897. Sitzung des Bundesrates am 15. Juni 2012
Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union (EU), der Ausschuss für Innere Angelegenheiten (In) und der Verkehrsausschuss (Vk) empfehlen dem Bundesrat, zu der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG wie folgt Stellung zu nehmen:
- 1. Der Bundesrat begrüßt die Anstrengungen der Kommission zur Schaffung von einheitlichen Regelungen zur Fahrzeugzulassung mit grenzüberschreitendem Bezug.
- 2. Der Bundesrat ist jedoch der Auffassung, dass eine solche Harmonisierung nicht im Wege der Verordnung erfolgen sollte. Den Mitgliedstaaten ist ein ausreichender Gestaltungsspielraum zu belassen; unnötige Eingriffe in deren Verwaltungsverfahren sind nicht gerechtfertigt. Daher fordert der Bundesrat die Bundesregierung auf, auf den Erlass einer entsprechenden Richtlinie unter Beachtung der folgenden Maßgaben hinzuwirken:
Der Bundesrat hält die Regelung des Ortes der Zulassung (Artikel 3) hinsichtlich Gesellschaften sowie natürlicher Personen im Rahmen ihrer geschäftlichen Tätigkeit für problematisch. Er befürchtet, dass ein "Zulassungstourismus" entstehen könnte, bei dem der Zulassungsmitgliedstaat nach den günstigsten Zulassungskonditionen, den geringsten technischen Untersuchungsstandards oder den geringsten Steuerlasten und Versicherungsbeiträgen ausgesucht wird. Ferner sieht er die Gefahr, dass der Zugriff auf Fahrzeuge bei technischen Mängeln sowie die Ahndung von Verkehrsordnungswidrigkeiten erschwert oder sogar unmöglich gemacht werden könnten.
- 3. Der Bundesrat fordert, geeignete Verfahrensweisen bei der Verfolgung von Verkehrsordnungswidrigkeiten zu schaffen, um verlängerte Postlaufzeiten oder höheren Aufwand bei der Fahrerermittlung zu vermeiden und damit das Risiko des Eintritts der Verjährung zu verhindern.
Begründung (nur gegenüber dem Plenum):
Die mit der angestrebten Harmonisierung des europäischen Zulassungsverfahrens einhergehenden Verfahrensänderungen würden die Verfolgung von Verkehrsordnungswidrigkeiten erheblich erschweren. Längere Postlaufzeiten ins bzw. aus dem Ausland und höhere Zeitaufwände bei der Fahrerermittlung (z.B. Lichtbildvergleiche) könnten dazu führen, dass eine Vielzahl von Vorgängen nicht innerhalb der Verjährungsfrist bearbeitet und im Ergebnis eingestellt werden müssten.
- 4. Der Bundesrat hält eine Regelung für unerlässlich, dass eine Fahrzeugzulassung oder Fahrzeugummeldung in einem anderen Land nur dann erfolgen darf, wenn die Originaldokumente einschließlich des Eigentumsnachweises vorgelegt werden (Artikel 4).
Begründung (nur gegenüber dem Plenum):
Zur Vermeidung von Straftaten sollte eine Fahrzeugzulassung bzw. -ummeldung in einem anderen Mitgliedstaat nur dann erfolgen dürfen, wenn die Originaldokumente - einschließlich des Eigentumsnachweises - vorgelegt werden. Das mit dem Zulassungsverfahren betraute Personal muss entsprechend geschult sein, um ge- oder verfälschte ausländische Papiere erkennen zu können.
- 5. Der Bundesrat lehnt einen Zeitraum von sechs Monaten zur Ummeldung gemäß Artikel 4 Absatz 1 aus Gründen der Verkehrssicherheit ab. Er spricht sich stattdessen für einen Zeitraum von einem Monat aus, den er auch mit Blick auf die Ahndung von Verkehrsordnungswidrigkeiten sowie zur Vermeidung missbräuchlicher Gestaltungen hinsichtlich der Kfz-Besteuerung für sachgerecht hält.
- - Der Bundesrat hält es für unerlässlich, dass Zulassung (Artikel 5) und Überführungszulassung (Artikel 6) verweigert werden müssen, wenn das Bestehen einer Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung nicht nachgewiesen werden kann. Er spricht sich außerdem dafür aus, dass Prüfungen (Artikel 4 Absatz 4) oder die Ablehnung der Überführungszulassung (Artikel 6 Absatz 3) nicht nur bei stark beschädigten Fahrzeugen möglich sein müssen, sondern auch, wenn Erkenntnisse auf andere Mängel am Fahrzeug hindeuten (etwa bezüglich Verkehrssicherheits- und Umweltschutzvorgaben, Bauartveränderungen, Fahrzeugidentität). Schließlich vertritt der Bundesrat die Auffassung, dass eine Identifizierung eines Fahrzeugs durch visuelle Prüfungen stets möglich bleiben muss. 6. - Der Bundesrat hält es daher auch vor dem Hintergrund von Absatz 5 der Erwägungsgründe für unbedingt erforderlich, dass Artikel 4 Absatz 3 dahingehend ergänzt wird, dass im Falle einer Zulassung das betroffene Fahrzeug in Augenschein zu nehmen und durch Vergleich der sichtbaren Individualnummern (mindestens: Kennzeichen und Fahrzeugidentifizierungsnummer) durch die Zulassungsbehörde zu identifizieren ist. Zudem ist der Bundesrat der Auffassung, dass ergänzend zu der in Artikel 7 Absatz 1 vorgesehenen Abfrage auch eine Abfrage im Schengener Informationssystem (SIS) zu erfolgen hat, soweit dies zur Verfügung steht.
- - Der Bundesrat hält es für erforderlich, in Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe d zu regeln, dass im Falle einer gültigen Fahndungsausschreibung im SIS grundsätzlich keine Zulassung erfolgen darf und die Zulassungsbehörde in diesen Fällen die zuständigen Strafverfolgungsbehörden unverzüglich zu unterrichten hat. Der Bundesrat ist zudem der Auffassung, dass Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe d Doppelbuchstabe ii missverständlich formuliert ist und insofern die Klarstellung erforderlich ist, dass von dieser Regelung nicht die Fälle erfasst sind, in denen gestohlene Zulassungsdokumente vorgelegt werden, sondern vielmehr solche Fälle gemeint sind, in denen der Fahrzeugeigentümer keine Zulassungsdokumente vorweisen kann, weil sie ihm gestohlen wurden.
- 7. Der Bundesrat hält hinsichtlich der vorübergehenden Zulassung (Artikel 6) die Einführung eines einheitlichen europäischen Überführungskennzeichens für erforderlich. Er bittet die Bundesregierung allerdings darauf Einfluss zu nehmen, dass ein solches Überführungskennzeichen nur deutlich kürzer als 30 Tage gültig bleibt (zum Beispiel eine Woche). Außerdem sollte eine vorübergehende Zulassungsbescheinigung nicht nur für den Kfz-Erwerb in einem anderen Mitgliedstaat, sondern auch für andere Fälle der Überführung gelten (zum Beispiel Schenkung). Schließlich ist Vorsorge dafür zu treffen, dass ein Überführungskennzeichen auch von Kfz-Versicherern ausgegeben werden darf.
- 8. Der Bundesrat weist darauf hin, dass in Artikel 6 Absatz 1 klargestellt werden sollte, dass nur die Zulassungsbehörde des Landes, in dem das Kfz gekauft wurde, eine vorübergehende Zulassungsbescheinigung ausstellen kann. Im Zusammenhang mit Artikel 6 Absatz 3 Buchstabe b hält der Bundesrat es für notwendig, dass auch bei einer gültigen Fahndungsausschreibung im Schengener Informationssystem grundsätzlich keine Zulassungsbescheinigung erteilt werden darf.
- 9. Der Bundesrat lehnt die Einführung einer einheitlichen europäischen Händlerzulassung (Artikel 8) ab. Er spricht sich stattdessen dafür aus, etwaige Behinderungen bei dem von Unternehmen betriebenen EU-Binnenhandel mit Gebrauchtfahrzeugen durch die gegenseitige Anerkennung der nationalen Händlerkennzeichen zu beseitigen.
Der Bundesrat fordert, EUCARIS ausdrücklich als Verfahren für den Informationsaustausch über die Fahrzeugzulassungsdaten (Artikel 7) vorzugeben. Eine anderweitige Lösung wäre unverhältnismäßig, da EUCARIS in Deutschland bereits eingeführt ist und seine EU-weite Nutzung auf Basis anderer Rechtsgrundlagen vorgeschrieben ist. Der Bundesrat lehnt es jedoch ab, der Kommission die Befugnis zum Erlass von Durchführungsrechtsakten hinsichtlich der Datenelemente und Softwareanwendung zu übertragen (Artikel 7 Absatz 4), da die örtlichen Register und das Zentrale Fahrzeugregister von jeder Änderung direkt betroffen wären.
- 10. Der Bundesrat geht davon aus, dass die Möglichkeiten der Polizeibehörden, auf Daten der Zulassungsbehörden zuzugreifen, durch den Vorschlag unberührt bleiben.
- 11. Der Bundesrat übermittelt diese Stellungnahme direkt an die Kommission.