Der Regierende Bürgermeister von Berlin Berlin, 10. April 2018
Der Staatssekretär - Wissenschaft und Forschung
An den Präsidenten des Bundesrates
Herrn Regierenden Bürgermeister
Michael Müller
Sehr geehrter Herr Präsident,
die Landesregierungen von Berlin, Brandenburg, Bremen, Hessen, Thüringen haben beschlossen, dem Bundesrat die als Anlage beigefügte Entschließung des Bundesrates - Mehr Sicherheit beim Abbiegevorgang von Nutzfahrzeugen durch Abbiegeassistenzsysteme zuzuleiten.
Ich bitte Sie, die Vorlage gemäß § 36 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates auf die Tagesordnung der 967. Sitzung des Bundesrates am 27. April 2018 zu setzen und sie anschließend den zuständigen Ausschüssen zur Beratung zuzuweisen.
Mit freundlichen Grüßen
Steffen Krach
Entschließung des Bundesrates - Mehr Sicherheit beim Abbiegevorgang von Nutzfahrzeugen durch Abbiegeassistenzsysteme
Der Bundesrat möge folgende Entschließung fassen:
- 1. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, sich gegenüber der EU-Kommission und der Wirtschaftskommission für Europa der Vereinten Nationen (UNECE) noch intensiver als bisher dafür einzusetzen, dass in den Typgenehmigungsvorschriften schnellstmöglich sicherheitswirksame technische Einrichtungen (Abbiegeassistenzsysteme) nach dem Stand der Technik bei Nutzfahrzeugen ab 7,5 t zulässigem Gesamtgewicht verpflichtend vorgeschrieben werden, die Radfahrende oder zu Fuß Gehende im direkten Umfeld eines Nutzfahrzeugs erkennen und den Fahrzeugführenden akustisch, optisch, taktil oder in sonstiger Weise warnen und bei Bedarf eine Notfallbremsung einleiten.
- 2. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, sich bei der EU-Kommission und der UNECE dafür einzusetzen, dass für alle im Verkehr befindlichen Nutzfahrzeuge ab 7,5 t zulässigem Gesamtgewicht eine Nachrüstpflicht für Abbiegeassistenzsysteme vorgeschrieben wird.
- 3. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, Investitionen in Abbiegeassistenzsysteme für Nutzfahrzeuge ab 7,5 t zulässigem Gesamtgewicht beispielsweise im Rahmen des De-Minimis-Programms verstärkt zu fördern, um die Marktdurchdringung der Systeme zu verbessern und damit die Verkehrssicherheit insbesondere in urbanen Räumen zu erhöhen.
- 4. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, sich gegenüber den deutschen Versicherern dafür einzusetzen, dass diese für Nutzfahrzeuge mit Abbiegeassistenzsystemen geeignete Rabatte bei der Versicherung gewähren, um auch dadurch die Investitionsbereitschaft des Güterkraftverkehrsgewerbes zu erhöhen.
Begründung:
Gerade die jüngste Vergangenheit hat gezeigt, dass es nach wie vor immer wieder zu schwerwiegenden Unfällen unter Beteiligung von schweren Nutzfahrzeugen und ungeschützten Verkehrsteilnehmern wie Radfahrenden oder zu Fuß Gehenden kommt, oft mit tödlichem Ausgang. Insbesondere größere Städte, wie Berlin, sind von Abbiegeunfällen Nutzfahrzeug/Fahrrad überdurchschnittlich stark betroffen. So ereignete sich in Berlin im Januar dieses Jahres erneut ein tödlicher Verkehrsunfall mit einer Radfahrenden durch einen rechtsabbiegenden Lastkraftwagen. Insofern stellen rechtsabbiegende Lkw im innerstädtischen Bereich für Radfahrende oder zu Fuß Gehende eine erhebliche Gefährdung dar. Dabei können dem Stand der Technik entsprechende Abbiegeassistenzsysteme, die diese ungeschützten Verkehrsteilnehmer im direkten Umfeld eines Nutzfahrzeugs erkennen und den Fahrzeugführenden warnen, zur Verbesserung der Verkehrssicherheit im innerstädtischen Bereich beitragen.
Denn die Praxis zeigt leider, dass die bisherigen Maßnahmen zur Verbesserung der rückwärtigen Sicht insgesamt noch immer nicht ausreichen, Abbiegeunfälle zwischen Nutzfahrzeugen und Radfahrenden oder zu Fuß Gehenden zu verhindern. Gestützt auf eine Studie der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) aus 2016 schätzt die Unfallforschung der Versicherer (UDV), dass etwa ein Drittel der jährlich im Straßenverkehr getöteten Radfahrenden Opfer von Abbiegeunfällen werden. Dabei habe die Auswertung gezeigt, dass die Schuld selten die Radfahrenden tragen. Die meisten Unfälle passieren an Ampelkreuzungen - während die Radfahrenden Grün haben. Damit sieht der UDV die Annahme widerlegt, vor allem besonders schnelle oder rüpelhafte Radfahrende würden in solche Unfälle verwickelt. Vielmehr sind es die Lkw-Fahrer, die bei den Abbiegevorgängen besser aufpassen müssen. In diesem Bereich besteht also dringender Handlungsbedarf.
Die Einführung von Fahrerassistenzsystemen, die den Fahrzeugführenden vor Radfahrenden oder zu Fuß Gehenden in der Gefahrenzone während des Abbiegevorgangs akustisch, optisch, taktil oder in sonstiger Weise warnen und bei ausbleibender Reaktion selbstständig den Bremsvorgang einleiten, würde erheblich zur Verbesserung der Verkehrssicherheit im Straßenverkehr beitragen und sich positiv auf das Unfallgeschehen zwischen rechtsabbiegenden Lkw und ungeschützten Verkehrsteilnehmern auswirken.
Allerdings steht das Güterkraftgewerbe möglichen Investitionen in Abbiegeassistenzsysteme bisher eher verhalten gegenüber. Komplementär zur Anordnung wird deshalb eine gezielte Förderung empfohlen, um die Investitionsbereitschaft des Güterkraftverkehrsgewerbes zu erhöhen und die Marktdurchdringung der Systeme zu verbessern. Das Programm der Bundesregierung zur Förderung der Sicherheit und Umwelt in Unternehmen des Güterkraftverkehrs mit Nutzfahrzeugen ab 7,5 t zulässigem Gesamtgewicht (De-Minimis) zielt unter anderem darauf, die Sicherheit im Straßengüterverkehr dauerhaft zu erhöhen. Gefördert werden dabei auch der Erwerb von Ausrüstungsgegenständen, wobei sich die Förderung an Güterkraftverkehrsunternehmen richtet, die Eigentümer oder Halter von in Deutschland zum Verkehr auf öffentlichen Straßen zugelassenen schweren Nutzfahrzeugen sind. Darüber hinaus könnte auch von den deutschen Versicherern die Investitionsbereitschaft des Güterkraftverkehrsgewerbes durch entsprechende Rabatte bei der Versicherung der Nutzfahrzeuge stimuliert werden.