989. Sitzung des Bundesrates am 15. Mai 2020
A
Der Verkehrsausschuss empfiehlt dem Bundesrat, die Entschließung nach Maßgabe der folgenden Änderungen zu fassen:
1. Zu Nummer 1
Nummer 1 ist wie folgt zu fassen:
"1. Der Bundesrat hält eine Begrenzung der Geräuschemissionen von Motorrädern auf den bestehenden Geräuschgrenzwert in allen Fahrzeugständen (Real Driving Sound Emissions), der für alle Neufahrzeuge über alle Betriebszustände einzuhalten ist, für notwendig. Er bittet die Bundesregierung, die dazu erforderlichen Arbeiten auf EU-Ebene und in der internationalen Arbeitsgruppe in der Wirtschaftskommission für Europa der Vereinten Nationen (UNECE) in diesem Sinne fortzuführen. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung außerdem, die geplante Änderungsverordnung zur Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) zur Anpassung der Geräuschvorschriften für die Genehmigung von Einzelfahrzeugen an die Typgenehmigungsanforderungen der EU bzw. UNECE, die bereits Ende 2019 in der Länderanhörung war, schnellstmöglich zu erlassen."
Begründung (nur gegenüber dem Plenum):
Das Geräuschverhalten von Autos und Motorrädern ist in EU-Vorschriften und internationalen Regelungen (UN-Regeln) geregelt. Das BMVI setzt sich seit Jahren in den internationalen Gremien der EU und der Wirtschaftskommission für Europa der Vereinten Nationen (UNECE) dafür ein, dass Schlupflöcher in den Typprüfvorschriften geschlossen werden. Ziel ist es, die Prüfvorschriften so zu gestalten, dass die Fahrzeuge nicht nur bei der Typprüfung, sondern auch im realen Fahrgeschehen leiser werden (Real Driving Sound Emissions).
Das BMVI fordert dazu in den internationalen Gremien umfangreiche Änderungen in den Typprüfvorschriften.
Die Festlegung auf einen Grenzwert erscheint zum jetzigen Zeitpunkt verfrüht, zumal für schwere Motorräder mit 77 Dezibel (A) schon jetzt ein geringerer Geräuschgrenzwert gilt, als in der Entschließung des Landes Nordrhein-Westfalen gefordert wird.
Folgende Änderungen in den UN-Vorschriften sind bereits umgesetzt:
- - Die Prüfung zusätzlicher Geräuschanforderungen für leistungsstarke Motorräder erfolgt künftig nicht mehr durch den Hersteller selbst, sondern durch eine neutrale Stelle.
- - Die Arbeiten zum deutschen Vorschlag zur Änderung der UN-Regelung 92 für Motorradaustauschschalldämpfer wurden Ende 2018 abgeschlossen. Die geänderte Regelung ist im Oktober 2019 in Kraft getreten. Die Änderung führt dazu, dass Klappenschalldämpfer mit Laut-/Leise-Umschaltung künftig nicht mehr genehmigungsfähig sein werden. Dies wird zu einer Reduzierung der Realgeräuschemissionen führen, da diese Schalldämpfer in den letzten Jahren bei einigen Motorradfahrergruppen immer beliebter wurden.
Die Anforderungen der StVZO zum Geräuschverhalten für die Genehmigung von Einzelfahrzeugen sind aktuell nicht auf demselben Stand wie die Typgenehmigungsanforderungen der EU. Bei der Genehmigung von Einzelfahrzeugen gelten zwar dieselben Geräuschgrenzwerte, aber erweiterte Anforderungen zum Geräuschverhalten insbesondere schwerer Motorräder im Typgenehmigungsverfahren, die auf eine Begrenzung der Geräuschemissionen im realen Fahrbetrieb abzielen, gelten national noch nicht. Diese Schlupflöcher, die zu höheren Geräuschemissionen im Realbetrieb führen, müssen dringend geschlossen werden.
2. Zu Nummern 4 - neu -
Folgende Nummer ist anzufügen:
"4. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, Motorsteuerungen an Motorrädern zu verbieten, die individuell vom Fahrer einstellbare Soundkulissen ("Sound-Design") ermöglichen und durch welches störende und belästigende Geräusche erzeugt werden können. In diesem Zusammenhang bittet der Bundesrat die Bundesregierung sich dafür einzusetzen, dass die Möglichkeiten des "Sound-Designs" genutzt werden, um Lärmemissionen zu reduzieren.
Begründung (nur gegenüber dem Plenum):
Prüfungen werden im Rahmen des Typgenehmigungsverfahrens und während der Produktion (Conformity of Production: CoP) durchgeführt. Von Herstellern werden teilweise ab Werk Motorsteuerungen an Motorrädern eingebaut, durch die sich die Geräuschemissionen bei der Typgenehmigung und unter späteren realen Fahrbedingungen im öffentlichen Verkehr unterscheiden können.
3. Zu Nummer 5 - neu -
Folgende Nummer ist anzufügen:
"5. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, den Umstieg auf nachhaltige und lärmarme Mobilität in Form von lärmarmen Motorrädern mit alternativen Antriebstechniken wie den Elektroantrieb zu unterstützen."
Begründung (nur gegenüber dem Plenum):
Motorräder haben zwar ein geringes Aufkommen am Gesamtverkehr, jedoch werden sie aufgrund der oft hohen Lautstärken und dem speziellen Klangcharakter häufig als besonders störend wahrgenommen. Die Lärmpegel beispielsweise bei Elektromotorrädern liegen im Vergleich zu fossil angetriebenen Motorrädern deutlich niedriger. Folglich ist eine spürbare Abnahme der Lärmbelastung in der Bevölkerung zu erwarten.
4. Zu Nummer 6 - neu -
Folgende Nummer ist anzufügen:
"6. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung sich für wirksame Messverfahren einzusetzen, um die rechtlichen, technischen und personellen Kontrollmöglichkeiten bei offensichtlich überlauten Motorrädern auszuweiten."
Begründung (nur gegenüber dem Plenum):
Bei anlassbezogenen Kontrollen des fließenden Verkehrs stehen vor allem die Auspuffanlagen im Fokus. Mittels Standgeräuschmessung kann geprüft werden, ob unzulässige Manipulationen vorgenommen wurden. Allerdings lässt diese Messung nur bedingt Rückschlüsse auf andere relevante Betriebszustände zu. Aus Gründen der Verhältnismäßigkeit wäre eine vereinfachte Fahrgeräuschprüfung "Geräuschmessung light" eine Möglichkeit, Motorräder oder Motorroller im Rahmen von Verkehrskontrollen umfassender zu überprüfen. Durch diese Messung könnte die Polizei vor Ort unkompliziert und mit relativ geringem Aufwand neben dem Standgeräusch, einen weiteren Betriebszustand des Fahrzeuges erfassen und somit die Aussagekraft der Prüfung erhöhen. Eine Fahrzeugstilllegung an Ort und Stelle muss die Konsequenz einer nachgewiesenen Manipulation sein.
5. Zu Nummer 7 - neu -
Folgende Nummer ist anzufügen:
"7. Der Bundesrat sieht dringenden Handlungsbedarf, für besondere Konfliktfälle Geschwindigkeitsbeschränkungen und zeitlich beschränkte Verkehrsverbote an Sonn- und Feiertagen aus Gründen des Lärmschutzes zu ermöglichen. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, die hierzu einschlägigen Regelungen anzupassen. Motorräder mit alternativen Antriebstechniken wie beispielsweise Elektroantrieb sollten von möglichen Verkehrsverboten ausgenommen werden."
Begründung (nur gegenüber dem Plenum):
Die Anordnung von Beschränkungen und Verboten des fließenden Verkehrs (verkehrsrechtliche Maßnahmen) aus Gründen des Lärmschutzes setzt voraus, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des § 45 Absatz 9 Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) vorliegen. Danach dürfen entsprechende Maßnahmen "nur angeordnet werden, wenn auf Grund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage besteht, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung erheblich übersteigt".
Bei verkehrsrechtlichen Maßnahmen zum Schutz vor Lärm erfolgt die Beurteilung der Lärmsituation anhand jahresbezogener Mittelungspegel. Lärmspitzen durch Motorräder werden so nicht erfasst und können daher als Begründung für verkehrsrechtliche Maßnahmen wie beispielsweise Geschwindigkeitsbeschränkungen oder zeitlich beschränkte Verkehrsverbote zum Beispiel an Sonn- und Feiertagen nicht herangezogen werden.
6. Zu Nummer 8 - neu -
Folgende Nummer ist anzufügen:
"8. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, eine Lösung zu finden, damit "Raser" oder "Belästiger" einer Strafe nicht entgehen können. Motorradfahrer sind aufgrund der Helmpflicht und eines fehlenden Frontkennzeichens am Motorrad nicht zu identifizieren und können somit bei einem Verstoß nicht belangt werden."
7. Zu Nummer 9 - neu -
Folgende Nummer ist anzufügen:
"9. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, die Möglichkeit der Einführung einer Regelung zur unmittelbaren Haftung, bei der das Schuldprinzip nicht zur Anwendung kommt, unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten zu prüfen (Halterhaftung)."
Begründung (nur gegenüber dem Plenum):
Die Haftung des Halters könnte auf eine Kostentragungspflicht beschränkt werden. Eine solche Halterkostenhaftung würde die Ausdehnung des § 25a des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) auf den fließenden Verkehr bedeuten. Halterinnen und Halter müssten demnach auch bei Verstößen im fließenden Verkehr zumindest die Kosten des Verfahrens tragen. Somit werden die Halterin oder der Halter nicht bestraft, sind aber verpflichtet, die Verwaltungsgebühren für die Erstellung des Bußgeldbescheides zu tragen.
8. Zu Nummer 10 - neu -
Folgende Nummer ist anzufügen:
"10. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, die Führung eines Fahrtenbuchs nach Rechtsverstößen nicht ermittelbarer Fahrer verpflichtend einzuführen. Ein Fahrtenbuch dient der Sensibilisierung und Datengewinnung, um bei mehrfachen Verstößen von einzelnen Motorradfahrern reagieren zu können."
B
9. Der federführende Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit, der Ausschuss für Fragen der Europäischen Union, der Gesundheitsausschuss, der Ausschuss für Innere Angelegenheiten, der Rechtsausschuss und der Wirtschaftsausschuss empfehlen dem Bundesrat, die Entschließung zu fassen.