967. Sitzung des Bundesrates am 27. April 2018
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Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union (EU), der Finanzausschuss (Fz), der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (U) und der Wirtschaftsausschuss (Wi) empfehlen dem Bundesrat, zu der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG wie folgt Stellung zu nehmen:
- 1. Der Bundesrat begrüßt den Aktionsplan - "Finanzierung nachhaltigen Wachstums" der Kommission und das damit verbundene Ziel, [unter Berücksichtigung umweltbezogener und sozialer Erwägungen bei Investitionsentscheidungen ein nachhaltigeres Wirtschaftswachstum zu erreichen,] {ein nachhaltigeres Finanzwesen zu schaffen,} [das Finanzsystem zu stabilisieren sowie mehr Transparenz und Langfristigkeit in der Wirtschaft zu fördern.]
- 2. Die Vorschläge des Aktionsplans sollen der Finanzierung der notwendigen Investitionen zur Erreichung der Ziele des Pariser Klimaabkommens und der globalen Nachhaltigkeitsziele (Sustainable Development Goals-SDGs) dienen. Die Realisierung dieser Vorschläge kann einen substantiellen Beitrag zur Schaffung klimagerechter und nachhaltiger Strukturen in Europa und darüber hinaus leisten.
- 3. Zum Erreichen der langfristigen EU-Klima- und Energieziele sowie zum Erfüllen des Pariser Klimaschutzabkommens kann auch ein nachhaltigeres Finanzwesen beitragen.
- 4. Der Bundesrat sieht die Tatsache positiv, dass die Kommission ein breites Spektrum an Maßnahmen in den Blick genommen hat, um EU-weit einheitliche Rahmenbedingungen für ein nachhaltigeres Finanzwesen zu schaffen. Immer mehr Finanzinstitute richten aus eigenem Antrieb ihre Geschäftspolitik nachhaltig aus. Auch der Markt für "Green Bonds" wächst rasant. Diese Entwicklungen am Markt sollten EU-seitig positiv unterstützt und eine angemessene Regulierung angestrebt werden.
- 5. Der Bundesrat erkennt die Bestrebungen der Kommission in ihrem Aktionsplan, mehr Mittel für eine nachhaltige Wirtschaft zu mobilisieren und die Finanzmarktstabilität zu fördern, an. Er hält es für sinnvoll, solche Regulierungen zu überprüfen, die einer langfristigen und nachhaltigen Orientierung der Finanzmärkte entgegenstehen.
- 6. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, sich im Rahmen der weiteren Beratungen des Aktionsplans auf EU-Ebene und der sich daran anschließenden Maßnahmen für folgende Anliegen einzusetzen:
- - Die Bereiche "Regulierung und Aufsicht einer Bank", die sich am zugrundeliegenden Risiko eines Instituts und seiner Geschäftspolitik ausrichten müssen, müssen auch in Zukunft streng von umwelt- und klimapolitischen Zielsetzungen getrennt werden, für deren Förderung bereits heute sachgerechte und wirksame Instrumente in der Fiskal-, Wirtschafts- und Industriepolitik bestehen. Bankaufsichtsrechtliche Regelungen sind auch weiterhin alleine auf die Kernbereiche, das heißt auf die Sicherstellung der Funktionsfähigkeit und Stabilität einzelner Banken und des Finanzsystems insgesamt, zu konzentrieren. - Es dürfen keine Regelungen getroffen werden, die eine Bevorzugung "grüner" Finanzierungen im Sinne eines "Green Supporting Factors" bei der Eigenkapitalunterlegung zur Folge hätten.
- - Eine Einbeziehung von Klimarisiken in die Risikomanagementsysteme von Kreditinstituten, die ungeachtet der damit verbundenen großen konzeptionellen Schwierigkeiten zu einer Ausweitung der Melde- und Offenlegungspflichten der Banken und damit zur Entstehung weiterer bürokratischer Belastungen führen würde, sollte vermieden werden.
- - Normative Vorgaben im Hinblick auf die Einbeziehung von Nachhaltigkeitskriterien in die Anlage- und Versicherungsberatung, die höhere bürokratische Belastungen nach sich ziehen, sollten gleichfalls vermieden werden.
- - Eine Nachhaltigkeitsberichterstattung muss sich an der Institutsgröße orientieren und darf insbesondere kleine und mittlere Institute nicht überproportional belasten.
- 7. Der Bundesrat begrüßt insbesondere den Ansatz der Kommission, den Aspekt der Nachhaltigkeit im Finanzwesen zu verankern und diesen auch im Rahmen der Bankenaufsicht, durch die Einbeziehung von Klimarisiken in Risikomanagementsysteme von Kreditinstituten, durch normative Vorgaben im Hinblick auf die Einbeziehung von Nachhaltigkeitskriterien in der Anlage- und Versicherungsberatung sowie durch eine Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen zur Geltung zu bringen.
- 8. Der Bundesrat unterstützt den Einstieg in eine einheitliche Definition von Nachhaltigkeitskriterien, so dass in Zukunft Finanzprodukte und Berichtssysteme transparenter und dadurch besser vergleichbar werden. Dies ermöglicht interessierten Investoren, Finanzmittel zielgerichteter in besonders nachhaltige Unternehmen und Projekte zu investieren.
- 9. Auch der Vorschlag eines EU-Gütesiegels für grüne Anlageprodukte wird befürwortet. Ein solches Siegel wäre insbesondere für private Investoren hilfreich.
- 10. Der Bundesrat begrüßt es, wenn in Umsetzung des EU-Aktionsplans Rahmenbedingungen geschaffen werden, die es Deutschland erleichtern, zu den führenden Staaten hinsichtlich nachhaltiger und grüner Finanzierungen aufschließen zu können.
- 11. Die bereits bestehenden Initiativen für nachhaltige Finanzen in Deutschland, zum Beispiel des "Hubs for Sustainable Finance" (H4SF) des Rates für Nachhaltige Entwicklung und der Deutschen Börse, der Bundesbank, des Forums nachhaltige Geldanlagen und von Econsense - Forum Nachhaltige Entwicklung der Deutschen Wirtschaft - sowie die Aktivitäten einiger Länder und Kommunen erhalten durch den EU-Aktionsplan eine flankierende Unterstützung.
- 12. Daher begrüßt der Bundesrat insbesondere die schrittweise Implementierung eines EU-weit einheitlichen Klassifikationssystems für nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten.
- 13. Der Bundesrat unterstützt die Einführung eines EU-Klassifikationssystems für nachhaltige Tätigkeiten.
- 14. Dies schafft sowohl für die Finanzinstitute als auch für die Anleger Klarheit und Sicherheit darüber, welche Wirtschaftstätigkeiten und Finanzprodukte als nachhaltig einzustufen sind, und schützt vor der missbräuchlichen Verwendung eines "Green Labels".
- 15. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass bei der in diesem Rahmen vorzunehmenden Begriffsbildung die Dimension der umweltbezogenen Nachhaltigkeit im Vordergrund stehen sollte, da der Schutz der natürlichen Lebensbedingungen die Grundvoraussetzung für ökonomische und soziale Stabilität ist und die Zukunft der nächsten Generationen entscheidend beeinflusst. Er bittet die Bundesregierung, diesen Standpunkt bei den Verhandlungen im Zusammenhang mit der Einführung eines EU-Klassifikationssystems für nachhaltige Tätigkeiten gegenüber der Kommission zur Geltung zu bringen.
- 16. Der Bundesrat begrüßt ferner insbesondere
- - ein EU-weites Kennzeichnungssystem für nachhaltige Finanzprodukte (zum Beispiel: zur Verwendung auf Vergleichswebsites), um gerade (Klein-)Anlegern Investitionsentscheidungen zu erleichtern. Um dieses Ziel zu erreichen, könnte für das EU-Label möglicherweise der Rechtsrahmen des EU-Umweltzeichens genutzt werden. Der Vorschlag der Kommission, die Geeignetheit der Verordnung über das EU-Umweltzeichen (Verordnung (EG) Nr. 66/2010 ) dahingehend zu untersuchen, wird befürwortet;
- - die Prüfung von Maßnahmen zur Verbesserung der Förderung von Investitionen in nachhaltige Projekte.
- 17. Gleichzeitig bittet der Bundesrat die Bundesregierung darauf hinzuwirken, dass bei der Überprüfung angemessener Eigenkapitalanforderungen die bestehende Aufgabe der Regulierung, einen funktionsfähigen Kapitalmarkt aufrechtzuerhalten und Finanzstabilität im Binnenmarkt zu gewährleisten, die alleinig ausschlaggebende Erwägung bleibt. Eigenkapitalanforderungen dürfen nicht pauschal erleichtert werden, weil eine Risikoposition Nachhaltigkeitskriterien erfüllt. Denn Nachhaltigkeit bedeutet nicht gleichzeitig Risikofreiheit. Ein geringeres Risiko muss tatsächlich messbar und nachweisbar sein. Umgekehrt muss dies ebenfalls für erhöhte Eigenkapitalanforderungen bei solchen Risikopositionen gelten, die mit höheren Klimarisiken verbunden sind.
- 18. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass für nachhaltige Finanzprodukte Transparenz- und Offenlegungsbestimmungen richtig und notwendig sind, damit Anleger auf deren Integrität vertrauen können. Bei der Festlegung eines an Nachhaltigkeitszielen ausgerichteten Regulierungsrahmens ist es wichtig, die Verhältnismäßigkeits- und Proportionalitätsgrundsätze zu beachten. Daher bittet der Bundesrat die Bundesregierung, bei den von der Kommission angekündigten Maßnahmen darauf zu achten, dass dieser Rahmen die besonderen Belange von kleinen und mittleren Instituten berücksichtigt.
Zu Recht hat bereits die hochrangige Expertengruppe für nachhaltige Finanzen hierauf in ihrem Abschlussbericht vom 31. Januar 2018 hingewiesen.
- 19. Der Bundesrat sieht in der finanziellen Förderung von Investitionen in nachhaltige Technologien, Produkte und Dienstleistungen einen wesentlichen Beitrag, um Aspekte wie Energieeffizienz, Ressourcenschonung sowie emissionsarme Technologien dauerhaft in der Wirtschaftstätigkeit zu verankern und somit die Wettbewerbsfähigkeit der EU-Wirtschaft langfristig zu sichern. Neben dem Europäischen Fonds für strategische Investitionen (EFSI) sollten dafür auch die Strukturfonds, insbesondere der Europäische Fonds für regionale Entwicklung (EFRE), nach den Kriterien der umweltbezogenen Nachhaltigkeit ausgerichtet werden. Der Aspekt der Nachhaltigkeit ist in den Operationellen Programmen verstärkt zu verankern und soll bei der Entscheidung über die Förderung von Projekten mit Mitteln der Strukturfonds zukünftig ein stärkeres Gewicht erhalten.
- 20. Der Bundesrat fordert daher die Bundesregierung auf, die Umsetzung des EU-Aktionsplans und der angekündigten Folgevorschläge konstruktiv zu begleiten.
- 21. Der Bundesrat übermittelt diese Stellungnahme direkt an die Kommission.
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- 22. Der Rechtsausschuss empfiehlt dem Bundesrat, von der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG Kenntnis zu nehmen.