A.
Der federführende Verkehrsausschuss (Vk) und
der Ausschuss für Innere Angelegenheiten (In)
empfehlen dem Bundesrat, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Abs. 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:
- 1. Zum Gesetzentwurf allgemein
Das mit dem vorliegenden Gesetzentwurf verfolgte Ziel einer teilweisen Kapitalprivatisierung der Deutsche Flugsicherung GmbH (DFS) wird im Grundsatz nicht in Frage gestellt.
Ungeachtet des Erfordernisses, dass eine sichere, geordnete und flüssige Abwicklung des Luftverkehrs auf hohem Niveau auf Dauer gewährleistet sein muss, muss im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens im volkswirtschaftlichen Interesse, aber auch im Interesse der Flughäfen und Luftverkehrsgesellschaften besonderes Augenmerk auf die Wirtschaftlichkeit der Aufgabenerfüllung durch beliehene Flugsicherungsorganisationen gerichtet werden.
Eine mehrheitliche Privatisierung der DFS setzt eine Klärung folgender Fragen voraus:
- - Die Flugverkehrsdienste als Kernbereich der Flugsicherungsdienste bleiben eine hoheitliche Aufgabe des Bundes. Die bestmögliche Erfüllung dieser für die Sicherheit im Luftraum elementaren Aufgabe muss bei der Ausgestaltung der Privatisierung im Vordergrund stehen. Die Flugsicherung muss auch in Zukunft eine sichere, geordnete und flüssige Abwicklung des Luftverkehrs gewährleisten und nachfragegerecht Flugsicherungspersona1 und -infrastruktur vorhalten.
- - Es muss auch überprüft werden, ob die in § 4 Abs. 4 FSG geregelten Verlängerungs- und Kündigungsfristen Hemmnisse für eine effiziente Aufgabenerfüllung bewirken.
- - Die Grundentscheidung für die Einführung von Wettbewerb ist angesichts der beabsichtigten Kapitalprivatisierung konsequent. Die Durchführung im Gesetzentwurf erscheint jedoch nicht widerspruchsfrei. Eine Rechtfertigung für die unterschiedliche Beleihungsdauer von regelmäßig acht Jahren bei gleichzeitiger Einräumung eines Bestandschutzes von 16 bzw. 20 Jahren für die wesentlichen Dienste der DFS ist nicht erkennbar. Insofern ist auch zu überprüfen, ob der Wettbewerb durch eine Verkürzung der Exklusivitätsregelung des § 16 Abs. 3 FSG gestärkt werden kann. Sofern zwingende Gründe für den Bestandsschutz der DFS sprechen, könnte sich aus ordnungspolitischen Gründen eine befristete Beibehaltung einer Mehrheitsbeteiligung durch die öffentliche Hand empfehlen.
- - Die wirtschaftlichen Auswirkungen einer möglichen Privatisierung müssen die Wettbewerbsfähigkeit des Luftverkehrsstandortes Deutschland stärken. Für die Nutzer dürfen sich keinesfalls höhere Belastungen ergeben. Produktivitätsfortschritte müssen auch den Nutzern zugute kommen. Die vorgesehene Festlegung von Obergrenzen für eine angemessene Verzinsung des eingesetzten Kapitals sollte dem öffentlichen Charakter der Aufgabe gerecht werden.
- - Weiterhin sollte erwogen werden, ob der Wettbewerb dadurch gestärkt werden kann, dass der Beleihung, soweit nicht die genannte Exklusivitätsregelung greift, eine Auswahlentscheidung auf Grund einer vorausgehenden Ausschreibung vorgeschaltet wird.
- - Eine mögliche Privatisierung sollte wettbewerbsneutra1 erfolgen und eine angemessene und ausgewogene Einbindung der deutschen Luftverkehrsunternehmen und Flughäfen vorsehen, da so am besten eine effiziente Aufgabenerbringung gewährleistet werden kann.
- - Schließlich sollte überprüft werden, ob in die Regelungen über die Kosten und Erlöse der Flugsicherungsorganisation sowie über die Gebührengestaltung stärkere Anreize und/oder Verpflichtungen zur effizienten Aufgabenerfüllung aufzunehmen sind.
- 2. Zu Artikel 1 (§ 1 Abs. 1 Satz 2 - neu - FSG)
In Artikel 1 ist dem § 1 Abs. 1 folgender Satz 2 anzufügen:
- Sie umfasst insbesondere die Flugverkehrskontrolle zur Überwachung und Lenkung der Bewegungen im Luftraum und auf den Rollflächen von Flugplätzen, einschließlich der Überprüfung, Warnung und Umleitung von Luftfahrzeugen im Luftraum.
Begründung
Nach der vorliegenden Gesetzesbegründung nimmt Absatz 1 den im geltenden § 27c Abs. 1 LuftVG enthaltenen Grundsatz auf, dass die Flugsicherung der sicheren, geordneten und flüssigen Abwicklung des Luftverkehrs dient; damit soll dieser wichtige Grundsatz, der zugleich eine Definition der Flugsicherung vornimmt, im Flugsicherungsgesetz noch einmal ausdrücklich verankert werden, weil eine solche Regelung die SES-Verordnungen nicht enthalten. Damit wird aber nicht die Kernaufgabe der Flugsicherung näher definiert, nämlich die Flugverkehrskontrolle zur Überwachung und Lenkung der Bewegungen im Luftraum und auf den Rollflächen von Flugplätzen, einschließlich der Überprüfung, Warnung und Umleitung von Luftfahrzeugen im Luftraum, wie sie in dem geltenden § 27c Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a festgelegt ist.
Mit der Verabschiedung des Luftsicherheitsgesetzes hatte der Gesetzgeber insbesondere die Notwendigkeit gesehen, zur Klarstellung der Aufgabenstellung der Flugsicherung § 27c Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a um den Halbsatz "einschließlich der Überprüfung, Warnung und Umleitung von Luftfahrzeugen im Luftraum" zu ergänzen. Damit wurde die Grundlage für "sonstige Maßnahmen" nach § 15 LuftSiG geschaffen, die im Vorfeld der Maßnahmen nach § 14 Abs. 1 und 3 LuftSiG erfolgen sollen. Diese Klarstellung ist in dem jetzt vorliegenden Gesetzentwurf nicht mehr enthalten.
Die Notwendigkeit, zu Großveranstaltungen wie dem Weltjugendtag in Köln vom 16. bis 21. August 2005 oder der Fußballweltmeisterschaft in 2006, aber auch zum Objektschutz bedeutender Einrichtungen wie das Regierungsviertel in Berlin Gebiete mit Flugbeschränkungen einzurichten, die von der Flugsicherung entsprechend überwacht werden, erfordert eine eindeutige gesetzliche Aufgabenzuweisung für die Flugsicherung. Die im Gesetzentwurf vorgesehene Definition der Flugsicherung ist nicht ausreichend, insbesondere weil die Überprüfung, Warnung und Umleitung von Luftfahrzeugen im Luftraum in den SES-Verordnungen nicht enthalten ist. Deshalb bedarf der Gesetzentwurf der o. a. Ergänzung.
- 3. Zu Artikel 1 (§ 8 Abs. 3 - neu - FSG)
Dem § 8 ist folgender Absatz anzufügen:
- (3) Werden lizensierte Fluglotsen, die von einem Flugplatzunternehmer oder einem Land beschäftigt werden, einer beliehenen Flugsicherungsorganisation überlassen, stellt der weitere Einsatz dieser Fluglotsen im Betrieb des Flugplatzunternehmers einen Verleih an Dritte im Sinne des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes dar." Als Folge ist die Überschrift von § 8 wie folgt zu fassen: "Verpflichtungen der Flugplatzunternehmen und Arbeitnehmerüberlassung
Begründung
Derzeit werden an den Flugplätzen mit Kontrollzone, für die der Bund keinen Bedarf anerkannt hat, einzeln beliehene Fluglotsen gemäß § 31b Abs. 1 Satz 2 LuftVG als Beschäftigte des einzelnen Flugplatzes oder eines Landes eingesetzt. Zukünftig dürfen dagegen nach den Regelungen des vorliegenden Gesetzentwurfs nur noch beliehene Flugsicherungsorganisationen die Flugsicherung ausüben. Den insoweit beliehenen Fluglotsen an Regionalflughäfen und Verkehrslandeplätzen ist damit die Fortsetzung ihrer Tätigkeit verwehrt. Um eine ordnungsgemäße und möglichst reibungslose Abwicklung des Luftverkehrs auch weiterhin zu gewährleisten und um insbesondere für die Fluglotsen einen Verlust ihres Arbeitsplatzes zu vermeiden, gilt es, eine Lösung zu finden, die den Interessen der Fluglotsen an der Aufrechterhaltung ihres Arbeitsplatzes und den Zielsetzungen des vorliegenden Gesetzentwurfs gerecht wird. Eine solche Lösung liegt in der Arbeitnehmerüberlassung. Den Flugplatzunternehmern und den Ländern sollte es ermöglicht werden, einer beliehenen Flugsicherungsorganisation im Wege der Entleihe die an ihren Flugplätzen tätigen lizenzierten Fluglotsen zu überlassen. Um möglichen Zweifeln hinsichtlich der Anwendbarkeit der Regelungen des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes vorzubeugen, ist eine gesetzliche Klarstellung erforderlich, die es erlaubt, die Regelungen des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes auch für den Fall anzuwenden, in denen der Einsatzort der Fluglotsen im Betrieb des Verleihers und damit im Betrieb ihres Arbeitgebers (Flugplatz oder Land) verbleibt.
- 4. Zu Artikel 1 (§ 10 Abs. 1a - neu - FSG)
In Artikel 1 ist in § 10 nach Absatz 1 folgender Absatz einzufügen:
- (1a) Auf Antrag der beliehenen Flugsicherungsorganisation kann die Beleihung widerrufen werden. Der Widerruf kann mit Nebenbestimmungen versehen werden.
Begründung
Die Möglichkeit, die Beleihung auf Antrag zu widerrufen, sollte den Interessen der beliehenen Flugsicherungsorganisationen Rechnung tragen, die aus betrieblichen oder anderen Gründen gezwungen sind, die Wahrnehmung der übertragenen Aufgaben einzustellen. Den Flugsicherungsorganisationen sollte daher ermöglicht werden, einen Antrag auf Beendigung der Beleihung zu stellen; die Entscheidung hierüber steht im pflichtgemäßen Ermessen der zuständigen Stelle. Zur Wahrung der öffentlichen Interessen sind jedoch im Hinblick auf den Widerruf Zeitpunkt, Art und Weise der Übergabe zu regeln. Insbesondere muss auch künftig die Erfüllung internationaler Verpflichtungen (ICAO) gewährleistet sein. Dies ist durch Nebenbestimmungen sicherzustellen.
- 5. Zu Artikel 1 (§ 12 Abs. 1 FSG) allgemein
§ 12 Abs. 1 FSG-E enthält die Ermächtigung zum Erlass einer Rechtsverordnung. Nach Nummer 3 dieser Vorschrift können in einer Rechtsverordnung u. a. Anforderungen an das Höchstalter für das erlaubnispflichtige Flugsicherungsbetriebspersona1 in den Flugverkehrskontrolldiensten (Fluglotsen) festgelegt werden. Der Bundesrat bittet, das Höchstalter in der noch zu erlassenden Rechtsverordnung - anders als in der Gesetzesbegründung ausgeführt - nicht für alle Einsatzbereiche starr auf 55 Jahre festzulegen. Mögliche Höchstaltersgrenzen sollten sich orientieren an wissenschaftlichen Erkenntnissen über gesundheitliche und kognitive Fähigkeiten unter Berücksichtigung eines in Frage kommenden Einsatzbereiches, d.h. der Einsatz in der Streckenverkehrskontrolle, im An/Abflugbereich und in der Flugplatzkontrolle könnten gesondert betrachtet werden. An Flugplätzen könnte die Höhe des Verkehrsaufkommens eine Rolle spielen. Eine solche Neubetrachtung erscheint sachgerecht vor dem Hintergrund, dass das Höchstalter der Berufspiloten derzeit bei 65 Jahren liegt. Dabei wird konzediert, dass die Tätigkeiten eines Piloten und eines Lotsen nicht unmittelbar vergleichbar sind. Gleichermaßen muss der Sicherheitsaspekt Vorrang vor finanziellen Erwägungen behalten.
- 6. Zu Artikel 2 Nr. 23 Buchstabe a und d (§ 32b Abs. 1 und 4 Satz 1 LuftVG) In Artikel 2 ist die Nummer 23 wie folgt zu ändern:
- a) In Buchstabe a sind nach den Wörtern "des Bundesaufsichtsamts für Flugsicherung" die Wörter "und der jeweils zuständigen beliehenen Flugsicherungsorganisation" einzufügen.
- b) Buchstabe d ist wie folgt zu fassen:
'In Absatz 4 Satz 1 werden die Wörter "Vertreter der für die Flugverkehrskontrolle zuständigen Stelle," gestrichen.'
Begründung
Nach der Begründung der Regierungsvorlage sollen die in § 32b LuftVG vorgenommenen Änderungen die neue Organisationsstruktur der Flugsicherung widerspiegeln. Die Aufgaben der hiernach bislang "für die Flugsicherung zuständigen Stelle" werden künftig durch das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung und durch die jeweils zuständigen beliehenen Flugsicherungsorganisationen wahrgenommen. Da Aufgabe der Kommission nach § 32b LuftVG die Beratung der Flugsicherung insbesondere in ihrer Gesamtheit ist, würde die Beschränkung der Beratungstätigkeit auf die Beratung nur des Bundesaufsichtsamts für Flugsicherung zu kurz greifen. Eine Erstreckung der Beratungsaufgaben auch auf die Beratung der jeweils zuständigen beliehenen Flugsicherungsorganisationen erscheint angebracht, um die neue Organisationsstruktur der Flugsicherung in § 32b LuftVG insgesamt zu erfassen (vgl. Buchstabe a).
Die Änderung in Buchstabe d ist eine redaktionelle Folgeanpassung im Hinblick auf die Änderung von Buchstabe a, die damit auch bei der Zusammensetzung der Kommission nach § 32b LuftVG die neue Organisationsstruktur der Flugsicherung abbildet und insbesondere ausschließt, dass die jeweiligen Flugsicherungsorganisationen in die Lage versetzt werden, sich selbst zu beraten.
B.
- 7. Der Rechtsausschuss empfiehlt dem Bundesrat, gegen den Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Abs. 2 des Grundgesetzes keine Einwendungen zu erheben.