Unterrichtung durch das Europäische Parlament
Entschließung des Europäischen Parlaments zu der derzeitigen Lage bei der Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen und künftige Maßnahmen

Entschließung in der Sitzung am 2. Februar 2006 angenommen.

Entschließung des Europäischen Parlaments zu der derzeitigen Lage bei der Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen und künftige Maßnahmen (2004/2220(INI))

Das Europäische Parlament,

A. in der Erwägung, dass Gewalt gegen Frauen in der UN-Erklärung über die Beseitigung der Gewalt gegen Frauen als jede gegen Frauen aufgrund ihrer Geschlechtszugehörigkeit gerichtete Gewalthandlung, durch die Frauen körperlicher, sexueller oder psychologischer Schaden oder Leid zugefügt wird oder zugefügt werden kann einschließlich der Androhung derartiger Handlungen, der Nötigung und der willkürlichen Freiheitsberaubung, gleichviel ob im öffentlichen oder im privaten Bereich, definiert wurde,

B. unter Hinweis auf Artikel 6 der oben genannten UN-Erklärung, in dem festgestellt wird dass nichts in dieser Erklärung einer Bestimmung entgegen steht, die die Beseitigung der Gewalt gegen Frauen in stärkerem Maße fördert und in den Rechtsvorschriften eines Staates oder irgendeiner internationalen Konvention, einem Vertrag oder einem anderen in einem Mitgliedstaat geltenden Rechtsinstrument enthalten ist,

C. in der Erwägung, dass Gewalt in vielen Arten von Beziehungen vorkommt und dass in wissenschaftlichen Studien unterschiedliche Definitionen von Gewalt verwendet werden und auch das kulturelle Umfeld verschieden ist; in der Erwägung, dass der Schwerpunkt in dieser Entschließung auf der Gewalt von Männern gegen Frauen liegt, Fällen also, in denen der Täter ein Mann und das Opfer eine Frau ist, die in einer Beziehung zu dem Täter steht oder stand; in der Erwägung, dass diese Art von Gewalt den drei in Finnland, Schweden und Deutschland durchgeführten Prävalenzstudien zufolge die überwiegende Mehrheit der Fälle von Gewaltanwendung in engen Beziehungen darstellt; in der Erwägung, dass, obwohl sich viele Fälle dieser Art von Gewalt zu Hause abspielen, der Ort, an dem die Gewalthandlung stattfindet, von untergeordneter Bedeutung ist,

D. in der Erwägung, dass Gewalt von Männern gegen Frauen nicht nur strafbar ist sondern auch ein ernstes gesellschaftliches Problem darstellt; in der Erwägung, dass Gewalt gegen Frauen eine Verletzung von Menschenrechten - insbesondere des Rechts auf Leben, des Rechts auf Sicherheit, Würde und des Rechts auf physische sowie psychische Unversehrtheit - darstellt und daher die Gewalt von Männern gegen Frauen die Entwicklung einer demokratischen Gesellschaft behindert,

E. unter Hinweis darauf, dass Gewalt von Männern gegen Frauen Frauen aller Altersgruppen ungeachtet ihrer Ausbildung, ihres Einkommens und ihrer sozialen Stellung betreffen kann; unter Hinweis darauf, dass umfassende Prävalenzstudien in Schweden, Deutschland und Finnland ergeben, dass mindestens 30 bis 35 % der Frauen zwischen 16 und 67 Jahren irgendwann in ihrem Leben Opfer von physischer oder sexueller Gewalt waren12; rechnet man psychische Gewalt hinzu, so beträgt der Anteil der betroffenen Frauen auf zwischen 45 und 50% an,

F. unter Hinweis darauf, dass Gewalt von Männern gegen Frauen ein weltweites Phänomen ist, das mit der ungleichen Verteilung von Geschlechtermacht verbunden ist, von der unsere Gesellschaft immer noch geprägt ist; mangelnde Geschlechtergleichstellung ist ebenfalls eine Ursache dafür, dass diese Art von Verbrechen nicht hinreichend untersucht und strafrechtlich verfolgt wird,

G. unter Hinweis darauf, dass die Gewalt, der Frauen ausgesetzt sind, üblicherweise von engen Verwandten oder Partnern ausgeübt wird,

H. in der Erwägung, dass neben der Ergreifung von Maßnahmen zum Schutz der Opfer von Gewalt einerseits auch die Notwendigkeit zu proaktiven und präventiven Strategien besteht, die auf Gewalttäter und solche, die gefährdet sind, auch zu Tätern zu werden, ausgerichtet sind und andererseits wirksame, angemessene und abschreckende Strafmaßnahmen umfassen,

I. unter Hinweis darauf, dass die Arten von Gewalt gegen Frauen sehr unterschiedlich sein können, je nach kulturellem, ethnischem und sozialem Hintergrund, und dass weibliche Genitalverstümmelung und so genannte Ehrenverbrechen sowie Zwangsehen jetzt auch in der Europäischen Union Realität sind,

J. in der Erwägung, dass Gewalt von Männern gegen Frauen oft im Verborgenen und im eigenen Heim stattfindet; dies ist nur möglich, solange nicht von der Gesellschaft angemessene Sanktionen verhängt werden; historisch und kulturell tief verwurzelte Normen tragen häufig dazu bei, dass Gewalt von Männern gegen Frauen legitimiert wird,

K. in der Erwägung, dass nur einige wenige Mitgliedstaaten Daten gesammelt und statistische Angaben betreffend die Prävalenz von verschiedenen Formen von Gewalt von Männern gegen Frauen zusammengestellt haben, was es zum einen schwierig macht das tatsächliche Ausmaß dieser Gewalt zu begreifen und zum anderen eine effiziente Antwort auf EU-Ebene auszuarbeiten,

L. unter Hinweis darauf, dass keine ausführliche EU-weite Studie über die Kosten und sozialen sowie menschlichen Folgen der Gewalt von Männern gegen Frauen durchgeführt wurde; indessen ist eine solche Studie für die Hervorhebung des Phänomens und die Bekämpfung dieser schwerwiegenden Menschenrechtsverletzung von wesentlicher Bedeutung,

M. in der Erwägung, dass Gewalt von Männern gegen Frauen ein wichtiger Faktor im Leben solcher Frauen und Mädchen ist, die Opfer von Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung, einschließlich der Prostitution oder zu anderen Zwecken werden in der Erwägung, dass Untersuchungen zeigen, dass 65-90% aller Prostituierten in der Vergangenheit Opfer sexuellen Missbrauchs waren,

N. in der Erwägung, dass die Ausgrenzung und die Armut wesentliche Gründe für die Prostitution und die Zunahme des Frauenhandels sind,

O. unter Hinweis darauf, dass Gewalt von Männern gegen Frauen Frauen daran hindert, an der Gesellschaft und am Arbeitsmarkt teilzunehmen und zu Marginalisierung von Frauen und Armut führen kann,

P. unter Hinweis darauf, dass eine große Anzahl von Berichten darüber vorliegt, dass Frauen am stärksten während oder kurz nach der Trennung von ihren Partnern oder früheren Partnern gefährdet sind, durch diese rohe Gewaltanwendung zu erleiden,

Q. in der Erwägung, dass Gewalt gegen Mütter die emotionale und psychische Gesundheit ihrer Kinder direkt und indirekt betrifft und kurz- und langfristige negative Auswirkungen auf sie hat und einen Zyklus von Gewalt und Missbrauch schaffen kann, der über Generationen fortgesetzt wird,

R. in der Erwägung, dass, ganz abgesehen von der Tatsache, dass Frauen oft finanziell von Männern abhängig sind, sie oft keine Anzeige gegen sie erstatten, wenn sie Opfer insbesondere häuslicher oder sexueller Gewalt geworden sind, da in der Gesellschaft der anhaltende Mythos besteht, dass sie selbst für die Gewalt verantwortlich sind oder dass diese eine private Angelegenheit ist, oder aber aus dem Wunsch resultiert, ihre Beziehung und ihre Familie zu erhalten; in der Erwägung, dass ein anderer Grund dafür dass Frauen dazu neigen, Gewaltübergriffe nicht zu melden, in ihrem mangelnden Vertrauen oder Zutrauen zur Polizei, dem Rechtswesen insgesamt und zu den sozialen Einrichtungen besteht,

S. unter Hinweis darauf, dass die Gefahr, dass Männer Gewalt gegen Frauen anwenden, zunimmt in einer Gesellschaft, die sich nicht rigoros und eindeutig genug gegen dieses Phänomen zur Wehr setzt; in der Erwägung, dass angemessene Rechtsvorschriften und deren effektive Anwendung ein wichtiges Instrument zur Bekämpfung von Gewalt darstellen,

T. in der Erwägung, dass in der Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament zum Rahmenprogramm "Grundrechte und Justiz" 2007-2013 (KOM (2005) 0122) die Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen, Kinder und Jugendliche als Teil der Bemühungen um die Schaffung eines wirklichen Raums der Freiheit, der Sicherheit und der Justiz eine sehr wichtige Rolle spielt,

U. unter Hinweis darauf, dass, wie vom Vizepräsidenten der Kommission, Franco Frattini in seiner Rede vor dem Europäischen Parlament am 21. Juni 2005 dargelegt wurde, in den 15 alten Mitgliedstaaten jedes Jahr schätzungsweise mindestens 700 bis 900 Frauen durch Gewaltakte ihrer Intimpartner sterben und dass selbst diese Zahl wahrscheinlich noch zu niedrig ist,


1 Angenommen von der Weltkonferenz über Menschenrechte, 14. bis 25. Juni 1993.
2 Resolution 048/104 der UN-Generalversammlung vom 20. Dezember 1993.
3 Resolution 058/147 der UN-Generalversammlung vom 19. Februar 2004.
4 Resolution 057/179 der UN-Generalversammlung vom 30. Januar 2003.
5 Resolution 052/86 der UN-Generalversammlung vom 2. Februar 1998.
6 Angenommen auf der 11. CEDAW-Sitzung, 1992.
7 ABl. C 59 vom 23.2.2001, S. 258.
8 ABl. C 364 vom 18.12.2000, S. 1.
9 ABl. C 304 vom 16.10.1997, S. 55.
10 ABl. C 320 E vom 15.12.2005, S. 247.
11 ABl. C 77 E vom 28.3.2002, S. 126.
12 Heiskanen, M., Piispa, M. Faith, Hope, Battering. A Survey of Men"s Violence against Women in Finland. Statistikcentralen Finland, Justice 1998:20, Helsinki 1998 Lundgren, E. et al, Captured Queen. Men"s violence against women in "equal" Sweden - a prevalence study Univ. von Uppsala 2001. Schröttle, M., et al. Health, wellbeing and personal safety of women in Germany Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 2004.
13 ABl. L 143 vom 30.4.2004, S. 1.