956. Sitzung des Bundesrates am 31. März 2017
Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union und der Rechtsausschuss empfehlen dem Bundesrat, zu der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG wie folgt Stellung zu nehmen:
- 1. Der Bundesrat nimmt den Fortgang des Gesetzgebungsverfahren hinsichtlich des Richtlinienvorschlags zur Änderung der Richtlinie (EU) Nr. 2015/849 zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung, sogenannte Vierte Geldwäscherichtlinie, mit Besorgnis zur Kenntnis. Am 7. März 2017 wurde der Bericht (A8-0056/2017) der gemeinsam federführenden Ausschüsse für Wirtschaft und Währung (ECON) und für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (LIBE) des Europäischen Parlaments veröffentlicht. Nach Artikel 1 Randziffer 12a soll in die Vierte Geldwäscherichtlinie ein neuer Artikel 32b eingefügt werden. Dieser sieht eine Einbeziehung der nationalen Grundbücher in das Instrumentarium der Geldwäschebekämpfung vor. Konkret wurde beschlossen, öffentliche Register zur Identifizierung von natürlichen oder juristischen Personen, die an Grundstücken oder Gebäuden dinglich oder wirtschaftlich berechtigt sind, einzurichten und über das System des "European Land Information Service" (EULIS) miteinander zu verknüpfen. Vor diesem Hintergrund steht insbesondere auch eine Erweiterung des deutschen Grundbuchs um das Kriterium des "wirtschaftlich Berechtigten" (zum Beispiel aufgrund Miete oder Pacht) sowie um Angaben zu Lebensversicherungen (Datum des Vertragsschlusses, Höhe der Versicherungssumme) zu befürchten.
- 2. Der Bundesrat begegnet dieser Änderung mit großen Bedenken. Die Grundbücher der Mitgliedstaaten weisen grundlegende Unterschiede auf, die einer Verknüpfung entgegenstehen. Dies betrifft insbesondere den Charakter des Registersystems, die Qualität und Rechtswirkungen der Eintragungen, Art und Inhalt der eintragungsfähigen und eingetragenen dinglichen Rechte sowie den Umfang der Einsichtsrechte nach nationalem Recht: Während einzelne Mitgliedstaaten ein Titelgrundbuch vorhalten, das dingliche Rechte durch Registereintragung unmittelbar verlautbart (so zum Beispiel Deutschland und Spanien), sind andere als Urkundensammlung ausgestaltet (zum Beispiel in Frankreich und Belgien). In einzelnen Mitgliedstaaten werden Eintragungsanträge vorab durch öffentliche Amtsträger geprüft, wohingegen sie in anderen Mitgliedstaaten ohne zuverlässige Identitäts- und Rechtmäßigkeitskontrolle übernommen werden. In einigen Staaten wirken Eintragungen deklaratorisch und in anderen konstitutiv; teilweise ist die Eintragung auch nur Voraussetzung für die Entgegenhaltung dinglicher Rechte gegenüber Dritten. Schließlich unterscheiden sich die nationalen Register auch erheblich im Umfang ihres Gutglaubensschutzes. Außerdem besteht die Gefahr des sogenannten legal transplants, das heißt der ungeprüften Übernahme ausländischer, auf den ersten Blick vergleichbar erscheinender dinglicher Rechte.
- 3. Der Bundesrat ist besorgt, der vorgeschlagene Artikel 32b(neu) berge das erhebliche Risiko von Missverständnissen, rechtlichen Fehlbewertungen und kaum zu kalkulierendem Verwaltungsaufwand. Angaben zum "wirtschaftlich Berechtigten" lassen sich nicht zuverlässig prüfen und können sich minütlich ändern. Auch wird eine Offenlegung des wirtschaftlich Berechtigten im Grundbuch für wenig zielführend erachtet: Die große Mehrheit der Mitgliedstaaten, darunter auch Deutschland, verfügt bereits über qualitativ hochwertige Grundstücks- und Immobilienregister. Diese sind auf das jeweils unterschiedliche Grundstücksrecht des jeweiligen Mitgliedstaates speziell zugeschnitten und weisen daher allein die dingliche Rechtsposition aus. Die zusätzliche Offenlegung wirtschaftlicher Beziehungen ist gerade nicht Aufgabe des Grundbuchs und würde dessen Qualität erheblich beeinträchtigen. Wirtschaftliche Verknüpfungen ergeben sich bereits aus den nationalen Handelsregistern. Auf europäischer Ebene ist zudem die Einrichtung eines Transparenzregisters vorgesehen. Noch fragwürdiger ist die vorgesehene Verpflichtung zur Eintragung von Lebensversicherungsverträgen, die keinerlei Bezug zu dinglichen Rechten haben. Das Grundbuch würde zu einer beliebigen Ansammlung von Informationen ohne Bezug zu Grundstücken oder Rechten an diesen verkommen.
- 4. Selbst wenn man Artikel 32b(neu) dahingehend verstünde, neben dem Grundbuch ein eigenes Immobilienregister einzurichten, hätte dies in jedem Fall die Doppelung sämtlicher im Grundbuch enthaltener Informationen sowie die Erforderlichkeit eines ständigen Datenabgleichs mit dem (bisher dezentral bei den Amtsgerichten der Länder geführten) Grundbuch, dem Liegenschaftskataster, dem Handelsregister und dem Transparenzregister zur Folge.
- 5. Der Bundesrat weist darauf hin, dass eine so weitreichende legislative Maßnahme nicht ohne entsprechende Untersuchung von Kosten, Nutzen und Durchführbarkeit sowie vor allem der Geeignetheit zur Erreichung des angestrebten Ziels getroffen werden sollte.
- 6. Der Bundesrat hält die Bekämpfung der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung für eine zentrale Aufgabe. Handels- und Transparenzregister stellen jedoch bereits taugliche Instrumente dar, um der Verschleierung der wirtschaftlichen Berechtigung an Immobilien durch gesellschaftsrechtliche Strukturen oder vertragliche Treuhandkonstruktionen entgegenzuwirken.
- 7. Der Bundesrat lehnt deshalb den vorgeschlagenen Artikel 32b(neu) ab.
- 8. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, sich im Rat der EU und gegenüber der Ratspräsidentschaft dafür einzusetzen, den vorgeschlagenen Artikel 32b(neu) in den anstehenden Trilogverhandlungen abzulehnen.
*) Erster Beschluss des Bundesrates vom 23. September 2016, Drucksache 392/16(B) Wiederaufnahme der Beratungen gemäß § 45a Absatz 4 GO BR (jetzt: EU, R)