982. Sitzung des Bundesrates am 8. November 2019
A
Der federführende Finanzausschuss,
der Verkehrsausschuss und der Wirtschaftsausschuss empfehlen dem Bundesrat, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:
1. Zum Gesetzentwurf allgemein
Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf soll die Maßnahme 27 des Klimaschutzprogramms 2030 umgesetzt werden. Der Bundesrat weist darauf hin, dass über die finanziellen Auswirkungen der Maßnahmen des Klimapaketes keine Verhandlungen mit den Ländern und Gemeinden stattgefunden haben.
Nach dem Finanztableau des Gesetzentwurfs werden für den Bund erhebliche Mehreinnahmen prognostiziert, während Länder und Gemeinden ausschließlich finanzielle Mehrbelastungen tragen werden.
Für den Bundesrat stellen die Klimaschutzmaßnahmen ein Paket dar, aus dem nicht einzelne Maßnahmen isoliert betrachtet werden können, zumal Mehrsteuern für den Bund mit geringeren Steuereinnahmen von Ländern und Gemeinden korrespondieren können.
Der Bundesrat erwartet, dass die finanziellen Auswirkungen in einem einheitlichen Verfahren zwischen Bund und Ländern geklärt werden, bevor erste Gesetze verabschiedet werden.
Der Bundesrat bittet die Bundesregierung daher, zeitnah in Gespräche über eine faire, sachgerechte und verhältnismäßige Verteilung der Mehr- und Mindereinnahmen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden, die im Zusammenhang mit dem Klimaschutzprogramm 2030 zur Umsetzung des Klimaschutzplans 2050 stehen, zu treten.
2. Zum Gesetzentwurf allgemein
- a) Der Bundesrat begrüßt, dass die Bundesregierung Anreize schaffen will, um den Ausstoß von klimaschädlichen Treibhausgasen zu verringern und die Bürgerinnen und Bürger zu klimafreundlichem Handeln zu ermuntern. Umwelt- und Klimaschutz ist eine wichtige Aufgabe der Politik, um die Lebenschancen zukünftiger Generationen zu sichern.
- 3.b) Der Bundesrat ist allerdings der Auffassung, dass ein globaler Wirtschaftsbereich wie der Luftverkehr auch eine globale Vereinbarung braucht.
- c) Die Luftverkehrsteuer, die im Jahr 2011 aus fiskalischen Gründen eingeführt wurde und nunmehr in erheblichem Maße erhöht werden soll, benachteiligt die deutschen Fluggesellschaften und Flughäfen in einem europäisch und international hoch wettbewerbsintensiven Markt. Auch treffen die nunmehr vorgesehenen überproportionalen Aufschläge auf Flüge von und zu Ländern in der Entfernungskategorie 1 nicht nur alle inländischen, sondern auch alle europäischen Ziele und damit die im besonderem Maße dem starken internationalen Wettbewerb ausgesetzten Strecken im Europaverkehr. Das Geld, das den Unternehmen damit entzogen wird, fehlt den deutschen Fluggesellschaften für Investitionen in innovative und klimafreundliche Technologien. Auch die Flughäfen mit einem hohen Anteil an Europaflügen werden als Folge von Abwanderungen zu grenznahen ausländischen Flughäfen betroffen sein. Diese sind aber gerade von wichtiger Bedeutung für die internationale Anbindung der regionalen Wirtschaft und ein entscheidender Standortfaktor. Um die deutsche Luftverkehrswirtschaft im Vergleich zu ihren europäischen und internationalen Konkurrenten nicht zu schwächen, bedarf es daher einer einheitlichen europäischen Lösung.
- 4.d) Die Erhöhung der Luftverkehrsabgabe dient der Finanzierung der Klimaschutzprogrammmaßnahme "Stärkung des Schienenpersonenverkehrs". Die volle Jahreswirkung der Steuermehreinnahmen durch die Erhöhung der Luftverkehrsabgabe überkompensiert aber die volle Jahreswirkung der Steuermindereinnahmen durch die ermäßigte Besteuerung der Beförderungsleistungen im Schienenpersonenverkehr um rund 250 Millionen Euro. Die Bundesregierung wird aufgefordert, diese Mittel zweckgebunden zur Erforschung und Entwicklung regenerativer Kraftstoffe, die für ihre Erzeugung und Nutzung erforderlichen Technologien sowie für Maßnahmen zu ihrer Markteinführung einzusetzen, z.B. im Rahmen von Maßnahmen des Klimaschutzprogramms 2030 wie die "Entwicklung strombasierter Kraftstoffe", die "Forschungsinitiative Synthetische Energieträger", die "Forschungsinitiative Energiewende im Verkehr" oder entsprechend auch im Rahmen des Luftfahrtforschungsprogramms der Bundesregierung.
- e) Der Gesetzentwurf der Bundesregierung führt zudem zu weiteren Benachteiligungen der deutschen Fluggesellschaften und Flughäfen, indem er eine differenzierte Anhebung der Steuer in der Entfernungskategorien 1 um rund 74 Prozent auf 13,03 Euro, in der Klasse 2 und 3 hingegen um jeweils rund 41 Prozent auf 33,01 Euro bzw. 59,43 Euro vorsieht. Um diese Wirkung abzudämpfen, fordert der Bundesrat, die vorgesehene Erhöhung der Luftverkehrsabgabe zur Erreichung des avisierten Gesamtvolumens in allen Entfernungskategorien jeweils im gleichen Verhältnis anzuheben.
- 5.f) Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, sich für eine harmonisierte Besteuerung des Flugverkehrs innerhalb der europäischen Union einzusetzen, um steuerinduzierte Wettbewerbsverzerrungen im europäischen Flugverkehr weitgehend auszuschließen.
- 6.g) Die Luftverkehrssteuer soll zudem eine Lenkungswirkung mit Blick auf fossil betriebene Flüge entfalten. Um neue und nachhaltige Fluggeräte nicht einer unzulässigen Doppelbesteuerung auszusetzen, fordert der Bundesrat, diese von der Luftverkehrssteuer auszunehmen und § 5 des Luftverkehrssteuergesetzes um folgende zusätzliche Nummer 9 zu ergänzen:
"9. Abflüge von Fluggästen in Fluggeräten, deren Betrieb keine fossilen Antriebsstoffe in Anspruch nehmen."
7. Zum Gesetzentwurf allgemein
Der Luftverkehr steht im Zusammenhang mit dem Klimaschutz besonders im Fokus. Gleichzeitig wächst der Mobilitätsbedarf. Es ist daher notwendig, dass im Bereich Forschung und Entwicklung Fortschritte erzielt werden, um die tatsächliche CO₂-Belastung in diesem Sektor stetig zu senken. Vor diesem Hintergrund hält es der Bundesrat für erforderlich, einen maßgeblichen Anteil der durch das Gesetz zur Änderung des Luftverkehrsteuergesetzes erzeugten Mehreinnahmen im Luftfahrtsektor zu belassen und für die Forschung und Entwicklung im Luftverkehr, zum Beispiel im Bereich der regenerativen Kraftstoffe, einzusetzen. Insbesondere sollte darauf hingearbeitet werden, dass zeitnah ein möglichst hoher Anteil an synthetischen Kraftstoffen zur Verfügung gestellt werden kann.
Begründung (nur gegenüber dem Plenum):
Durch die Erhöhung der Luftverkehrsteuern wird die deutsche Luftverkehrsbranche wirtschaftlich belastet. Damit werden auch finanzielle Spielräume der Luftfahrtindustrie eingeschränkt, so dass zu erwarten steht, dass das Engagement der Branche im Bereich der Forschung und Entwicklung deutlich eingeschränkt wird. Die aus der Erhöhung der Luftverkehrsteuer zu erwartenden Einnahmen sollten daher jedenfalls zu einem maßgeblichen Anteil im Sektor verbleiben und diesen durch notwendige Forschungs- und Entwicklungsarbeit unterstützen, einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Dies gelingt insbesondere dann, wenn konventionelles Kerosin so zügig wie möglich durch synthetisches Kerosin ersetzt werden kann. Hier sind weitere Anstrengungen im Bereich Forschung und Entwicklung nötig, die durch den Einsatz eines entsprechenden Anteils der Mehreinnahmen ermöglicht werden können.
8. Zum Gesetzentwurf allgemein
In der polyzentrischen Wirtschaftsstruktur der Bundesrepublik Deutsschland erfüllen neben den Hub-Flughäfen auch die internationalen Verkehrsflughäfen ohne Hub-Funktion eine wichtige Verkehrsfunktion für die exportorientierte Wirtschaft der jeweiligen Metropolregionen. Die geplante Erhöhung der Luftverkehrsteuer führt insbesondere bei diesen Flughäfen, die in der Regel einen hohen Anteil an Flügen innerhalb der Distanzklasse I (bis 2 500 Kilometer) aufweisen, zu einer deutlichen Belastung.
Um diese Flughäfen zu stärken, bittet der Bundesrat die Bundesregierung, sich darum zu bemühen, mehr internationale Verkehrsrechte auch für die mittleren deutschen Luftverkehrsstandorte zu realisieren. Gerade die neuen und effizienten Flugzeugmodelle (A350, A320 LR) sind für eine Ausweitung von Direktverbindungen ("Pointto-Point") hervorragend geeignet und können so dazu beitragen, die Wirtschaftsräume zu stärken.
Begründung (nur gegenüber dem Plenum):
Zusätzliche internationale Verkehrsrechte stärken die Flughäfen ohne Hub-Funktionen und damit auch die Regionen, in denen sie liegen. Bei diesen Flughäfen, die durch die geplante Erhöhung der Luftverkehrsteuer besonders belastet werden, könnten die Effekte so abgemildert werden.
B
9. Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit empfiehlt dem Bundesrat, gegen den Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes keine Einwendungen zu erheben.