Der Bundesrat hat in seiner 847. Sitzung am 19. September 2008 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
- 1. Der Bundesrat nimmt zur Kenntnis, dass sich die Kommission ausführlich mit der gemeinsamen Einwanderungspolitik befasst hat, und nutzt die Gelegenheit, zu den zehn Punkten der Mitteilung wie folgt Stellung zu nehmen:
- 2. Wohlstand und Einwanderung: Klare Regeln und gleiche Bedingungen Der Bundesrat teilt die Auffassung der Kommission, dass es Ziel der gemeinsamen Einwanderungspolitik sein sollte, eine legale Einwanderung zu fördern, die klaren, transparenten und fairen Regeln unterliegt. Er ist aber entgegen der Kommission keineswegs der Auffassung, dass der Rechtsstatus von Drittstaatsangehörigen dem der Unionsbürger anzugleichen ist. Eine Rechtsangleichung bietet den Mitgliedstaaten keine Vorteile, zieht aber - zum Beispiel im Hinblick auf ggf. notwendige Aufenthaltsbeendigungen bei Drittstaatsangehörigen - erhebliche Probleme nach sich. Gerade im Hinblick auf die vielen Fallgestaltungen, unter denen Drittstaatsangehörige in die EU einreisen, muss es möglich bleiben, zu unterschiedlichen Behandlungen zu kommen.
- 3. Wohlstand und Einwanderung: Besserer Ausgleich zwischen Qualifikationen und Bedarf
- - Im Rahmen der Lissabon-Strategie sollte die Einwanderung aus wirtschaftlichen Gründen einer gemeinsamen bedarfsorientierten Einschätzung der Arbeitsmärkte in der EU unter Berücksichtigung aller Qualifikationsniveaus und Sektoren Rechnung tragen, um die wissensbasierte Wirtschaft Europas voranzubringen, das Wirtschaftswachstum zu fördern und den Arbeitsmarkterfordernissen gerecht zu werden.
- - Der Bundesrat begrüßt, dass die Kommission das Recht der Mitgliedstaaten festzulegen, wie viele Drittstaatsangehörige aus Drittländern in ihr Hoheitsgebiet einreisen dürfen, ausdrücklich anerkennt. Der Bundesrat weist aber daraufhin, dass es gerade kein Recht eines Drittstaatsangehörigen gibt, einzureisen und sich im Bereich der Mitgliedstaaten aufzuhalten.
- - Der Bundesrat steht der Erstellung nationaler "Einwanderungsprofile" skeptisch gegenüber. Dabei handelt es sich um ein ergänzendes Mittel zur Erhebung von statistischen Daten, das neue bürokratische Hürden schafft und dessen Ergebnisse fragwürdig sind, zumal diese sehr schnell veraltet sein dürften. Gerade dieser Gesichtspunkt lässt es aussichtslos erscheinen, von solchen nationalen "Momentaufnahmen" später einen aussagekräftigen und vor allen Dingen aktuellen Gesamtüberblick über die Einwanderungssituation in den einzelnen Mitgliedstaaten zu erhalten.
- 4. Wohlstand und Einwanderung: Integration ist der Schlüssel für eine erfolgreiche Einwanderung Der Bundesrat begrüßt, dass der Grundsatz des "Förderns und Forderns" Eingang in das Papier der Kommission gefunden hat und somit zum Ausdruck kommt, dass Integration sowohl Maßnahmen der Mitgliedstaaten als auch einen eigenen Beitrag der Einwanderer erfordert. Für die Integration legaler Zuwanderer in Staat, Gesellschaft, Arbeitsleben und Kultur sind verlässliche Rahmenbedingungen ebenso notwendig wie die eigene Bereitschaft, bestehende Integrationsangebote anzunehmen. Integration ist keine Einbahnstraße, sondern ein gegenseitiges Geben und Nehmen.
Der Bundesrat geht davon aus, dass die maßgebende Zielgruppe der Integrationspolitik ausschließlich die Ausländerinnen und Ausländer umfasst, die sich dauerhaft und rechtmäßig in den Mitgliedstaaten aufhalten.
- 5. Solidarität und Einwanderung: Transparenz, Vertrauen und Zusammenarbeit Der Bundesrat unterstützt die Zielsetzung einer vertrauensvollen Zusammenarbeit aller Mitgliedstaaten. Die letztlich mit diesem Punkt angestrebten intensivierten statistischen Verfahren dürfen jedoch keinesfalls zu einem weiteren Anstieg des EU-Personals führen.
- 6. Solidarität und Einwanderung: Effiziente und kohärente Verwendung der verfügbaren Mittel Der Bundesrat begrüßt die Absicht der Kommission, den Grundsatz der wirtschaftlichen Haushaltsführung zu effektivieren und Überschneidungen bei der Mittelvergabe zu verhindern. Anders als die Kommission, sieht es der Bundesrat aber nicht als ausreichend an, durch finanzielle Mittel der besonderen Lage der Außengrenzen bestimmter Mitgliedstaaten und den besonderen Migrationsproblemen, denen sich diese Staaten gegenübersehen, Rechnung zu tragen. Es muss vorrangig darum gehen, auch in diesen Staaten alle Anstrengungen zu unterstützen, die eine verstärkte Rückführung in die Heimatländer zum Ziel haben, und eine Weiterwanderung in die anderen Mitgliedstaaten zu verhindern. Der Bundesrat weist außerdem darauf hin, dass es insbesondere bei der Aufnahme von Flüchtlingen darauf ankommt, zu einer abgestimmten Strategie zu gelangen, die nicht nur die aktuelle Situation in den Blick nimmt, sondern auch Anstrengungen der Mitgliedstaaten berücksichtigt, die diese in der Vergangenheit zur Bewältigung von Flüchtlingsströmen unternommen haben.
- 7. Solidarität und Einwanderung: Partnerschaft mit Drittländern Der Bundesrat unterstützt die Kommission ausdrücklich in dem Bemühen, eine wirksame Steuerung der Migrationsströme durch Zusammenarbeit mit Drittländern zu erreichen. Er sieht noch erheblich Potentiale, die Entwicklungszusammenarbeit der Union und andere externe Politikbereiche vollständig einzubeziehen. Die diesbezüglichen Anstrengungen sind noch erheblich verbesserungsbedürftig.
- 8. Sicherheit und Einwanderung: Eine Visumpolitik im Interesse Europas und seiner Partner Der Bundesrat hält eine weitere enge Zusammenarbeit für notwendig. Er begrüßt die angedachte Einführung eines ausdifferenzierten Visawarnsystems. Anders als die Kommission sieht er die Erweiterung im Bereich der Bonafide-Antragsteller eher skeptisch. Hier muss verstärkt darauf geachtet werden, dass es zu keinem Missbrauch dieser Ausnahmeregelungen kommt. Es muss im Grundsatz dabei bleiben, dass Antragsteller ihre Anträge persönlich in den Auslandsvertretungen stellen.
- 9. Sicherheit und Einwanderung: Integrierte Grenzverwaltung Der Bundesrat begrüßt die Anstrengungen der Kommission, Maßnahmen zur Grenzkontrolle und zur Vermeidung sicherheitsrelevanter Bedrohungen zu entwickeln, um die Sicherheit der EU auch bei weitgehender Freizügigkeit zu sichern. Eine maßvolle Verstärkung der Tätigkeit der Grenzschutzagentur FRONTEX ist erstrebenswert.
- 10. Sicherheit und Einwanderung: Verstärkte Bekämpfung der illegalen Einwanderung und Null-Toleranz gegenüber Menschenhandel
- - Der Bundesrat ist sich mit der Kommission darin einig, Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung in ihren unterschiedlichen Ausprägungen durch Präventivmaßnahmen, Strafverfolgung und Sanktionen wirksam zu bekämpfen. Der Bundesrat bekräftigt, dass illegal auf dem Gebiet der Mitgliedstaaten aufhältige Ausländer deren Gebiet verlassen müssen. Jeder Mitgliedstaat sollte sich ausdrücklich verpflichten, für die wirksame Anwendung dieses Grundsatzes zu sorgen und zudem die sich illegal auf seinem Hoheitsgebiet aufhältigen Staatsangehörigen zurückzuführen.
- - Soweit gefordert wird, sicherzustellen, dass illegal aufhältige Drittstaatsangehörige Zugang zu bestimmten Dienstleistungen (z.B.: Bildung für Kinder, medizinische Grundversorgung) haben, muss klargestellt werden, dass hierdurch die Übermittlungspflichten an die Ausländerbehörden nicht in Frage gestellt werden dürfen.
- 11. Sicherheit und Einwanderung: Wirksame und nachhaltige Rückführungsmaßnahmen
- - Der Bundesrat sieht mit der Kommission wirksame Rückführungsmaßnahmen als einen unverzichtbaren Bestandteil der EU-Politik zur Bekämpfung der illegalen Einwanderung an. Hier gilt es, effektive Rückführungsmaßnahmen, zu denen auch die Rückführungen in die jeweiligen Heimatländer gehören, zu forcieren. Ein Ansatzpunkt sind die gemeinsame Organisation von Charterflügen und die Gestaltung von praktisch handhabbaren Rückführungsabkommen, die zu einem Abbau von Bürokratie beitragen. Dabei sollte aber auch die Möglichkeit bestehen bleiben, weiterhin nationale Rückführungsabkommen zu schließen.
- - Im Umgang mit so genannten "Problemstaaten", also solchen Staaten, die sich mit unterschiedlichsten Methoden weigern, ihre eigenen Staatsangehörigen zurückzunehmen, muss eine politische Zusammenarbeit an die unabdingbare Voraussetzung geknüpft sein, dass sich diese Staaten uneingeschränkt zur Rücknahme eigener Staatsangehöriger und zur Zusammenarbeit bei der Identitätsaufklärung verpflichten.