Der Bundesrat hat in seiner 840. Sitzung am 20. Dezember 2007 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
- 1. Der Bundesrat begrüßt die Mitteilung der Kommission vom 3. Oktober 2007 zur Partnerschaft für die Kommunikation über Europa und insbesondere die darin enthaltenen Ankündigungen, regionale und lokale Akteure stärker als bisher einbeziehen und aktiven europäischen Bürgersinn auf allen Ebenen stärken zu wollen.
- 2. Der Bundesrat begrüßt grundsätzlich den mit der Mitteilung der Kommission zur Partnerschaft für die Kommunikation in Europa verbundenen Impuls für eine erweiterte Kommunikationsstrategie unter Wahrung der Autonomie der einzelnen Institutionen und der Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten.
- 3. Der Bundesrat teilt die Auffassung der Kommission, dass die frühzeitige Vermittlung von Wissen über die europäische Einigung an die Jugend einen besonderen Schwerpunkt einnimmt.
- 4. Er wendet sich jedoch nachdrücklich gegen Vorgaben zur Schulorganisation, zu den Curricula oder den Lehrinhalten und fordert die in Artikel 149 und 150 EGV verankerte strikte Beachtung der alleinigen Verantwortung der Mitgliedstaaten für die Inhalte und Organisation der Bildungssysteme.
- 5. Der Bundesrat teilt die Einschätzung der Kommission, dass die Debatte über Europa über die Institutionen hinaus zu den Bürgern und Bürgerinnen getragen werden muss.
- 6. Die audiovisuellen Medien, aber auch die Presse, spielen eine herausragende Rolle, wenn es darum geht, Europa den Bürgern und Bürgerinnen nahe zu bringen. Aufgrund ihrer Verankerung vor Ort sind sie besonders geeignet, die konkreten Auswirkungen europäischer Initiativen anschaulich zu schildern und die Bürger und Bürgerinnen über Möglichkeiten der Beteiligung zu informieren. Der Bundesrat hält es daher für wünschenswert, dass die Medien stärker als bisher über Europa berichten. Er sieht hier vor allem auch den öffentlichrechtlichen Rundfunk im Rahmen seines Auftrags zur Grundversorgung der Bürger und Bürgerinnen gefordert. Der europäischen Integration und der Berichterstattung über europäische Themen im Programm der Rundfunkanstalten wird schon jetzt eine besondere Bedeutung beigemessen (§ 11 Abs. 2 RStV und § 19 Abs. 2 Satz 2 RStV).
- 7. Der Bundesrat fordert, die Trennung zwischen Staat und Medien und die Unabhängigkeit der Redaktionen strikt zu wahren. Der Bundesrat hat daher erhebliche Bedenken gegen die Kofinanzierung von Hörfunk- und Fernsehprogrammen durch staatliche Stellen und das Angebot von mehrjährigen Verträgen an Sendernetze. Jegliche finanzielle Beteiligung an Programmen begründet die Gefahr staatlicher Einflussnahme, die sich auch durch eine verbindliche Redaktionscharta nicht vollständig ausräumen lässt. Die Staatsferne des Rundfunks zählt zu den Grundpfeilern der freiheitlich demokratischen Grundordnung in Deutschland, die nicht angetastet werden darf.
- 8. Der Bundesrat erkennt an, dass vor allem kleinere Sender aus eigener Kraft möglicherweise nicht in der Lage sind, eine angemessene Berichterstattung über Europa sicherzustellen. Der Bundesrat unterstützt daher die Kommission, soweit sie die Sender auf europäischer Ebene zur Vernetzung ermutigt.
- 9. Der Bundesrat befürwortet auch das Vorhaben der Kommission, verstärkt Informations-, Bildungs- und Unterhaltungsmaterial über europäische Themen bereitzustellen - soweit und solange Art und Umfang der Verwendung allein in der Entscheidung der audiovisuellen Mediendiensteanbieter verbleiben. Auch die Verdoppelung der Übertragungskapazität von "Europe by Satellite" (EBS) ist geeignet, Europa dem Bürger und der Bürgerin zugänglicher zu machen.
- 10. Ausbau und Intensivierung der gemeinschaftlichen Informationsangebote durch die Kommission dürfen jedoch nicht dazu führen, den Zugang audiovisueller Mediendiensteanbieter zu gemeinschaftlichen Informationen und Veranstaltungen zu beschränken.
- 11. Der Bundesrat hält es für notwendig, verständliche Informationen über die EU in der jeweiligen Landessprache zu vermitteln. Angesichts der Tatsache, dass Deutsch die am meisten gesprochene Muttersprache in der EU ist, sollten alle wichtigen Dokumente der europäischen Institutionen und insbesondere die im Internet-Portal der EU für die Öffentlichkeit verbreiteten Informationen uneingeschränkt auch in deutscher Sprache zur Verfügung stehen. Die Bundesregierung wird gebeten, gegenüber den europäischen Institutionen ebenfalls auf eine uneingeschränkte Verwendung der deutschen Sprache verstärkt hinzuwirken.
- 12. Die vorgesehene Koordinierung der Kommunikationsaktivitäten auf Seiten der EU-Institutionen erfordert entsprechende Organisationsstrukturen mit gleichberechtigten Akteuren der Mitgliedstaaten, insbesondere auch auf deutscher Seite. Der Bundesrat hält es für notwendig, dass die europäischen Institutionen, der Bund und die Länder ihre diesbezüglichen Aktivitäten frühzeitig miteinander abstimmen und kooperieren. Eine Beteiligung der Länder an der Verwaltungspartnerschaft des Bundes mit der Kommission ist hier ein wichtiger Schritt. Der Bundesrat hält es darüber hinaus für notwendig, die Länder an den geplanten neuen Strukturen der Zusammenarbeit ("nationale Kommunikationsdirektoren") zu beteiligen.
- 13. Der Bundesrat hält die Forderung an die Kommission aufrecht, die Verfahren im Rahmen der so genannten "strategischen Partnerschaften" deutlich transparenter und einfacher zu gestalten, damit alle Länder eine solche Partnerschaft unproblematisch eingehen können und der Mitteleinsatz erleichtert wird. Die Kommission wird gebeten, auf eine Vereinfachung der EU-Haushaltsregeln hinzuwirken, um den Verwaltungsaufwand bei den Ländern bei gemeinsam finanzierten Kommunikationsaktivitäten zu minimieren und eine bessere Einbeziehung der Zivilgesellschaft zu ermöglichen.
- 14. Mit dem zur Ratifikation anstehenden EU-Reformvertrag wird die Rolle des Europäischen Parlaments weiter gestärkt, so dass die Wahlen zum Europäischen Parlament in ihrer Bedeutung für die Bürgerinnen und Bürger wachsen. Der Bundesrat betont daher die Notwendigkeit, im Wege der Information und Kommunikation möglichst frühzeitig für eine hohe Beteiligung der Bürger und Bürgerinnen an den Europawahlen im Juni 2009 in Deutschland zu werben.