857. Sitzung des Bundesrates am 3. April 2009
A.
Der Finanzausschuss (Fz), der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (U) und der Wirtschaftsausschuss (Wi) empfehlen dem Bundesrat, zu der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG wie folgt Stellung zu nehmen:
- 1. Der Bundesrat weist darauf hin, dass eine kurzfristige konjunkturstützende Wirkung des Programms nicht [ausreichend] erkennbar ist.
- 2. Er hat erhebliche Bedenken gegenüber dem von der Kommission vorgeschlagenen Programm zur Konjunkturbelebung und bittet die Bundesregierung, im Verlauf der weiteren Verhandlungen in den Gremien der EU auf eine grundlegende Überarbeitung des Programms hinzuwirken.
- 3. Das Konjunkturbelebungsprogramm enthält nur wenige Elemente, die für die Bundesrepublik Deutschland von besonderem Interesse sind. Gleichwohl trägt der deutsche Steuerzahler mit 20 Prozent die Hauptlast an der Finanzierung des vorgesehenen Investitionsvolumens.
- 4. Im Einzelnen sieht der Bundesrat folgende Kritikpunkte:
- 5. Die Kommission ist bislang den Nachweis schuldig geblieben, dass in ihrem Vorschlag das Kriterium des Konjunkturimpulses erfüllt ist. Dies ist jedoch eine notwendige Voraussetzung, um die Inanspruchnahme von Gemeinschaftsmitteln für öffentliche Investitionen zu rechtfertigen. Bei einem vorgesehenen Gesamtvolumen von 3,5 Mrd. Euro ist für das Jahr 2009 lediglich ein Mittelabfluss von 75 Mio. Euro vorgesehen. Da nach derzeitiger Planung weitere Zahlungen bis ins Jahr 2015 erfolgen sollen, dürfte von dem Konjunkturprogramm eine nicht erwünschte prozyklische Wirkung ausgehen.
- 6. Im Sinne der Zielsetzung des Programms zur kurzfristigen konjunkturstützenden Wirkung und zur Verbesserung der Ausgewogenheit bittet der Bundesrat die Bundesregierung, sich für eine Ergänzung des Programms um Vorhaben zur Energieeffizienzsteigerung, insbesondere bei der Energiegewinnung und im Gebäudebereich, einzusetzen, von denen auch die mittelständische Wirtschaft in größerem Maße profitiert.
- 7. Für marktgetriebene Investitionen bedarf es keines speziellen Konjunkturprogramms. Hierzu besteht ohnehin die Möglichkeit einer flankierenden Unterstützung durch die Europäische Investitionsbank EIB oder die Strukturfonds.
- 8. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung sicherzustellen, dass bei Inkrafttreten des Programms ein Anknüpfen an bestehende nationale Förderprogramme gewährleistet ist und Parallelstrukturen vermieden werden.
- 9. Es wird angeregt, dass zum einen das Kumulierungsverbot für Fördermittel auf EU-Ebene aufgehoben wird, zum anderen sollte es eine Fördermittelzusage auch für Ausgaben nach 2010 geben können.
- 10. Der Bundesrat spricht sich gegen eine Änderung der Finanziellen Vorausschau bzw. gegen eine Aufstockung des EU-Haushalts zur Finanzierung des Programms aus. Er wendet sich ebenso gegen eine Nutzung der Marge der Rubrik 2 aus 2008.
- 11. Die im Nachgang des russischukrainischen Gaskonflikts überarbeitete Liste für Energieprojekte klammert die von deutscher Seite als prioritär eingestuften Leitungsbauten wie etwa die Ostseepipeline und entsprechende Anbindungsleitungen in Deutschland aus.
- 12. Vor dem Hintergrund der bestehenden Herausforderungen (Abschwung der europäischen Wirtschaft, Defizite bei der Energieversorgungssicherheit, Treibhausgasemissionen) begrüßt der Bundesrat, dass die Kommission den Neu- und Ausbau der Energienetze, den Ausbau der Offshore-Windenergie und die Förderung der Kohlenstoffabscheidung und -speicherung unterstützen will. Der Bundesrat spricht sich in Übereinstimmung mit der Kommission grundsätzlich dafür aus, Investitionen in Energienetze, die Offshore-Windenergie und die Kohlenstoffabscheidung und -speicherung zu fördern.
- 13. Der Bundesrat hält die Auswahl der förderfähigen Projekte für problematisch. Es ist zu erwarten, dass ein Teil der vorgeschlagenen Projekte einen wesentlichen Zweck des Konjunkturprogramms, dem Abschwung der europäischen Wirtschaft entgegenzuwirken, nicht erfüllen kann. Beispielsweise wird es als unwahrscheinlich eingeschätzt, dass für Projekte, deren Realisierung zum jetzigen Zeitpunkt völlig offen ist (z.B. NABUCCO-Pipeline), die bereitgestellten Mittel im Sinne der Verordnung bereits in den Jahren 2009 und 2010 eingesetzt werden können.
- 14. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung darauf hinzuwirken, dass die im Anhang zur vorgeschlagenen Verordnung unter A bis C aufgeführten Projektlisten aktualisiert werden. Die in dem Anhang zur Vorlage aufgeführten Projektlisten erscheinen abschließend. Es ist jedoch davon auszugehen, dass der Kommission weitere Vorhaben gemeldet wurden bzw. werden, deren Aufnahme in den Anhang zur Vorlage ebenfalls gerechtfertigt sein kann.
- 15. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, sich in den weiteren Beratungen des Vorschlags dafür einzusetzen, dass im Anhang "Förderfähige Projekte" unter C Projekte zur Kohlenstoffabscheidung und -speicherung "Wilhelmshaven" als weiterer Projektname/Standort eingefügt wird.
- 16. Der Bundesrat hält die strategischen Überlegungen der Kommission zum Nordsee-Offshorenetz für problematisch. Mit dem aktuell vorgelegten Verordnungsvorschlag zur Konjunkturbelebung und den darin enthaltenen Budgetansätzen für ein Nordseenetz ist nicht zu erkennen, wie ein solches Projekt in Gänze finanziert werden soll. Der geplante Beitrag der Gemeinschaft in Höhe von 150 Mio. Euro für die Jahre 2009 und 2010 und darüber hinaus, verteilt auf die Nordseeanrainerländer, kann lediglich eine geringfügige Anschubfinanzierung sein. Offen bleibt die weitere Finanzierung eines derartigen Projektes. Bereits die direkten Kabelanbindungen der Offshore-Windparks an das binnenländische Stromnetz führen zu hohen Netzanbindungskosten, die auf die Stromverbraucher umgelegt werden müssen. Es ist nicht sinnvoll, der Industrie und sonstigen Stromverbrauchern weitere Kosten für zusätzliche seeseitige Verbundnetze aufzubürden, ohne dass erkennbare Kosteneinsparungen beim landseitigen Netzausbau erreicht werden.
- 17. Auch ist nicht nachvollziehbar, weshalb bei der Förderung eine Gleichsetzung von Projekten mit kommerziellem Charakter (Gas- und Stromleitungen) mit solchen, die eher Forschungszwecken beziehungsweise der industriellen Entwicklung dienen (Offshore-Wind und CO₂-Abscheidung- und -lagerung (CCS)), vorgesehen ist. Hierbei sollte auch bedacht werden, dass die überwiegend transeuropäischen Trassen sich der sonst üblichen Regulierung entziehen. Gerade deshalb ist darauf zu achten, dass der wirtschaftliche Vorteil aus der Förderung auch beim Verbraucher ankommt.
- 18. Um Mitnahmeeffekte zu vermeiden, fordert der Bundesrat, dass die EU den Investoren zur Realisierung der kommerziellen Leitungsvorhaben keine nichtrückzahlbaren Fördergelder, sondern lediglich Darlehen zur Verfügung stellt. Auf diesem Wege ließe sich gleichfalls ein beschleunigter Netzausbau realisieren.
- 19. Der Bundesrat lehnt eine zusätzliche Belastung der Länderhaushalte ab.
- 20. Er verweist auf seine Stellungnahme vom 6. März 2009 (BR-Drucksache 117/09(B) ), in der er eine zusätzliche Belastung der Länderhaushalte in Hinblick auf den Teilbereich "Finanzierung der Breitbandinfrastruktur und neuen Herausforderungen gemäß Health Check" abgelehnt hat.
B.
- 21. Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union empfiehlt dem Bundesrat, von einer Stellungnahme gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG zu der Vorlage abzusehen.
Begründung
Der Europäische Rat hat sich bereits am 20. März 2009 auf das der Vorlage zugrunde liegende "5-Mrd.-Euro-Programm" mit Modifikationen abschließend verständigt.
Mit den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates ist damit die Behandlung der Vorlage auf EU-Ebene dem Grunde nach abgeschlossen, sodass von einer Stellungnahme des Bundesrates abgesehen werden kann.