintergrund ist die zu Artikel 3a Absatz 2 der Richtlinie 2009/101/EG vorgesehene Darlegungspflicht zu begrüßen.
- 3. Eine in Ergänzung des Artikels 2 der Richtlinie 2009/101/EG vorgeschlagene Umsetzungsfrist von 15 Kalendertagen für Änderungseintragungen ist allerdings nach Auffassung des Bundesrates nicht sachgerecht.
Die starre Frist von 15 Kalendertagen wäre mit einem hohen Qualitätsstandard der Registerinformationen, wie ihn namentlich das deutsche Verfahrensrecht bietet, nicht zu vereinbaren. Eine Änderungseintragung setzt häufig die Beschaffung von Vertretungsnachweisen, Genehmigungen oder Apostillen und die Einholung von Rechtsrat voraus. Schon dies kann gerade bei Unternehmen mit Auslandsberührung (ausländische Gesellschafter oder Geschäftsführer) auch innerhalb der EU deutlich länger als 15 Kalendertage in Anspruch nehmen. Mit einer unangemessen kurzen und starren Frist würden außerdem die für eine Richtigkeitskontrolle unabdingbaren Prüfungs- und Bearbeitungszeiten beim Notar und bei den Registergerichten unvertretbar eingeengt und damit letztlich die Qualität des Registerinhalts - die Grundlage seines öffentlichen Glaubens ist - grundsätzlich in Frage gestellt. Unklar wären zudem die Rechtsfolgen einer Fristüberschreitung und die Verteilung diesbezüglicher Verantwortlichkeiten.
Für den Fall, dass genereller Bedarf für eine Verfahrensbeschleunigung belegbar ist, sollte anstelle einer starren Fristvorgabe der Maßstab der Unverzüglichkeit der Änderungseintragung gewählt werden. "Unverzüglich" bedeutet "ohne schuldhaftes Zögern" (vgl. § 121 Absatz 1 Satz 1 BGB). Dieses Kriterium hat sich in Deutschland bewährt (vgl. § 25 Absatz 1 Satz 2 der Handelsregisterverordnung - HRV) und ist geeignet, entsprechend der Bedeutung der Registerinformationen eine umgehende Abwicklung entsprechender Eintragungen sicherzustellen.
- 4. Ein künftiges europäisches Registernetzwerk sollte nach Auffassung des Bundesrates aus Gründen der Kommunikations- und Datensicherheit sowie der Richtigkeitsgewähr und dem damit verbundenen öffentlichen Glauben der Registerinhalte sowie der an eine von einer registerführenden Stelle eines anderen Mitgliedstaates übermittelten Nachricht geknüpften Rechtsfolgen öffentlichrechtlich organisiert sein. Eine dem European Business Register (EBR) vergleichbare privatrechtliche Struktur wird nicht befürwortet.
Die in Ziffer 2 der Begründung und in Erwägungsgrund 8 des Richtlinienvorschlags angesprochene Integration dieses Netzwerks in das Europäische E-Justice-Portal erschiene dagegen sachgerecht, vgl. bereits die Stellungnahme des Bundesrates zum Grünbuch "Verknüpfung von Unternehmensregistern", BR-Drucksache 828/09(B) , Ziffer 3. Ein europäisches Unternehmensregister sollte im Übrigen keine eigene Datenbank parallel zu den nationalen Registern aufbauen, weil damit unnötiger Aufwand und zusätzliche Fehlerquellen verbunden wären. Vielmehr sollte die europäische Registerplattform unmittelbaren Zugang zu den nationalen Registern eröffnen.
- 5. Der Richtlinienvorschlag enthält mehrere Ermächtigungen der Kommission zum Erlass delegierter Rechtsakte. Die Grenzen einer solchen Ermächtigung werden von Artikel 290 Absatz 1 Unterabsatz 2 Satz 2 AEUV dahin bestimmt, dass "die wesentlichen Aspekte eines Bereichs [ ... ] dem Gesetzgebungsakt vorbehalten" sind und eine Ermächtigung insoweit ausgeschlossen ist. Wesentlich in diesem Sinne sind die grundsätzlichen Gestaltungsentscheidungen einer Regelung, die nach den Prinzipien der Demokratie und Gewaltenteilung von den gesetzgebenden Organen selbst vorgenommen werden sollen (vgl. Lenz/Borchardt/Hetmeier, EU-Verträge, 5. Auflage, Artikel 290 Rn. 9 f.).
Was die Ausgestaltung des künftigen elektronischen Registernetzes (vgl. Artikel 3 Nummer 4 des Richtlinienvorschlags: neuer Artikel 4a der Richtlinie 2009/101/EG) betrifft, werden zumindest die Fragen seiner rechtlichen Organisationsform, BR-Drucksache 828/09(B) Ziffer 4, seiner wesentlichen Binnenstrukturen, seiner Finanzierung, der Zutrittsbedingungen von Drittstaaten sowie der Gewährleistung von Mindeststandards der Datenqualität und -sicherheit als wesentlich im oben dargestellten Sinne einzustufen sein, denn die Entscheidung dieser Fragen ist grundlegend für Gestalt und Struktur, Wirkungsweise und Funktionsfähigkeit des künftigen "elektronischen Netzes". Diese Entscheidungen sind folglich von der Richtlinie selbst zu treffen und stehen einer Delegation, wie sie der Richtlinienvorschlag (vgl. die neuen Artikel 4a Absatz 3, Artikel 13a ff. der Richtlinie 2009/101/EG) vorsieht, nicht offen.