Punkt 19 der 984. Sitzung des Bundesrates am 20. Dezember 2019
Der Bundesrat empfiehlt, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:
Zu Artikel 1 Nummer 1 (§ 2 Absatz 2 Nummer 2 und Nummer 3 bis 9 - neu - GVFG)
In Artikel 1 Nummer 1 ist § 2 Absatz 2 wie folgt zu ändern:
- a) In Nummer 2 ist der abschließende Punkt durch ein Komma zu ersetzen.
- b) Die folgenden Nummern 3 bis 9 sind anzufügen:
- "3. Bau und Ausbau von besonderen Fahrspuren für Omnibusse,
- 4. Bau und Ausbau von Zentralen Omnibusbahnhöfen,
- 5. Beschleunigungsmaßnahmen für den öffentlichen Personennahverkehr, insbesondere rechnergesteuerte Betriebsleitsysteme,
- 6. Kreuzungsmaßnahmen nach dem Eisenbahnkreuzungsgesetz, soweit Gemeinden, Landkreise oder kommunale Zusammenschlüsse als Baulastträger der kreuzenden Straße Kostenanteile zu tragen haben; das gilt auch für kommunale Schieneninfrastrukturunternehmen und für nicht bundeseigene Eisenbahnen als Baulastträger des kreuzenden Schienenweges,
- 7. Bau und Ausbau von Haltestellen des straßengebundenen öffentlichen Personennahverkehrs, insbesondere mit dem Ziel der Barrierefreiheit,
- 8. Schienengebundene Fahrzeuge (Fahrzeuge des Schienenpersonennahverkehrs sowie Stadt- und Straßenbahnfahrzeuge),
- 9. Grunderneuerungen für Vorhaben des straßengebundenen öffentlichen Personennahverkehrs."
Begründung:
Im Rahmen der seit der Abschaffung der "Versteinerungsklausel" geführten Diskussion zum Inhalt des novellierten GVFG war einer der zentralen Punkte die Aufnahme der genannten zusätzlichen Fördertatbestände. Diese sind für den Abfluss der Mittel in Richtung des kommunalen ÖPNV von entscheidender Bedeutung. Die Erhöhung der Mittel auf 2 Milliarden Euro muss mit einer Ausweitung der Tatbestände einhergehen. Die Mittelabflussschwierigkeiten der letzten Jahre zeigen, dass im gemeindlichen Bereich derzeit nur bedingt Neu- und Ausbauprojekte vorhanden sind, so dass unter den derzeitigen Voraussetzungen die Gefahr besteht, dass entgegen dem Sinn und Zweck des Gesetzes ein überwiegender Abfluss in Richtung Deutsche Bahn vorgezeichnet ist.
Die in dem von der Bundesregierung verabschiedeten Klimaschutzprogramm 2030 enthaltenen Ziele im Verkehrsbereich sind nur mit umfangreichen strukturellen Veränderungen in allen Bereichen des ÖPNV und des Schienenpersonennahverkehrs (SPNV) zu erreichen. Weiter bestehen gesetzliche Anforderungen an den ÖPNV, die ebenfalls nur durch Anpassungen und Erweiterungen der ÖPNV-Infrastruktur erfüllt werden können. Diese Veränderungen sind nur mit hohem finanziellen Mitteleinsatz zu erreichen, den die Länder und die Kommunen als Aufgabenträger und Infrastrukturbetreiber ohne weitere finanzielle Unterstützung des Bundes nicht aufbringen können.
Ohne die vorgeschlagene Erweiterung der Fördertatbestände könnten nur wenige Teilbereiche des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) gefördert werden, mit deren Hilfe alleine die angestrebte Mobilitätswende zwecks Erreichung der Ziele des Klimaschutzpakets nicht erreicht werden kann. Die in dem vorliegenden Antrag aufgeführten Änderungen betreffen deshalb überwiegend eine Erweiterung der förderfähigen Vorhaben. Nur dadurch entsteht eine umfassende Förderkulisse, die gesamthaft im Einklang mit den von der Bundesregierung verabschiedeten Zielen des Klimaschutzprogramms 2030 steht und diese unterstützt.
Im Einzelnen:
Zu Nummer 3:
Ein entscheidender Faktor für den Umstieg der Bürgerinnen und Bürger auf den ÖPNV ist insbesondere im städtischen Verkehr die gegenüber dem Individualverkehr kürzeren Fahrzeiten des ÖPNV. Nicht nur durch Vorrangschaltungen an Kreuzungen, sondern zusätzlich durch besondere Busspuren für den ÖPNV werden zusätzliche Fahrzeitgewinne erzielt.
Zu Nummer 4:
Zentrale Omnibusbahnhöfe sind im Zusammenhang mit zunehmenden Entfernungen der Mobilitätbedürfnisse wichtige ÖPNV-Bestandteile, um Mobilitätsketten mit möglichst geringer Umsteigezeit zu gewährleisten. Dies gilt insbesondere für die ländlichen Räume, in denen oftmals keine Schienenanbindung besteht und die Versorgung des ÖPNV durch eine Vielzahl von Buslinien sichergestellt wird.
Zu Nummer 5:
Beschleunigungsmaßnahmen sind ein wichtiges Instrument im ÖPNV, um Reisezeiten im ÖPNV kurz zu halten und damit eine Attraktivitätssteigerung des ÖPNV zu erzielen. Diesen Vorteil des ÖPNV gegenüber dem Individualverkehr, insbesondere in den Ballungsräumen gilt es auszubauen oder zu optimieren.
Zu Nummer 6:
Mit der Förderung kann dazu beigetragen werden, auch in Bereichen, in denen künftig noch kommunale Kostenanteile nach dem EKrG anfallen, einen Impuls dazu zu setzen, Bahnübergänge mit erhöhtem Gefährdungspotenzial oder mit hoher Verkehrsbelastung auf Straße und Schiene zügiger zu beseitigen. Das gilt insbesondere hinsichtlich Strecken der Nichtbundeseigenen Eisenbahnen. Ohne den Finanzierungsanteil der Kommunen werden sich die Planungen derartiger Maßnahmen voraussichtlich erheblich beschleunigen, da kommunale Entscheidungsprozesse entfallen oder vereinfacht werden. Hierdurch werden notwendige Investitionen in das Schienennetz früher wirksam und die Leistungsfähigkeit des Straßen- und Schienennetzes verbessert. Denn die Beseitigung von Bahnübergängen dient nicht nur der Erhöhung der Verkehrssicherheit, sondern auch der Pünktlichkeit im Schienenverkehr durch weniger störanfällige Anlagen der Leit- und Sicherungstechnik. Dies hat Kapazitätssteigerungen beim Betrieb, Geschwindigkeitserhöhungen im Personenverkehr und hierdurch bewirkte Verkehrsverlagerungen auf die Schiene zur Folge.
Zu Nummer 7:
Eine große Herausforderung stellt die in § 8 Absatz 3 Satz 2 Personenbeförderungsgesetz (PBefG) enthaltene grundsätzliche Verpflichtung für ÖPNV-Infrastruktureigentümer dar, für die Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs bis zum 1. Januar 2022 eine vollständige Barrierefreiheit zu erreichen. Mit dieser bundesgesetzlichen Vorgabe, die ohne Zweifel zu einer spürbaren Verbesserung des ÖPNV beiträgt, sind bundesweit umfangreiche Veränderungen an einer Vielzahl von Infrastruktureinrichtungen verbunden, die ein hohes Investitionsvolumen erfordert. Insbesondere aufgrund der Mehrzahl dieser Infrastrukturen im Eigentum der Kommunen übersteigen die erforderlichen Umbauten die finanzielle Leistungskraft der Vorhabenträger. Eine zeitnahe finanzielle Unterstützung ist deshalb unabdingbar, um die gesetzliche Auflage hinsichtlich der Barrierefreiheit fristgemäß zu erfüllen.
Zu Nummer 8:
Um das im Zusammenhang mit der Mobilitätswende, insbesondere im Schienenpersonenverkehr avisierte Ziel einer Verdoppelung der Fahrgastzahlen bis 2030 zu erreichen, sind nicht nur Strecken- und Stationsausbauten und Reaktivierungen erforderlich, sondern auch zusätzlich erhebliche Investitionen im Fahrzeugbereich notwendig. Neben der ortsfesten Infrastruktur müssen auch in diesem Bereich zwingend eine Unterstützung der Verkehrsunternehmen und der Aufgabenträger aufgebaut werden. Gleiches gilt für den schienengebundenen Straßenverkehr. Auch hier sind in den kommenden Jahren hohe Investitionen erforderlich, um nicht nur den Fahrzeugbestand für die Aufnahme zusätzlicher Fahrgäste zu erhöhen, sondern auch Altfahrzeuge durch moderne Neufahrzeuge auszutauschen.
Zu Nummer 9:
Die bisherige Förderung im Rahmen des GVFG-Bundesprogramms umfasst den Neu- oder Ausbau von ÖPNV-Infrastrukturanlagen. Soweit an bereits vorhandenen ÖPNV-Infrastrukturanlagen aufgrund des Ablaufs der wirtschaftlichen und/oder der technischen Nutzungsdauer Erneuerungen vorgenommen werden, sind diese Grunderneuerungen dagegen nicht förderfähig. Für den Unterhalt und die Ersatzinvestitionen werden von den Eigentümern der ÖPNV-Infrastrukturanlagen (überwiegend Kommunen) große finanzielle Anstrengungen unternommen, um den Status Quo des ÖPNV zu erhalten. Um die beschriebene Mittelsituation der Kommunen bei der Finanzierung des ÖPNV zu verbessern, ist seitens des Bundes die Verbesserung des ÖPNV durch die Förderung von Grunderneuerungen zwingend erforderlich. Durch diesen neuen Fördertatbestand sollen jedoch keine Maßnahmen für den Unterhalt der ÖPNV-Infrastrukturanlagen gefördert werden.