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Der Bundesrat hat in seiner 903. Sitzung am 23. November 2012 beschlossen, zu dem vom Deutschen Bundestag am 8. November 2012 verabschiedeten Gesetz einen Antrag gemäß Artikel 77 Absatz 2 des Grundgesetzes nicht zu stellen.
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Der Bundesrat hat ferner nachstehende Entschließungen gefasst:
- 1. Der Bundesrat vertritt die Ansicht, dass aus Gründen der Standortsicherheit der deutschen Wirtschaft Ausnahmeregeln bei der Energie- und Stromsteuer sowie weiteren energie- und klimapolitischen Instrumenten grundsätzlich gerechtfertigt sind. Diese sind jedoch nach Ansicht des Bundesrats ebenso grundsätzlich auf energieintensive Unternehmen zu beschränken, die im internationalen Wettbewerb stehen oder kostenrelevanter spezifischer Teil entsprechender Wertschöpfungsketten sind. Die Regularien müssen dabei so ausgestaltet werden, dass das energiepolitische Zieldreieck "sicher, bezahlbar, umweltverträglich" durch Ausnahmetatbestände nicht gefährdet wird. Eine genaue Überprüfung der steuer- und sonstigen abgabenrechtlichen Ausnahmetatbestände ist aus Sicht des Bundesrates erforderlich, um Missbrauch auf Kosten für die Allgemeinheit zu verhindern.
- 2. Der Ausbau der erneuerbaren Energien muss konsequent weiter verfolgt werden. Ziel bleibt eine zuverlässige, wirtschaftliche und umweltverträgliche Energieversorgung. Dabei ist der Bundesrat sich bewusst, dass nur ein Teil der steigenden Stromkosten auf den Ausbau der Erneuerbaren Energien zurückzuführen ist. Vor diesem Hintergrund und dem gesamtgesellschaftlichen Ziel, den Ausbau der Erneuerbaren Energien konsequent weiter zu verfolgen, bittet der Bundesrat darum, die Strompreis treibenden Faktoren außerhalb des EEG zu identifizieren, zu untersuchen und entlastende Ausnahmeregelungen für besondere Unternehmenskreise im Lichte der oben genannten Kriterien zu überprüfen.
- 3. Der Bundesrat bedauert, dass der Deutsche Bundestag die Änderungen bei der Luftverkehrsteuer mit den Änderungen bei der Energie- und Stromsteuer verknüpft hat, die eine Fortführung der aus Wettbewerbsgründen unverzichtbaren Steuerbegünstigungen für das Produzierende Gewerbe über das Jahr 2012 hinaus sicherstellen sollen. Dadurch ist aus zeitlichen Gründen eine vertiefte Diskussion, welche gesetzgeberische Konsequenzen sich für die Luftverkehrsteuer aus dem Evaluierungsbericht ergeben sollten, den die Schweizer Beratungsgesellschaft INFRAS im Auftrag des Bundesfinanzministeriums erstellt hat, nicht möglich. Angesichts der schwierigen wirtschaftlichen Situation, in der sich der Luftverkehr in Deutschland befindet, hält es der Bundesrat für erforderlich, die Branche von der Luftverkehrsteuer zu entlasten. Er fordert die Bundesregierung daher unabhängig von der Unterstützung des Gesetzes zur Änderung des Energiesteuer- und des Stromsteuergesetzes sowie zur Änderung des Luftverkehrsteuergesetzes auf, noch in dieser Legislaturperiode ein Gesetz zur Abschaffung der Steuer vorzulegen.
Auch wenn in der Fortschreibung des INFRAS-Gutachtens vom 9. Oktober 2012 für den Passagierluftverkehr auch im Jahr 2012 ein Wachstum von 2,7 Prozent prognostiziert wird, findet dieses jedoch ausschließlich auf internationalen Verbindungen statt. Die Passagierzahlen im Inlandsflugverkehr werden nach Einschätzung der Gutachter dagegen um 1,7 Prozent zurückgehen. Dass dies die Auslastung der kleineren internationalen Verkehrsflughäfen beeinträchtigt, die mangels Funktion als internationales Drehkreuz einen höheren Anteil an Inlandsverbindungen aufweisen, liegt auf der Hand. Diese Einschätzung bestätigen auch die Monatsstatistiken des Flughafenverbandes ADV, nach denen sich das Passagierwachstum im Wesentlichen auf die sechs größten internationalen Verkehrsflughäfen konzentriert.
Mitverantwortlich für den Rückgang des innerdeutschen Passagierluftverkehrs ist vor allem auch das Low Cost Segment, in dem das Streckenangebot gegenüber dem Vorjahr nochmals deutlich reduziert wurde. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt sieht dies in seinem Low Cost Monitor 2/2012 als eine Folge der im Jahr 2011 eingeführten Luftverkehrsteuer, die bei Inlandsverbindungen auf den Hin- und Rückflug erhoben wird, so dass sie eine massive Zusatzbelastung darstellt. Gerade der Inlandsluftverkehr reagiert aufgrund niedriger Margen empfindlich auf zusätzliche Kostenfaktoren.
Dass die Luftverkehrsteuer die Entwicklung des Luftverkehrs in Deutschland im Jahr 2011 beeinträchtigt hat, bestätigt auch das INFRAS-Gutachten - 2 Millionen weniger Passagiere ist die ernüchternde Bilanz des deutschen Alleinganges. Diese Wachstumsdelle wird absehbar auch im Jahr 2012 nicht aufgeholt werden können. Vielmehr findet ein nach Einschätzung der Gutachter reguläres Wachstum ausgehend von einem niedrigeren Niveau statt, so dass der Schaden für den Luftverkehrsstandort bleibt.
Mittel- und langfristig führt die Luftverkehrsteuer zu einer nachhaltigen Schwächung der deutschen Luftverkehrswirtschaft, da deutsche Fluggesellschaften, bedingt durch den hohen Anteil an Abflügen von inländischen Flughäfen am gesamten Flugangebot, höher belastet werden als die ausländische Konkurrenz. Insoweit besteht ein größerer Druck zur Weitergabe dieser Zusatzkosten an die Passagiere. Ausländische Fluggesellschaften mit einem geringeren Anteil an Anflügen von inländischen Flughäfen können die luftverkehrsteuerinduzierten Zusatzkosten dagegen leichter abfangen, was ihnen einen Wettbewerbsvorteil verschafft.