Der Bundesrat hat in seiner 788. Sitzung am 23. Mai 2003 die aus der Anlage ersichtliche Entschließung gefasst.
Anlage
Entschließung des Bundesrates zu einer Überarbeitung der Fernsehrichtlinie des Rates 89/552/EWG vom 3. Oktober 1989 in der Fassung der Änderungsrichtlinie vom 19. Juni 1997 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Ausübung der Fernsehtätigkeit ("Fernsehrichtlinie")
Anlässlich der bevorstehenden Überarbeitung der Fernsehrichtlinie 89/552/EWG des Rates zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Ausübung der Fernsehtätigkeit vom 3. Oktober 1989 in der Fassung der Änderungsrichtlinie 97/36/EG vom 19. Juni 1997 nimmt der Bundesrat unbeschadet der noch andauernden Diskussion über die mögliche Umgestaltung der Richtlinie in einen kohärenten europäischen Rechtsrahmen zur Verbreitung audiovisueller Inhalte mit abgestufter Regelungsdichte für die einzelnen Dienste, wonach nicht nur Fernsehen und Fernsehtext, sondern auch Mediendienste erfasst werden und unbeschadet der noch andauernden Diskussion über die Fortentwicklung der in der Richtlinie in den Artikeln 4 bis 6 vorgesehenen Regelungen zur Förderung europäischer audiovisueller Werke wie folgt Stellung:
- 1. Der Bundesrat begrüßt, dass die Kommission mit dem Vierten Bericht über die Anwendung der Richtlinie 89/552/EWG "Fernsehen ohne Grenzen" (KOM (2002); 778 endg.) ein Arbeitsprogramm verbindet, um eine Debatte über eine gegebenenfalls erforderliche Anpassung der ordnungspolitischen Rahmenbedingungen auf Grund der Markt- und Technologieentwicklung in Gang zu setzen. Er unterstützt den Ansatz der Kommission, diesen Diskussionsprozess für alle interessierten Seiten offen zu lassen und auch die Beitrittsländer sowie die Bürger dieser Länder einzubeziehen.
- 2. Der Bundesrat begrüßt ferner den methodischen Ansatz der Kommission, zur Stärkung der Synergie mit der Richtlinie "Fernsehen ohne Grenzen" alle spezifischen Instrumente der europäischen audiovisuellen Politik, insbesondere auch Finanzierungsmechanismen wie das MEDIA Plus-Programm und Instrumente wie die Empfehlung des Rates aus dem Jahre 1998 über den Jugendschutz und den Schutz der Menschenwürde, ebenso zu berücksichtigen wie Wechselwirkungen der europäischen audiovisuellen Politik mit anderen Politikbereichen wie z.B. der Wettbewerbspolitik, der Urheberrechtspolitik, der Politik der Informationsgesellschaft, der Telekommunikationspolitik und der Verbraucherschutzpolitik.
Er unterstützt das Ziel, damit die globale Wettbewerbsfähigkeit des europäischen audiovisuellen Sektors auch im Interesse kultureller Vielfalt zu fördern.
- 3. Der Bundesrat hat sich mit der Frage der Fortentwicklung der Richtlinie "Fernsehen ohne Grenzen" bereits in seiner Entschließung vom 1. März 2002 (BR-Drucksache 116/02(Beschluss) ) befasst. Er bekräftigt seine in dieser Entschließung eingenommenen Positionen.
- 4. Der Bundesrat stellt fest, dass die Kommission nicht beabsichtigt, die im geltenden Gemeinschaftsrecht getroffene Unterscheidung zwischen den Diensten der Informationsgesellschaft und den unter die Richtlinie "Fernsehen ohne Grenzen" fallenden Diensten infrage zu stellen. Er stellt ferner fest, dass ungeachtet dieser Unterscheidung die Richtlinie "Fernsehen ohne Grenzen" in einen kohärenten europäischen Rechtsrahmen zur Verbreitung audiovisueller Inhalte fortentwickelt werden könnte, wobei für unter die Richtlinie "Fernsehen ohne Grenzen" fallende Dienste und Dienste der Informationsgesellschaft eine abgestufte Regelungsdichte vorgesehen werden könnte.
- 5. Der Bundesrat begrüßt in diesem Zusammenhang, dass die Kommission plant, für jedes der in der Richtlinie "Fernsehen ohne Grenzen" behandelten Themen zu prüfen, ob die Bestimmungen der Richtlinie die angestrebten Ziele in vollem Umfang erfüllt haben und ob es erforderlich ist, gemeinschaftliche Maßnahmen vorzusehen. Er spricht sich dafür aus, bei dieser Prüfung nicht nur die jüngsten Entwicklungen des Marktes und der Technologien und die absehbaren Weiterentwicklungen, sondern auch die Relevanz der betroffenen Dienste für die öffentliche Meinungsbildung sowie für den Schutz von allgemeinen Interessen wie z.B. für den Jugendschutz und den Verbraucherschutz zu berücksichtigen.
- 6. Der Bundesrat stellt fest, dass die Kommission nicht beabsichtigt, Fragen zur Übertragung oder zum Zugang, einschließlich des sogenannten "must carry", zu behandeln. Er erinnert insoweit an seine Stellungnahmen vom 21. Dezember 2000 zum so genannten "Telekommunikations-Paket" der EG (BR-Drucksachen 554/00(Beschluss) , 555/00(Beschluss) , 568/00(Beschluss) ). Er spricht sich dafür aus, auch im Zusammenhang mit der Fortentwicklung der Richtlinie "Fernsehen ohne Grenzen" zu berücksichtigen, dass der Zugang zu elektronischen Kommunikationsnetzen und zugehörigen Einrichtungen zugleich auch Fragen des Zugangs zu Inhalten betrifft und deshalb den Grundsatz des freien und offenen Zugangs für alle Anbieter audiovisueller Inhalte zu elektronischen Kommunikationsnetzen und zugehörigen Einrichtungen zu fairen, angemessenen und diskriminierungsfreien Bedingungen auch im Rahmen der fortentwickelten Richtlinie "Fernsehen ohne Grenzen" zu berücksichtigen.
- 7. Der Bundesrat begrüßt, dass die Kommission in ihrem Arbeitsprogramm auch das Zusammenspiel von hoheitlicher Regelung, Koregulierung und Selbstregulierung erörtert. Er hat sich in seiner Entschließung vom 1. März 2002 dafür ausgesprochen, dass in der fortentwickelten Richtlinie "Fernsehen ohne Grenzen" Selbstkontrollmechanismen als mögliche Instrumente der Umsetzung bzw. des Vollzugs der Richtlinienbestimmungen Erwähnung finden sollten und dass bei Anerkennung einer noch verbleibenden staatlichen Aufsicht deren Subsidiarität gegenüber Maßnahmen der effektiven Selbstkontrolle anerkannt werden sollte. Der Bundesrat bekräftigt unter Hinweis auf das nunmehr im Jugendmedienschutz-Staatsvertrag der Länder vorgesehene Zusammenspiel zwischen hoheitlicher Regelung, Koregulierung und Selbstregulierung diese Haltung.
- 8. Der Bundesrat begrüßt, dass die Kommission die Formulierung des Artikels 3 a der Richtlinie "Fernsehen ohne Grenzen" überprüfen will, um dessen Umsetzung zu verbessern. Er erinnert in diesem Zusammenhang an die in seiner Entschließung vom 1. März 2002 ausgesprochenen Anstöße für eine Klarstellung dieser Regelung.
- 9. Der Bundesrat begrüßt, dass die Kommission die Überlegungen über die Umsetzung von Kapitel III der Richtlinie "Fernsehen ohne Grenzen" weiter vertiefen und den Meinungsaustausch über die beiden im Rahmen der Mitteilung "Kino" ermittelten Fragenkomplexe vorantreiben will. Er erinnert in diesem Zusammenhang an seine in der Entschließung vom 1. März 2002 ausgesprochene Stellungnahme für die Abschaffung der so genannten Programmquoten in den Artikeln 4 und 5 der Richtlinie "Fernsehen ohne Grenzen". Unbeschadet dieser Forderung bekennt sich der Bundesrat zum Ziel einer Förderung der Herstellung und Verbreitung von audiovisuellen Werken durch Aktivitäten der Mitgliedstaaten unterstützende gemeinschaftsrechtliche Maßnahmen.
- 10. Der Bundesrat begrüßt, dass die Kommission zu untersuchen beabsichtigt, ob bestimmte quantitative Beschränkungen der Werbung unter Berücksichtigung der Wahl- und Steuerungsmöglichkeiten der Nutzer flexibler gestaltet werden können. Er bekräftigt seine Haltung in der Entschließung vom 1. März 2002, dass sich die quantitativen Werbezeitbeschränkungen nicht bewährt haben und deshalb ersatzlos gestrichen werden sollten. Er betont unter Hinweis auf seine Entschließung vom 1. März 2002, dass bei einer Fortentwicklung des Werberechts im Rahmen der Richtlinie "Fernsehen ohne Grenzen" im Interesse eines in Europa einheitlichen Schutzes von Verbrauchern, Kindern und Jugendlichen die bestehenden qualitativen Werberegelungen im Rahmen dieser Richtlinie beibehalten werden sollten.
- 11. Der Bundesrat stellt fest, dass die Kommission beabsichtigt, die rechtlichen Auswirkungen neuer Werbetechniken (insbesondere Split-Screen-Technik, virtuelle Werbung und interaktive Werbung) im Hinblick auf einen möglichen Anpassungsbedarf bei den Werbebestimmungen der Richtlinie "Fernsehen ohne Grenzen" zu prüfen. Er begrüßt, dass in diese Prüfung auch die wirtschaftlichen und finanziellen Auswirkungen etwaiger Anpassungen sowie die mögliche Rolle der Selbstregulierung im Hinblick auf die Vorschriften für die Werbung einbezogen werden sollen. Der Bundesrat erinnert in diesem Zusammenhang an die effektive Selbstkontrolle der Werbetreibenden durch den Deutschen Werberat.
- 12. Der Bundesrat begrüßt, dass die Kommission beabsichtigt, die Prüfung der Verknüpfung zwischen den einschlägigen Jugendschutzbestimmungen der Richtlinie "Fernsehen ohne Grenzen" und den Bestimmungen der Empfehlung des Rates aus dem Jahre 1998 über den Jugendschutz und den Schutz der Menschenwürde fortzuführen. Er spricht sich dafür aus, die bevorstehende Revision der Richtlinie "Fernsehen ohne Grenzen" für eine einheitliche Jugendschutzregelung aller elektronischen Medien unter Einbeziehung sowohl der durch diese Richtlinie bislang erfassten Dienste als auch der Dienste der Informationsgesellschaft zu nutzen. Damit könnte den Herausforderungen begegnet werden, die sich auf Grund der Konvergenz im Bereich Information, Kommunikation und Medien ergeben. Die zunehmende Austauschbarkeit unterschiedlicher Inhalte im Hinblick auf technische Plattformen und Darbietungsformen lässt es aus Sicht des Bundesrates geboten erscheinen, den Bereich des Jugendschutzes in einem einheitlichen Rechtsrahmen für Rundfunkdienste und Dienste der Informationsgesellschaft zu regeln. Den Besonderheiten der jeweiligen Dienste sollte durch eine abgestufte Regelungsdichte Rechnung getragen werden. Der Bundesrat erinnert insoweit an den neuen Regelungsansatz des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags der Länder.
- 13. Der Bundesrat begrüßt, dass die Kommission beabsichtigt zu prüfen, ob das Fehlen von Regelungen zur Kurzberichterstattung auf Gemeinschaftsebene ein Hindernis für den Binnenmarkt darstellt. Er spricht sich im Interesse der Regelungsparallelität von Richtlinie und Fernseh-Übereinkommen für eine entsprechende Regelung aus.
- 14. Diese Stellungnahme ist von der Bundesregierung gemäß § 5 Abs. 2 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union (EUZBLG) maßgeblich zu berücksichtigen, weil bei dem Vorhaben der Revision der Fernsehrichtlinie im Schwerpunkt die Befugnisse der Länder zur Gesetzgebung im Hinblick auf die Ausgestaltung des Rundfunkrechts in und für Deutschland betroffen sind. Insoweit besitzt der Bund nach ständiger verfassungsrechtlicher Rechtsprechung kein Recht auf Gesetzgebung. Vielmehr besteht insoweit die Rechtsetzungskompetenz der Länder gemäß der Artikel 30 und 70 Grundgesetz.