Unterrichtung durch das Europäische Parlament
Entschließung des Europäischen Parlaments zu Frauen in der internationalen Politik (2006/2057(INI))

Zugeleitet mit Schreiben des Generalsekretärs des Europäischen Parlaments - 6410 - vom 14. Dezember 2006.

Das Europäische Parlament hat die Entschließung in der Sitzung am 16. November 2006 angenommen.

Das Europäische Parlament,

A. in der Erwägung, dass die Beijing-Konferenz im Jahre 1995 richtungweisend war für Fortschritte bei der Geschlechtergleichstellung, auch im Hinblick auf die Vertretung der Frauen in der Politik,

B. in der Erwägung, dass eine ausgewogene Beteiligung von Frauen und Männern am politischen Prozess und an der Entscheidungsfindung die Zusammensetzung der Gesellschaft wahrheitsgetreuer widerspiegeln wird sowie für künftige Generationen und das ordnungsgemäße Funktionieren demokratischer Gesellschaften von wesentlicher Bedeutung ist,

C. in der Erwägung, dass eine verantwortungsvolle Regierungsführung die Achtung der Grundfreiheiten und die Behandlung der Rechte der Frauen als grundlegende Rechte beinhaltet

D. in der Erwägung, dass die Situation von Frauen in der internationalen Politik in erster Linie von der Situation der Frauen auf nationaler Ebene und von den auf nationaler Ebene verfolgten Strategien zur Frauenförderung abhängt,

E. in Erwägung der bedeutsamen Rolle, die der Generalsekretär der Vereinten Nationen durch die Personalpolitik der Vereinten Nationen spielt, mit der er ein Beispiel für ein ausgewogeneres Verhältnis der Geschlechter auf der internationalen politischen Bühne gibt

F. in der Erwägung, dass von den 191 Ländern, die derzeit Mitglieder der Vereinten Nationen sind, lediglich 47 das Übereinkommen über die politischen Rechte der Frau vom 20. Dezember 1952 unterzeichnet und 115 Länder Vertragsparteien dieses Übereinkommens sind, und in der Erwägung, dass demzufolge die Frauen ihre politischen Rechte nicht uneingeschränkt ausüben können und ihnen eine Beteiligung an Wahlen oder das Bekleiden öffentlicher Ämter in einer Reihe von Ländern verwehrt ist G. in der Erwägung, dass nach Angaben der Interparlamentarischen Union von den weltweit 43 961 Parlamentsmitgliedern (sowohl im Unter- als auch Oberhaus) nur 16,4 % Frauen sind (d. h. 7 195); in der Erwägung, dass die skandinavischen Länder über die höchste Anzahl weiblicher Abgeordneten verfügen (40 %), gefolgt von Amerika (19, 6%) und Europa (OSZE-Länder ohne skandinavische Länder) mit durchschnittlich 16, 9%, was leicht über den Ländern südlich der Sahara (16,4 %), Asien (16,3 %), Pazifik (12 %) und den arabischen Staaten (8.3%) liegt,

H. in der Erwägung, dass diese Prozentsätze ein Demokratiedefizit sowohl auf europäischer Ebene als auch im weiteren internationalen Zusammenhang erkennen lassen I. in der Erwägung, dass trotz der rechtlichen Gleichstellung in den meisten europäischen Ländern weltweit de facto nach wie vor Ungleichheiten zwischen Frauen und Männern in den Bereichen Aufteilung der Macht, Verantwortung sowie Zugang zu wirtschaftlichen sozialen und kulturellen Gütern aufgrund des Fortbestands der vorherrschenden Rollenverteilung und deren Auswirkung auf die ungleiche Aufteilung von familiären Pflichten und der Vereinbarung von Familien- und Berufsleben für die meisten Frauen bestehen,

J. in der Erwägung, dass ungeachtet der in den vergangenen 30 Jahren eingeführten gemeinschaftlichen und nationalen Rechtsvorschriften nach wie vor in der gesamten Europäischen Union ein geschlechtsspezifisches Lohngefälle für gleichwertige Arbeit von durchschnittlich 15 % besteht,

K. in der Erwägung, dass heute mehr Frauen als Männer einen Hochschulabschluss haben,

L. in der Erwägung, dass die Auflage, nach Geschlechtern ausgewogene Kandidatenlisten einzuführen nicht wirksam wäre, wenn die Frauen allesamt am Ende der Liste platziert würden und in der Erwägung, dass eine perfekt nach dem Reißverschlussverfahren erstellte Liste das gewünschte Ergebnis nicht erzielen könnte, wenn das Land ein Wahlsystem mit einer offenen Liste verwendet, bei der die Wähler die Reihenfolge der Kandidaten auf der Liste ändern können,

M. unter Hinweis auf die entscheidende Rolle, die die Parteien dabei spielen, eine stärkere Vertretung der Frauen in der Politik zu verhindern bzw. mit unterschiedlichen Mitteln ihre Vertretung zu stärken; unter Hinweis darauf, dass zwar mehr und mehr Parteien behaupten ihre allgemeine Mitgliedschaft sei geschlechterausgewogen, dass die oberen Ebenen der Parteien dies jedoch selten zum Ausdruck bringen, da weltweit lediglich 11 % der Parteiführer Frauen sind,

N. mit großem Interesse zur Kenntnis nehmend, dass ein ganzes Spektrum sonstiger Instrumente zur Verfügung steht, um dafür zu sorgen, dass Frauen in der Politik stärker vertreten sind, z.B. positive Diskriminierung mit dem Ziel, die Präsenz und Aktivität von Frauen in Parlamenten und in anderen gewählten Positionen zu gewährleisten,

O. unter Hervorhebung der Tatsache, dass in den Ländern, in denen Konflikte stattgefunden haben und deren Wahlsysteme und Wahlen von den Vereinten Nationen entwickelt und organisiert wurden, die Wahrscheinlichkeit, dass Frauen in Ämter gewählt werden, größer ist, da die Vereinten Nationen dort eine ausgewogenere Geschlechtervertretung durchgesetzt haben,

P. in der Erwägung, dass die kulturelle Akzeptanz einer ausgewogenen Entscheidungsfindung durch Sensibilisierungskampagnen verändert werden muss, und in der Erwägung, dass für eine Ausgewogenheit der Geschlechter in der Politik häufig Veränderungen in der Einstellung der Bevölkerung erforderlich sind,

Q. in der Erwägung, dass die Aufteilung der familiären Pflichten auf Frauen und Männer einen Einfluss auf die uneingeschränkte Mitwirkung der Frauen in der Politik hat,

R. in Anerkennung der Schlüsselrolle von Nichtregierungs- und Freiwilligenorganisationen bei den Bemühungen, auf die Gesellschaft insgesamt einzuwirken damit sie ein ausgewogeneres Geschlechtergleichgewicht in der Politik akzeptiert S. in der Erwägung, dass Frauen durch ihre Mitwirkung an der Basis einen positiven Beitrag zum Entstehen einer Kultur der Veränderung in Geschlechterfragen und in wesentlichen gesellschaftlichen und politischen Fragen insgesamt leisten können und bereits geleistet haben,

T. in Erwägung der Bedeutung einer frühen Erziehung und Ausbildung, damit Frauen das Wissen, die Fähigkeiten und das Vertrauen entwickeln, die für eine uneingeschränkte Mitwirkung in Gesellschaft und Politik erforderlich sind,

U. in Erwägung des Beitrags, den Frauen geleistet haben, um auf ihre besonderen Bedürfnisse aufmerksam zu machen, damit die künftige Politik eine Geschlechterperspektive beinhaltet und der Demokratie insgesamt besser dient,

V. unter Hervorhebung der Tatsache, dass die Anerkennung für Frauen durch ihre Geschlechtsgenossinnen für ihren positiven Beitrag zur internationalen Politik von wesentlicher Bedeutung für die Entstehung einer nach Geschlechtern ausgewogeneren politischen Kultur ist, und unter Hinweis darauf, dass nur 12 der 92 Friedensnobelpreisträger Frauen sind,


1 ABl. C 364 vom 18.12.2000, S. 1.
2 ABl. C 168 vom 4.7.1995, S. 3.
3 ABl. L 319 vom 10.12.1996, S. 11.
4 ABl. C 346 vom 4.12.2000, S. 82.
5 ABl. C 228 vom 13.8.2001, S. 186.
6 Angenommene Texte, P6_TA(2006)0245.