Der Bundesrat hat in seiner 899. Sitzung am 6. Juli 2012 beschlossen, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:
1. Zu Artikel 1 Nummer 3 Buchstabe b und Nummer 9 (§ 3 Absatz 3, § 10 Absatz 1 Satz 2 Nummer 8 VersStG)
Die im Rahmen der Änderung des Versicherungsteuergesetzes (VersStG) vorgesehene steuerliche Erfassung von verwirklichten Selbstbehalten im Bereich der Pflichtversicherung für Kraftfahrzeughalter zielt auf Großkunden, die Fahrzeugflotten versichern. Der Bundesrat sieht diese Neuregelung kritisch.
Sie führt zu einer Mehrbelastung für die Versicherungsnehmer, zusätzlichem Verwaltungsaufwand bei Versicherungsgesellschaften, Versicherungsnehmern und betroffenen Dritten sowie zu einer weiteren Verkomplizierung des Steuerrechts. Dabei setzt sich die Neuregelung über die einschlägige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs vom 16. Dezember 2009 - II R 44/07 - und vom 8. Dezember 2010 - II R 12/08 - hinweg, nach der Selbstbehalte explizit kein Versicherungsentgelt darstellen. Sie löst sich von den Wertungen des VersStG, wie sie von der Rechtsprechung herausgearbeitet wurden. Danach ist wesentliches Merkmal eines Versicherungsverhältnisses das Vorhandensein eines vom Versicherer gegen Entgelt übernommenen Wagnisses. Gegenstand der Besteuerung ist ferner nicht das Versicherungsverhältnis als solches, sondern vielmehr die Zahlung des Versicherungsentgelts durch den Versicherungsnehmer (Versicherungsteuer als Verkehrsteuer auf den Geldumsatz). Nach dem Gesetzentwurf soll es künftig weder auf Zahlung noch auf Wagnisübernahme ankommen. Sachliche Gründe für das Abrücken von den entsprechend der Rechtsprechung vom VersStG selbst vorgegebenen Besteuerungsgrundsätzen sind jedoch nicht ersichtlich. Insofern vermögen auch die in der Gesetzesbegründung vorgetragenen Erwägungen zur Einbeziehung von Selbstbehalten in die Besteuerung nicht zu überzeugen. Fiskalische Interessen an einer Sicherung des Versicherungsteueraufkommens allein können eine Abkehr von den vom VersStG vorgegebenen Besteuerungsgrundsätzen nicht rechtfertigen. Der Bundesrat bittet deshalb nachdrücklich, im weiteren Gesetzgebungsverfahren von der beabsichtigten Besteuerung der im Schadenfall verwirklichten Selbstbehalte wieder Abstand zu nehmen.
2. Zu Artikel 1 Nummer 5 (§ 5 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2), Nummer 6 (§ 6 Absatz 2 Nummer 4 VerStG)
Artikel 1 ist wie folgt zu ändern:
- a) In Nummer 5 ist § 5 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 wie folgt zu fassen:
"2. bei der Versicherung von Schäden, die an den versicherten Bodenerzeugnissen durch die Einwirkung durch die Elementargefahren Hagel, Sturm, Spätfrost und Starkregen entstehen (Mehrgefahrenversicherung), und bei der im Betrieb der Landwirtschaft oder Gärtnerei genommenen Versicherung von Glasdeckungen über Bodenerzeugnissen gegen Hagelschaden von der Versicherungssumme und für jedes Versicherungsjahr,"
- b) Nummer 6 Buchstabe b ist wie folgt zu fassen:
"b) In Absatz 2 werden die Nummern 4 und 5 wie folgt gefasst:
- "4. bei der Mehrgefahrenversicherung und bei der im Betrieb der Landwirtschaft oder Gärtnerei genommenen Versicherung von Glasdeckungen über Bodenerzeugnissen gegen die Elementargefahren Hagel, Sturm, Spätfrost und Starkregen für jedes Versicherungsjahr 0,2 Promille der Versicherungssumme. Der ermäßigte Steuersatz für die Versicherung der Elementargefahren ist sowohl bei einzeln als auch bei in Kombination abgeschlossenen Versicherungen anzuwenden;
- 5.... wie Vorlage ...""
Begründung:
Die steuerliche Gleichbehandlung der vier Elementargefahren Hagel, Sturm, Spätfrost und Starkregen ist sachgerecht. Die Gründe sind u.a.:
- - vergleichsweise hohe Schadensfrequenz,
- - starke Schwankungen im Schadensverlauf,
- - hohe Totalschadensgefahr.
Im Hinblick auf den Klimawandel sind sowohl die Gartenbaubetriebe als auch die landwirtschaftlichen Betriebe auf Grund von immer häufiger auftretenden Naturereignissen wie Hagel, Sturm, Spätfrost und Starkregen darauf angewiesen, sich gegen mögliche Produktionsverluste abzusichern.
Diese Art der betrieblichen Eigenverantwortung zur Risikominimierung wird in einigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union mit Fördergeldern von bis zu 80 Prozent der zu zahlenden Versicherungsbeiträge gewährt und/oder keine Versicherungssteuer erhoben.
Der vorliegende Gesetzentwurf berücksichtigt den Wettbewerbsnachteil der heimischen Betriebe gegenüber den europäischen Wettbewerbern nicht. Der ermäßigte Steuersatz von 0,2 Promille für die Mehrgefahrenversicherung ist vor diesem Hintergrund sachgerecht, um die bezüglichen Wettbewerbsnachteile der landwirtschaftlichen Betriebe einschließlich der Gartenbaubetriebe auszugleichen.
3. Zu Artikel 2 Nummer 2 (§ 3d Absatz 1 Satz 1 KraftStG)
In Artikel 2 Nummer 2 sind in § 3d Absatz 1 Satz 1 nach der Angabe " § 9 Absatz 2" die Wörter "und Fahrzeugen, die weniger als 50 g/km CO₂ ausstoßen" einzufügen.
Begründung:
Die Bundesregierung hat im Regierungsprogramm Elektromobilität vom Mai 2011 den Benchmark für Zukunftstechnologie mit 50 g/km CO₂ festgelegt. Demnach soll die Kfz-Steuer für alle Fahrzeuge mit weniger als 50 g/km für zehn Jahre entfallen. Damit wird ein Prinzip angewendet, dass sich schon bei der frühzeitigen Durchsetzung von Euro-Schadstoffnormen bewährt hat und Technologieoffenheit sicherstellt.
Die Bundesregierung hat die Erweiterung auf Fahrzeuge mit besonders geringen kombinierten Prüfwerten von weniger als 50 Gramm Kohlendioxidausstoß je Kilometer im Rahmen des Verkehrsteueränderungsgesetzes in Aussicht gestellt.
Auf der Europäischen Ebene werden stufenweise CO₂-Grenzwerte für Pkw fortgeschrieben. Die technologieoffene Förderung von Fahrzeugen mit 50 g/km CO₂ durch die Befreiung von der Kfz-Steuer ist ein wichtiger Beitrag, um Forschung und Entwicklung hocheffizienter Antriebe wie auch die Innovationsdynamik bei herkömmlichen Antrieben und den Trend zu immer mehr Hybridfahrzeugen voranzubringen.
Zum Ausgleich der dadurch entstehenden Steuerausfälle soll die Kfz-Steuer auf einen deutlicheren CO₂ - Bezug umgestellt werden. Dann würden die Einnahme der höher emittierenden Kraftfahrzeuge die entstehenden Steuerausfälle kompensieren.
4. Zu Artikel 2 Nummer 4 Buchstabe b ( § 18 Absatz 12 KraftStG)
In Artikel 2 ist Nummer 4 Buchstabe b zu streichen.
Begründung:
Die mit Artikel 2 Nummer 4 Buchstabe b des Verkehrsteueränderungsgesetzes beabsichtigte Anfügung des § 18 Absatz 12 Kraftfahrzeugsteuergesetz (KraftStG) konterkariert die Regelungen in Artikel 2 Nummer 1 Buchstaben a und b.
Zweck der Neufassung des § 2 Absatz 2 KraftStG soll gemäß der Gesetzesbegründung die Vereinfachung der Feststellung der kraftfahrzeugsteuerrechtlichen Fahrzeugklassen und Aufbauarten zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage sein. Zutreffend wird in der Begründung insoweit auf die bisherigen Schwierigkeiten bei der Zuordnung von Fahrzeugen und den damit verbundenen Erfüllungsaufwand hingewiesen. Die unterschiedlichen Fahrzeugklassifizierungen im Kraftfahrzeugsteuerrecht und Verkehrsrecht, die für die Steuerpflichtigen schwer nachvollziehbar sind, sollen folgerichtig aufgegeben werden.
Dieser Zweck kann mit der vorgesehenen Regelung des § 18 Absatz 12 KraftStG aber gerade nicht erreicht werden. Der mit Artikel 2 Nummer 1 Buchstabe b aufgehobene § 2 Absatz 2a KraftStG soll über § 18 Absatz 12 KraftStG weiterhin gelten. Damit ändert sich an der bisherigen Verwaltungspraxis praktisch nichts. Die betroffenen Fahrzeuge müssen ggf. wie bisher zur Feststellung der steuerlichen Bemessungsgrundlage bei der für die Verwaltung der Kraftfahrzeugsteuer zuständigen Behörde vor Ort vorgeführt und vermessen werden. Eindeutige Abgrenzungskriterien werden nach wie vor nicht normiert, so dass diese Fälle weiterhin regelmäßig zu Einspruchs- bzw. Klageverfahren führen werden.
Neben umweltpolitischen Lenkungszielen der Kraftfahrzeugsteuer ist auch die Rechtsklarheit und Rechtssicherheit des Kraftfahrzeugsteuergesetzes zu gewährleisten. Dies wird bisher nicht in ausreichendem Maße berücksichtigt. Vor diesem Hintergrund sollte eine angemessene Berücksichtigung umweltpolitisch gewünschter Lenkungswirkungen bereits bei der verkehrsrechtlichen Zuordnung von Fahrzeugen erfolgen.
5. Zum Gesetzentwurf allgemein
Stärkung des Luftverkehrsstandortes Deutschland
Vor dem Hintergrund der schwierigen Situation der Luftverkehrswirtschaft in Deutschland hält es der Bundesrat für erforderlich, die Luftverkehrsteuer auf der Grundlage der Ergebnisse des Gutachtens, das die Schweizer Beratungsgesellschaft INFRAS im Auftrag des Bundesfinanzministeriums im Rahmen der Evaluierung der Steuer erstellt hat, auf den Prüfstand zu stellen. Priorität muss die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit des Luftverkehrsstandortes Deutschland haben.
Darüber hinaus wird die Bundesregierung aufgefordert, sich für eine harmonisierte Besteuerung des Flugverkehrs innerhalb der Europäischen Union einzusetzen. Nur so können Wettbewerbsverzerrungen weitgehend vermieden werden.
Aus Sicht des Bundesrates deutet viel darauf hin, dass die Luftverkehrsteuer die Entwicklung eines Marktes negativ beeinflusst, der für die Vernetzung der Wirtschaft sowie für attraktive touristische Angebote von erheblicher Bedeutung ist:
- - Die Luftverkehrsteuer führt im Kurz-, Mittel- und Langstreckenbereich zu Wettbewerbsnachteilen der Fluggesellschaften gegenüber inner- und außereuropäischen Konkurrenten. Unter anderem erschwert die Luftverkehrsteuer deutschen Fluggesellschaften, die sich in einem international hoch wettbewerbsintensiven Markt befinden, Investitionen in neuestes und emissionsarmes Fluggerät. - Zudem fördert die Luftverkehrsteuer das Ausweichen von Passagieren an grenznahe Flughäfen im Ausland. Sie führt auch dazu, dass Fluggesellschaften zusätzliche Mittel- und Langstreckenflüge nicht an deutschen, sondern an anderen europäischen Drehkreuzen auflegen. Entsprechendes Wachstum findet also im Ausland statt.
- - Gerade kleinere Flughäfen mit einem hohen Anteil an Inlandsflügen sowie einem ausgeprägten Low Cost Segment sind von den Wirkungen der Luftverkehrsteuer besonders betroffen. Bei den Flughäfen Frankfurt Hahn, Weeze und Erfurt bewegte sich der Rückgang der Passagierzahlen im zweistelligen Prozentbereich. Aber auch Flughäfen wie Nürnberg (./.2,6 %) oder Bremen (./.4,2 %) mussten eine negative Entwicklung erfahren. Diese kleineren Flughäfen besitzen jedoch eine wichtige Bedeutung für die internationale Anbindung der regionalen Wirtschaft. Gerade für exportorientierte Unternehmen ist die Nähe zu internationalen Verkehrsflughäfen ein durchaus bedeutsamer Standortfaktor.