Der Bundesrat hat in seiner 964. Sitzung am 2. Februar 2018 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
- 1. Der Bundesrat begrüßt die Mitteilung der Kommission zur "Stärkung von Wachstum und Zusammenhalt in den EU-Grenzregionen". Er begrüßt ferner, dass sich die Mitteilung mit möglichen Handlungsansätzen zur Verringerung von Hemmnissen für Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen in Grenzregionen befasst. Mögliche Maßnahmen zur Schaffung von Wachstum und Arbeitsplätzen in den Grenzregionen sollten daher zeitnah auf ihre Wirksamkeit überprüft und im Falle eines positiven Ergebnisses zügig umgesetzt werden.
- 2. Rechtsvorschriften oder Finanzierungsmechanismen in den Kompetenzbereichen der EU sollten sich ebenfalls an diesen Maßstäben messen lassen und verstärkt in Richtung einer damit verbundenen Entbürokratisierung zugunsten von Unternehmen ausgerichtet sein. Dem Bundesrat ist dabei bewusst, dass den Mitgliedstaaten und Regionen eine zentrale Rolle bei der Vermeidung von Hindernissen und Beseitigung von bereits vorhandenen Hemmnissen zukommt. Durch solche Maßnahmen können Grenzregionen ihre Potentiale besser entfalten und attraktive Standorte für die wirtschaftliche Betätigung von Unternehmen aus Europa und darüber hinaus werden.
- 3. Der Bundesrat betont, dass aus der Mitteilung der Kommission keine Vorfestlegung auf Themen der nächsten Förderperiode erwachsen darf. Er teilt die Einschätzung der Kommission, dass aus Interreg-Mitteln finanzierte Projekte und Initiativen einen wichtigen Beitrag zur europäischen Integration geleistet haben und weiter leisten werden.
- 4. Er teilt gleichermaßen die Beobachtung der Kommission, dass in den Grenzregionen (entlang der Binnengrenzen der EU 28 und der EFTA) nach wie vor Hemmnisse bestehen, die sich negativ auf die Entwicklungspotentiale auswirken und alleine durch Finanzmittel und Investitionen nicht zu lösen sind.
- 5. Bezüglich der geplanten Initiative der Kommission, eine "Anlaufstelle Grenze" in der Generaldirektion Regio einzurichten, ist der Bundesrat der Ansicht, dass die Anlaufstelle innerhalb der Kommission für eine bessere Beachtung der Bedürfnisse der Grenzregionen in der Facharbeit, zum Beispiel im Rahmen von Folgenabschätzungen, sorgen kann. Für die Lösung der Probleme vor Ort hält er jedoch die bestehenden bewährten regionalen Strukturen für geeigneter. Diese Strukturen dürfen durch die neue Stelle nicht beeinträchtigt werden. Der Bundesrat mahnt, keine zusätzliche Bürokratie zu schaffen und pocht auf einen echten Mehrwert durch die Arbeit der neuen Stelle.
- 6. Er begrüßt, dass die Kommission in den grenzüberschreitenden Themenbereichen mit Zuständigkeit der Mitgliedstaaten nur unterstützend und beratend tätig werden wird.
- 7. Der Bundesrat weist ausdrücklich darauf hin, dass gerade in den Grenzregionen und der grenzüberschreitenden Kooperation zwischen den Mitgliedstaaten sichtbar wird, wie ein zusammenwachsendes Europa tatsächlich gelebt wird. Er verweist auf die zahlreichen - auch mit Hilfe der EU-Fördermittel - realisierten grenzüberschreitenden Initiativen mit direkter Auswirkung auf die Bürgerinnen und Bürger in europäischen Nachbarstaaten, sei es im Bereich der Mehrsprachigkeit, der Berufsanerkennung, der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung, der Grenzpendlerberatung, der Arbeitsvermittlung oder im Umweltschutz.
- 8. Der Bundesrat teilt die von der Kommission vertretene Auffassung, dass eine finanzielle Förderung der Grenzregionen allein nicht zu einem nachhaltigen Zusammenwachsen der Grenzregionen oder auch grenzüberschreitender Arbeitsmärkte führt. Er weist jedoch darauf hin, dass die etablierte und bewährte Nutzung von EU-Fördergeldern für die Grenzregionen zum Beispiel aus den Programmen der Europäischen Territorialen Zusammenarbeit (ETZ), Interreg oder EaSI auch über die jetzige Förderperiode hinaus unabdingbar ist, um die Kooperationen weiter zu verstetigen. Auch mittels transnationaler ESF-Projekte können grenzüberschreitende Belange der Beschäftigungsförderung (zum Beispiel Aus- und Weiterbildung, Lebenslanges Lernen, soziale und berufliche Integration, Mobilität, Wirtschafts- und Forschungskooperationen, Unterstützung der KMU) unmittelbar adressiert werden. Wachstum und Zusammenhalt in den EU-Grenzregionen werden so erlebbar und nachhaltig gestärkt. Dies erfordert jedoch auch zukünftig eine hinreichende Mittelausstattung im Rahmen des ESF.
- 9. Der Bundesrat spricht sich dafür aus, dass die ETZ als zentrales Werkzeug des gelebten Europagedankens sowie die weiteren Programme mit grenzüberschreitendem Charakter (zum Beispiel EaSI) in der neuen Förderperiode weiter gestärkt und mit einer angemessenen Finanzausstattung bedacht werden sollten. Darüber hinaus setzt er sich für eine umfassende Vereinfachung der Verwaltungsstrukturen zur Reduzierung der Hürden und administrativen Lasten für die Programmverwaltungen und die Begünstigten ein.
- 10. Er fordert die Bundesregierung auf, sich in diesem Sinne für den Erhalt von Interreg und der weiteren Programme mit grenzüberschreitendem Charakter wie zum Beispiel EaSI bei den Verhandlungen zur zukünftigen EU-Finanzplanung einzusetzen.
- 11. Der Bundesrat begrüßt außerdem die Bestrebungen der Kommission zur Unterstützung der Beschäftigung im Nachbarland. Er unterstützt eine stärkere Zusammenarbeit zwischen den öffentlichen Arbeitsverwaltungen in den Grenzregionen.
Zu den angekündigten Vorschlägen für eine europäische Arbeitsmarktbehörde behält er sich eine kritische Prüfung im Rahmen der Bundesratsberatung vor. Der Bundesrat fordert die Kommission und die Bundesregierung auf, die grenzüberschreitende Arbeitsvermittlung zu stärken sowie zu prüfen, inwieweit die Erschwernisse bei der grenzüberschreitenden Arbeitsvermittlung in den Grenzregionen, die sich aus den unterschiedlichen nationalen technischen Vermittlungsverfahren und Datenschutzbestimmungen ergeben, abgebaut werden können.
- 12. Er verweist auch auf die guten Erfahrungen mit einer strukturellen Verankerung und Verstetigung einer laufenden Raumbeobachtung der Grenzgebiete. Hier hat aktuell das Modellvorhaben der Raumordnung (MORO) "Raumbeobachtung Deutschland und angrenzende Regionen" dazu beitragen können, Defizite in Bezug auf die grenzüberschreitende Verfügbarkeit, Vergleichbarkeit und Harmonisierung von Datensätzen aufzuzeigen und Handlungserfordernisse zur Verbesserung eines grenzüberschreitenden Datenaustausches sichtbar zu machen. Nur durch die regelmäßige Bereitstellung harmonisierter Daten in hoher räumlicher Auflösung können langfristig Maßnahmen zur Stärkung der Grenzgebiete deutlich passgenauer entwickelt und gesteuert werden. Der Bundesrat bittet, diesen Aspekt auf europäischer Ebene zu berücksichtigen.
- 13. Der Bundesrat übermittelt diese Stellungnahme direkt an die Kommission.