Der Bundesrat hat in seiner 820. Sitzung am 10. März 2006 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
- 1. Der Bundesrat nimmt die Mitteilung der Kommission für die Frühjahrstagung des Europäischen Rates zur Kenntnis und stellt fest, dass die Mitteilung zwar eine Reihe zutreffender Feststellungen enthält, insgesamt jedoch hinter der von Kommissionspräsident Barroso herausgestellten Neuausrichtung der Lissabon-Strategie zurückbleibt. Er betont, dass konkrete Maßnahmen zur Umsetzung der Lissabon-Strategie von den einzelnen Mitgliedstaaten selbst unter Berücksichtigung sämtlicher nationaler relevanter Faktoren zu entwickeln sind.
- 2. Der Bundesrat bekräftigt in diesem Zusammenhang nachdrücklich seine im Hinblick auf die Umsetzung der Lissabon-Strategie gemachten Ausführungen zur Anwendung der offenen Methode der Koordinierung, zur Notwendigkeit der Beachtung der für den Bildungsbereich durch den EGV gesetzten Kompetenzgrenzen für das Handeln auf europäischer Ebene sowie zu den europäischen Durchschnittsbezugswerten (Benchmarks) im Bildungsbereich (vgl. BR-Drucksache 928/03(Beschluss) ), die gemäß den Ratsschlussfolgerungen vom 5. Mai 2003 - anders als von der Kommission dargestellt - keine Festlegung einzelstaatlicher Ziele bedingen und keine Entscheidungen vorgeben, die von den jeweiligen Regierungen getroffen werden müssen, sondern lediglich als Beitrag der Mitgliedstaaten zur Erzielung eines europäischen Durchschnittswerts zu sehen sind. Damit steht die von der Kommission in der Mitteilung vorgenommene Darstellung der Defizite in der Bildungsperformanz einiger Mitgliedstaaten im Widerspruch zu der bei der Einführung der Durchschnittsbezugswerte von den Bildungsministern erzielten Einigung.
- 3. Der Bundesrat bemängelt, dass die Mitteilung das Arbeitsprogramm "Bildung und Ausbildung 2010" als wichtigstes Instrument der EU-Bildungskooperation nur ungenügend, nämlich hauptsächlich im Hinblick auf die Kompatibilität der nationalen Reformpläne mit dem Arbeitsprogramm, würdigt, zu dessen Inhalt aber nur inhaltsleere Pauschalaussagen trifft. Der Bundesrat bedauert in diesem Zusammenhang, dass die Mitteilung in der Darstellung der europäischen Bildungszusammenarbeit auf wichtige Akzentsetzungen des erst unlängst fertig gestellten Gemeinsamen Zwischenberichts des Rates und der Kommission zur Umsetzung des Arbeitsprogramms "Bildung und Ausbildung 2010" für den Zeitraum 2004 bis 2005 (z.B. Eintritt in einen verstärkten Informations- und Erfahrungsaustausch durch "peerlearning"-Maßnahmen) verzichtet und somit ein völlig unzureichendes Bild der vielseitigen gemeinsamen Bemühungen vermittelt.
- 4. Die Kommission lässt in der Mitteilung offen, durch welches Maßnahmenbündel ihrer Ansicht nach "ein echter Durchbruch" erzielt werden kann, stellt in diesem Zusammenhang aber stark die Bedeutung einer Steigerung der Investitionen in den Bildungsbereich heraus. Der Bundesrat kann dem deutlich werdenden Kommissionsansatz, demzufolge eine Steigerung des Bildungsbudgets quasi automatisch eine Steigerung der Qualität des Bildungssystems nach sich ziehe, auch vor dem Hintergrund der Ergebnisse internationaler Vergleichsstudien nicht folgen. Der Bundesrat verweist auf die in allen deutschen Ländern laufenden Maßnahmen zur Steigerung und Sicherung der Qualität im Bildungswesen.
- 5. Der Bundesrat teilt die Auffassung der Kommission, dass Investitionen in Forschung und Innovation einen wesentlichen Faktor bei der Verwirklichung der Ziele von Lissabon darstellen. Er unterstützt nachdrücklich das Ziel, die Ausgaben für Forschung und Entwicklung auf 3 % des BIP sowohl auf EUEbene wie auch auf der Ebene der Mitgliedstaaten zu erhöhen. Er teilt ebenfalls die Auffassung, dass durch geeignete Maßnahmen die Industrie verstärkt zu Investitionen in Forschung und Entwicklung veranlasst werden muss. Er sieht jedoch in der mit dem "Bemühen um einen echten Durchbruch" verbundenen Vorgabe, bis zum Jahr 2010 mindestens 2 % des BIP für die Hochschulbildung bereitzustellen einen Eingriff in die den Mitgliedstaaten in Artikel 149 EGV ausdrücklich vorbehaltene Kompetenz zur Gestaltung ihrer Bildungssysteme. Der von der Kommission vorgenommene Vergleich zwischen den in den USA und der EU getätigten Investitionen in den Hochschulbereich vermittelt ein unzutreffendes Bild, da er im Fall der USA öffentliche und private Aufwendungen berücksichtigt, statt lediglich die Investitionen der öffentlichen Hand zueinander in Relation zu setzen. Auch der indirekte Hinweis auf die im amerikanischen System durchwegs erhobenen Studiengebühren behebt diesen Mangel nicht.
- 6. Die Hochschulen unternehmen bereits jetzt große Anstrengungen, um in Zusammenarbeit mit der Wirtschaft zusätzliche Mittel für ihre Aufgaben einzuwerben. Es liegt ausschließlich in ihrer Verantwortung, geeignete Instrumente - zu denen auch Technologietransferstellen gehören können - zu schaffen, um den Austausch von Wissen als Grundlage der Innovation zu begünstigen. Wie die Kommission darüber hinaus richtig feststellt, ist in Deutschland eine "Exzellenzinitiative" ins Leben gerufen worden, die gezielt Spitzenleistungen an den Hochschulen fördert.
- 7. Der Bundesrat ist von der Notwendigkeit, ein europäisches Technologieinstitut zu schaffen, derzeit nicht überzeugt. Eine Bewertung der Ergebnisse der von der Kommission veranlassten Konsultation liegt ebenso wenig vor, wie konkrete Planungen, die eine fundierte Stellungnahme erlauben. Der Bundesrat lehnt daher die Forderung nach Schaffung eines europäischen Technologieinstituts zum jetzigen Zeitpunkt ab und behält sich nach Vorliegen aussagekräftiger Informationen eine weitere detaillierte Stellungnahme vor.
- 8. Der Bundesrat stellt fest, dass die Kommission zwar eine verstärkte Berücksichtigung der Bereiche Bildung und Ausbildung bei der Vergabe von Strukturfondsmitteln in Aussicht stellt, diese jedoch in den ab 2007 in Kraft tretenden Verordnungen zu den Strukturfonds keinen ausreichenden Niederschlag findet.