956. Sitzung des Bundesrates am 31. März 2017
Der federführende Ausschuss für Innere Angelegenheiten (In) und der Rechtsausschuss (R) empfehlen dem Bundesrat, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:
1. Zum Gesetzentwurf allgemein
Die Regelungen des Gesetzentwurfs zur Änderung des Europol-Gesetzes stehen im Widerspruch zu der Regelung in § 3 BKAG-E in BR-Drucksache 109/17.
Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren hinsichtlich der Zusammenarbeit der Länder mit Europol in § 2 EuropolG-E einen klarstellenden Hinweis aufzunehmen, dass die Regelungen in § 3 BKAG-E in BR-Drucksache 109/17 (PDF) durch die Regelungen des Gesetzesentwurfs zur Änderung des Europol-Gesetzes unberührt bleiben.
Begründung:
Gemäß Artikel 7 Absatz 5 der Europol-Verordnung (EU) Nr. 2016/794 ist unter den seitens der Mitgliedstaaten festgelegten Voraussetzungen der direkte Kontakt zwischen den Behörden der Mitgliedstaaten und Europol vorgesehen. Zum einen sieht § 3 BKAG-E Regelungen für die internationale Zusammenarbeit vor, zum anderen sieht der Gesetzentwurf zur Änderung des Europol-Gesetzes ebenfalls Regelungen zur Zusammenarbeit der Polizeien der Länder mit Europol vor. Um die Anwendung des Gesetzentwurfs zur Änderung des Europol-Gesetzes in der Praxis zu vereinfachen und um Rechtssicherheit bei der Anwendung beider Gesetze im Zusammenhang mit Europol zu gewährleisten, sollte eine klarstellende Regelung zum Verhältnis des Gesetzesvorschlags zu § 3 BKAG-E aufgenommen werden. Dies gilt insbesondere, da § 3 BKAG-E mehr Regelungen zur Zusammenarbeit der Polizeien der Länder mit Europol enthält als der aktuell geltende § 3 BKAG. Aus zuvor genannten Gründen bietet es sich an, in § 2 EuropolG-E eine entsprechende Regelung zum Verhältnis beider Gesetze zueinander aufzunehmen.
2. Zu Artikel 1 Nummer 3 Buchstabe c (§ 2 Absatz 3 EuropolG)
Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren § 2 Absatz 3 EuropolG so zu ändern, dass er die Möglichkeiten aufgreift, die Artikel 7 Absatz 5 Satz 2 der Europol-Verordnung (EU) Nr. 2016/794 den Mitgliedstaaten für direkte Kontakte zwischen ihren zuständigen Behörden und Europol gestattet.
Begründung:
Gemäß § 7 Absatz 5 Satz 2 der Europol-Verordnung (EU) Nr. 2016/794 können die Mitgliedstaaten - vorbehaltlich der von ihnen festgelegten Voraussetzungen - direkte Kontakte zwischen ihren zuständigen Behörden und Europol gestatten.
Nach § 2 Absatz 3 EuropolG können zur Unterstützung des Informationsaustauschs im Rahmen der Verhütung und Verfolgung von Straftaten die Behörden der Bundespolizei und des Zollfahndungsdienstes sowie die Polizeien der Länder bislang unmittelbar lediglich mit den deutschen Verbindungsbeamten bei Europol Daten austauschen, soweit dies zur Beschleunigung des Geschäftsgangs erforderlich und ein nationaler Koordinierungsbedarf nicht erkennbar ist. Ein unmittelbarer Informationsaustausch mit Europol ist den genannten Behörden bislang hingegen nicht erlaubt.
Der Gesetzentwurf sieht bisher nur eine redaktionelle Änderung des § 2 Absatz 3 EuropolG vor, ohne die Möglichkeiten aufzugreifen, die die Europol-Verordnung (EU) Nr. 2016/794 bietet. Der Bundesrat hält es für erforderlich, unter bestimmten Voraussetzungen den vorgenannten nationalen Behörden einschließlich den Polizeien der Länder direkte Kontakte zu Europol zu gestatten.
Ein unveränderter Fortbestand des § 2 Absatz 3 EuropolG würde sowohl der Intention des europäischen Gesetzgebers als auch der von der Bundesregierung beabsichtigten Stärkung der Kompetenzen der Länder (vgl. Begründung zu § 3 BKAG-E - BR-Drucksache 109/17 (PDF) , Seiten 99 und 100) entgegenstehen.
3. Zu Artikel 1 Nummer 9 (§ 8 EuropolG)
Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, auf welche Weise die Anwendung der Vorschriften des Strafgesetzbuches über die Verletzung von Privatgeheimnissen (§ 203 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1, Satz 2, Absatz 4, 5; § 205 StGB), die Verwertung fremder Geheimnisse (§§ 204, 205) sowie die Verletzung des Dienstgeheimnisses (§ 353b Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, Satz 2, Absatz 3, 4 StGB) auf die Mitglieder des Verwaltungsrates, den Exekutivdirektor und die Bediensteten von Europol sowie die Verbindungsbeamten und weitere gegebenenfalls zur Geheimhaltung besonders verpflichtete Personen sichergestellt und eine auch nur vorübergehende Strafbarkeitslücke vermieden werden kann.
Begründung:
Dem Gesetzentwurf ist zuzugestehen, dass Artikel 2 § 8 EuropolG in der derzeitigen Fassung nicht beibehalten werden kann, nachdem die Verordnung (EU) Nr. 2016/794 keine dem Artikel 41 Absatz 2 Europol-Beschluss 2009/371/JI entsprechende Regelung mehr enthält.
Obwohl - worauf der Gesetzentwurf selbst verweist - EU-Beamte und sonstige EU-Bedienstete weiterhin nach dem EU-Beamtenstatuts und den Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten zur Verschwiegenheit verpflichtet sind und gleiches für die Mitglieder des Verwaltungsrates und die Verbindungsbeamten der Mitgliedstaaten als Beamte oder Bedienstete des öffentlichen Dienstes der Mitgliedstaaten gilt, sieht der Gesetzentwurf keine Ersatzregelung für den aufzuhebenden § 8 EuropolG vor, mit der die strafrechtliche Verantwortlichkeit der genannten Personen fortgeschrieben werden kann. Dies ist unverständlich.
Nach Artikel 84 DSGVO und Artikel 57 der Datenschutzrichtlinie (EU) Nr. 2016/680 sind sogar für Verstöße gegen allgemeine Datenschutzbestimmungen strafrechtliche Sanktionen vorzusehen.
Die ersatzlose Aufhebung des § 8 EuropolG führt dazu, dass die Mitglieder des Verwaltungsrates, der Exekutivdirektor und die Bediensteten von Europol sowie die Verbindungsbeamten der anderen Mitgliedstaaten und die weiteren zur Geheimhaltung besonders verpflichteten Personen, die für Europol tätig sind, künftig nicht mehr wegen der Verletzung von Privatgeheimnissen (§ 203 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1, Satz 2, Absatz 4, 5, § 205 StGB), der Verwertung fremder Geheimnisse (§§ 204, 205 StGB) oder wegen der Verletzung des Dienstgeheimnisses (§ 353b Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, Satz 2, Absatz 3, 4 StGB) nach deutschem Recht bestraft werden können. Diese Strafbarkeitslücke ist nach Auffassung des Bundesrates unbedingt zu vermeiden und sollte auch nicht erst durch ein späteres Gesetz geschlossen werden. Die Europol überlassenen Daten betreffen vornehmlich die schwere Kriminalität oder den Terrorismus und bedürfen auch eines strafrechtlichen Schutzes. Vermieden werden sollte schließlich, dass eventuell bis zum 30. April 2017 begangene und noch nicht rechtskräftig abgeurteilte Taten vor Ablauf der Verjährungsfristen straffrei gestellt werden.