909. Sitzung des Bundesrates am 3. Mai 2013
A
Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union (EU), der Rechtsausschuss (R) und der Wirtschaftsausschuss (Wi) empfehlen dem Bundesrat, zu der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG wie folgt Stellung zu nehmen:
- 1. Der Bundesrat hat Bedenken gegen die in Artikel 17 Absatz 2 vorgeschlagene Regelung, bei Verstößen gegen Verpflichtungen, die juristische Personen betreffen, Sanktionen gegen die Mitglieder der Leitungsorgane zu verhängen. Aus rechtsstaatlichen Gründen sollte diese Regelung dahingehend präzisiert werden, dass eine Sanktionierung stets ein eigenes, vorwerfbares Fehlverhalten des Sanktionierten - sei es durch aktives Tun oder pflichtwidriges Unterlassen - voraussetzt.
- 2. Der Bundesrat hat Bedenken gegen die Regelung in Artikel 18 Absatz 2 Buchstabe a und Artikel 19 des Verordnungsvorschlags, soweit im Regelfall die Veröffentlichung verhängter Verwaltungssanktionen von Amts wegen vorgeschrieben wird, wobei grundsätzlich auch die Personalien der sanktionierten Person benannt werden sollen.
Abgesehen davon, dass ein solcher "Pranger" dem deutschen Recht bisher aus gutem Grund weitgehend fremd ist, da er unter Berücksichtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in Verbindung mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verfassungsrechtlich nur unter engen Voraussetzungen zulässig sein kann, stünde eine derartige Regelung in einem unauflösbaren Widerspruch zu den geltenden ordnungswidrigkeitenrechtlichen Vorschriften über die Informationserteilung aus Bußgeldverfahren. Die §§ 49a und 49b OWiG nehmen insoweit auf die entsprechenden Vorschriften in der Strafprozessordnung (StPO) Bezug. Danach findet eine Informationsübermittlung an unbeteiligte Privatpersonen von Amts wegen nicht statt. Auf Ersuchen können gemäß § 49b OWiG in Verbindung mit § 475 Absatz 1 und 4 StPO Privatpersonen Auskünfte aus Akten erhalten, sofern sie hierfür ein berechtigtes Interesse darlegen. Auskünfte sind demgegenüber zu versagen, wenn der hiervon Betroffene ein schutzwürdiges Interesse an der Versagung hat.
Diesem abgewogenen und seit langem bewährten System entspricht es nicht, wenn das Ergebnis eines Bußgeldverfahrens von Amts wegen für jeden zugänglich veröffentlicht wird und dabei in der Regel auch die Nennung des Namens der sanktionierten Person erfolgt, die nur unterbleiben darf, wenn die Bekanntmachung des Namens den Beteiligten "einen unverhältnismäßig großen Schaden zufügen" würde.
- 3. Artikel 18 Absatz 2 Buchstabe e des Verordnungsvorschlags sieht bei der Sanktionierung juristischer Personen eine umsatzbezogene Geldbuße vor. Eine solche Regelung kennt das deutsche Recht bisher - soweit ersichtlich - nur in § 81 Absatz 4 Satz 2 GWB.
Abgesehen davon, dass ein rein umsatzbezogener Bußgeldrahmen ohne durch den Gesetzgeber bestimmten Höchstsatz verfassungsrechtlich nicht unbedenklich erscheint (vgl. Göhler, OWiG, 16. Auflage 2012, § 17 Rnr. 48c), sollte davon Abstand genommen werden, das Höchstmaß einer gegen eine juristische Person zu verhängenden Verwaltungsgeldstrafe mit zehn Prozent des Gesamtumsatzes "im vorangegangenen Geschäftsjahr" zu bemessen. Denn durch diese Formulierung bleibt offen, ob das Geschäftsjahr gemeint ist, das der Tat vorausging, das vor der Behördenentscheidung oder dasjenige vor der (ggf. letzten) gerichtlichen Tatsacheninstanz.
- 4. Der Bundesrat hat zudem Bedenken gegen die Regelung in Artikel 18 Absatz 2 Buchstabe g des Verordnungsvorschlags. Nach dieser Vorschrift sind Verwaltungsgeldstrafen in maximal zweifacher Höhe der infolge des Verstoßes erzielten Gewinne oder verhinderten Verluste, soweit diese sich beziffern lassen, vorzusehen. Durch eine solche Regelung würden jedoch Fragen der Sanktionierung und der Gewinnabschöpfung vermischt, was der bewährten Systematik des deutschen Rechts widerspricht, das in § 17 Absatz 4 OWiG zwischen dem sanktionierenden und dem abschöpfenden Teil einer Geldbuße trennt, und daher unterbleiben sollte. Angesichts des Bußgeldhöchstsatzes von fünf Millionen Euro (gemäß § 17 Absatz 4 Satz 2 OWiG ggf. zuzüglich des - einfachen - aus der Tat gezogenen Vorteils) ist zudem kein praktisches Bedürfnis für eine derartige Regelung für natürliche Personen zu erkennen.
- 5. Der Bundesrat weist darauf hin, dass die von der Kommission vorgeschlagenen Maßnahmen zur Förderung der Meldung von Verstößen an die zuständigen Behörden ("Whistle Blowing", Artikel 21) eine Thematik berühren, die nicht nur für die Geldwäscheprävention, sondern horizontal in vielen Bereichen von Bedeutung ist. Eine sektorale Harmonisierung auf europäischer Ebene birgt die Gefahr inkohärenter Lösungsansätze [und ist daher abzulehnen]. Weiterhin wird vorsorglich darauf hingewiesen, dass die in Artikel 21 Absatz 3 für alle Verpflichteten vorgeschriebene Einrichtung eines internen Meldeverfahrens über einen speziellen Kanal allein aufgrund der Größe der betroffenen KMU nicht möglich sein wird.
B
- 7. Der Finanzausschuss und der Ausschuss für Innere Angelegenheiten empfehlen dem Bundesrat, von der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG Kenntnis zu nehmen.