Entschließung in der Sitzung am 2. Februar 2006 angenommen.
Entschließung des Europäischen Parlaments zu der derzeitigen Lage bei der Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen und künftige Maßnahmen (2004/2220(INI))
Das Europäische Parlament,
- - in Kenntnis der Bestimmungen der Rechtsinstrumente der Vereinten Nationen im Bereich der Menschenrechte, insbesondere der Frauenrechte, wie z.B. die Charta der Vereinten Nationen, die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, die Internationalen Pakte über bürgerliche und politische Rechte und über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, das Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau und sein optionales Protokoll sowie das Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe,
- - in Kenntnis anderer UN-Instrumente über Gewalt gegen Frauen, wie z.B. die Erklärung von Wien und das Aktionsprogramm vom 25. Juni 19931, die Erklärung vom 20. Dezember 1993 über die Beseitigung der Gewalt gegen Frauen2, die Resolution vom 22. Dezember 2003 zur Beseitigung der häuslichen Gewalt gegen Frauen3, die Resolution vom 30. Januar 2003 über die Wege zur Bekämpfung von Verbrechen gegen Frauen wegen verletzter Ehre4, die Resolution vom 2. Februar 1998 zur Verbrechensverhütung und Strafrechtspflege zur Beseitigung der Gewalt gegen Frauen5, die Berichte der UN-Sonderberichterstatter des Hohen Kommissars für Menschrechte über Gewalt gegen Frauen, die Allgemeine Empfehlung Nr. 19 des Komitee für die Beseitigung der Diskriminierung der Frauen (CEDAW)6,
- - in Kenntnis der von der Vierten Weltfrauenkonferenz in Peking am 15. September 1995 angenommenen Erklärung von Peking und Aktionsplattform sowie seiner Entschließung vom 18. Mai 2000 zu den Folgemaßnahmen im Anschluss an die Aktionsplattform von Peking7,
- - in Kenntnis der Charta der Grundrechte der Europäischen Union8,
- - unter Hinweis auf seine Entschließung vom 16. Juli 1997 zur Notwendigkeit einer Kampagne in der Europäischen Union zur vollständigen Ächtung der Gewalt gegen Frauen9,
- - unter Hinweis auf seine Entschließung vom 10. März 2005 zu Folgemaßnahmen zur Vierten Weltfrauenkonferenz - Aktionsplattform (Peking + 10)10,
- - unter Hinweis auf seine Entschließung vom 20. September 2001 zur weiblichen Genitalverstümmelung11,
- - gestützt auf Artikel 45 seiner Geschäftsordnung,
- - in Kenntnis des Berichts des Ausschusses für die Rechte der Frau und Gleichstellung der Geschlechter sowie der Stellungnahme des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (A6-0404/2005),
A. in der Erwägung, dass Gewalt gegen Frauen in der UN-Erklärung über die Beseitigung der Gewalt gegen Frauen als jede gegen Frauen aufgrund ihrer Geschlechtszugehörigkeit gerichtete Gewalthandlung, durch die Frauen körperlicher, sexueller oder psychologischer Schaden oder Leid zugefügt wird oder zugefügt werden kann einschließlich der Androhung derartiger Handlungen, der Nötigung und der willkürlichen Freiheitsberaubung, gleichviel ob im öffentlichen oder im privaten Bereich, definiert wurde,
B. unter Hinweis auf Artikel 6 der oben genannten UN-Erklärung, in dem festgestellt wird dass nichts in dieser Erklärung einer Bestimmung entgegen steht, die die Beseitigung der Gewalt gegen Frauen in stärkerem Maße fördert und in den Rechtsvorschriften eines Staates oder irgendeiner internationalen Konvention, einem Vertrag oder einem anderen in einem Mitgliedstaat geltenden Rechtsinstrument enthalten ist,
C. in der Erwägung, dass Gewalt in vielen Arten von Beziehungen vorkommt und dass in wissenschaftlichen Studien unterschiedliche Definitionen von Gewalt verwendet werden und auch das kulturelle Umfeld verschieden ist; in der Erwägung, dass der Schwerpunkt in dieser Entschließung auf der Gewalt von Männern gegen Frauen liegt, Fällen also, in denen der Täter ein Mann und das Opfer eine Frau ist, die in einer Beziehung zu dem Täter steht oder stand; in der Erwägung, dass diese Art von Gewalt den drei in Finnland, Schweden und Deutschland durchgeführten Prävalenzstudien zufolge die überwiegende Mehrheit der Fälle von Gewaltanwendung in engen Beziehungen darstellt; in der Erwägung, dass, obwohl sich viele Fälle dieser Art von Gewalt zu Hause abspielen, der Ort, an dem die Gewalthandlung stattfindet, von untergeordneter Bedeutung ist,
D. in der Erwägung, dass Gewalt von Männern gegen Frauen nicht nur strafbar ist sondern auch ein ernstes gesellschaftliches Problem darstellt; in der Erwägung, dass Gewalt gegen Frauen eine Verletzung von Menschenrechten - insbesondere des Rechts auf Leben, des Rechts auf Sicherheit, Würde und des Rechts auf physische sowie psychische Unversehrtheit - darstellt und daher die Gewalt von Männern gegen Frauen die Entwicklung einer demokratischen Gesellschaft behindert,
E. unter Hinweis darauf, dass Gewalt von Männern gegen Frauen Frauen aller Altersgruppen ungeachtet ihrer Ausbildung, ihres Einkommens und ihrer sozialen Stellung betreffen kann; unter Hinweis darauf, dass umfassende Prävalenzstudien in Schweden, Deutschland und Finnland ergeben, dass mindestens 30 bis 35 % der Frauen zwischen 16 und 67 Jahren irgendwann in ihrem Leben Opfer von physischer oder sexueller Gewalt waren12; rechnet man psychische Gewalt hinzu, so beträgt der Anteil der betroffenen Frauen auf zwischen 45 und 50% an,
F. unter Hinweis darauf, dass Gewalt von Männern gegen Frauen ein weltweites Phänomen ist, das mit der ungleichen Verteilung von Geschlechtermacht verbunden ist, von der unsere Gesellschaft immer noch geprägt ist; mangelnde Geschlechtergleichstellung ist ebenfalls eine Ursache dafür, dass diese Art von Verbrechen nicht hinreichend untersucht und strafrechtlich verfolgt wird,
G. unter Hinweis darauf, dass die Gewalt, der Frauen ausgesetzt sind, üblicherweise von engen Verwandten oder Partnern ausgeübt wird,
H. in der Erwägung, dass neben der Ergreifung von Maßnahmen zum Schutz der Opfer von Gewalt einerseits auch die Notwendigkeit zu proaktiven und präventiven Strategien besteht, die auf Gewalttäter und solche, die gefährdet sind, auch zu Tätern zu werden, ausgerichtet sind und andererseits wirksame, angemessene und abschreckende Strafmaßnahmen umfassen,
I. unter Hinweis darauf, dass die Arten von Gewalt gegen Frauen sehr unterschiedlich sein können, je nach kulturellem, ethnischem und sozialem Hintergrund, und dass weibliche Genitalverstümmelung und so genannte Ehrenverbrechen sowie Zwangsehen jetzt auch in der Europäischen Union Realität sind,
J. in der Erwägung, dass Gewalt von Männern gegen Frauen oft im Verborgenen und im eigenen Heim stattfindet; dies ist nur möglich, solange nicht von der Gesellschaft angemessene Sanktionen verhängt werden; historisch und kulturell tief verwurzelte Normen tragen häufig dazu bei, dass Gewalt von Männern gegen Frauen legitimiert wird,
K. in der Erwägung, dass nur einige wenige Mitgliedstaaten Daten gesammelt und statistische Angaben betreffend die Prävalenz von verschiedenen Formen von Gewalt von Männern gegen Frauen zusammengestellt haben, was es zum einen schwierig macht das tatsächliche Ausmaß dieser Gewalt zu begreifen und zum anderen eine effiziente Antwort auf EU-Ebene auszuarbeiten,
L. unter Hinweis darauf, dass keine ausführliche EU-weite Studie über die Kosten und sozialen sowie menschlichen Folgen der Gewalt von Männern gegen Frauen durchgeführt wurde; indessen ist eine solche Studie für die Hervorhebung des Phänomens und die Bekämpfung dieser schwerwiegenden Menschenrechtsverletzung von wesentlicher Bedeutung,
M. in der Erwägung, dass Gewalt von Männern gegen Frauen ein wichtiger Faktor im Leben solcher Frauen und Mädchen ist, die Opfer von Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung, einschließlich der Prostitution oder zu anderen Zwecken werden in der Erwägung, dass Untersuchungen zeigen, dass 65-90% aller Prostituierten in der Vergangenheit Opfer sexuellen Missbrauchs waren,
N. in der Erwägung, dass die Ausgrenzung und die Armut wesentliche Gründe für die Prostitution und die Zunahme des Frauenhandels sind,
O. unter Hinweis darauf, dass Gewalt von Männern gegen Frauen Frauen daran hindert, an der Gesellschaft und am Arbeitsmarkt teilzunehmen und zu Marginalisierung von Frauen und Armut führen kann,
P. unter Hinweis darauf, dass eine große Anzahl von Berichten darüber vorliegt, dass Frauen am stärksten während oder kurz nach der Trennung von ihren Partnern oder früheren Partnern gefährdet sind, durch diese rohe Gewaltanwendung zu erleiden,
Q. in der Erwägung, dass Gewalt gegen Mütter die emotionale und psychische Gesundheit ihrer Kinder direkt und indirekt betrifft und kurz- und langfristige negative Auswirkungen auf sie hat und einen Zyklus von Gewalt und Missbrauch schaffen kann, der über Generationen fortgesetzt wird,
R. in der Erwägung, dass, ganz abgesehen von der Tatsache, dass Frauen oft finanziell von Männern abhängig sind, sie oft keine Anzeige gegen sie erstatten, wenn sie Opfer insbesondere häuslicher oder sexueller Gewalt geworden sind, da in der Gesellschaft der anhaltende Mythos besteht, dass sie selbst für die Gewalt verantwortlich sind oder dass diese eine private Angelegenheit ist, oder aber aus dem Wunsch resultiert, ihre Beziehung und ihre Familie zu erhalten; in der Erwägung, dass ein anderer Grund dafür dass Frauen dazu neigen, Gewaltübergriffe nicht zu melden, in ihrem mangelnden Vertrauen oder Zutrauen zur Polizei, dem Rechtswesen insgesamt und zu den sozialen Einrichtungen besteht,
S. unter Hinweis darauf, dass die Gefahr, dass Männer Gewalt gegen Frauen anwenden, zunimmt in einer Gesellschaft, die sich nicht rigoros und eindeutig genug gegen dieses Phänomen zur Wehr setzt; in der Erwägung, dass angemessene Rechtsvorschriften und deren effektive Anwendung ein wichtiges Instrument zur Bekämpfung von Gewalt darstellen,
T. in der Erwägung, dass in der Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament zum Rahmenprogramm "Grundrechte und Justiz" 2007-2013 (KOM (2005) 0122) die Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen, Kinder und Jugendliche als Teil der Bemühungen um die Schaffung eines wirklichen Raums der Freiheit, der Sicherheit und der Justiz eine sehr wichtige Rolle spielt,
U. unter Hinweis darauf, dass, wie vom Vizepräsidenten der Kommission, Franco Frattini in seiner Rede vor dem Europäischen Parlament am 21. Juni 2005 dargelegt wurde, in den 15 alten Mitgliedstaaten jedes Jahr schätzungsweise mindestens 700 bis 900 Frauen durch Gewaltakte ihrer Intimpartner sterben und dass selbst diese Zahl wahrscheinlich noch zu niedrig ist,
- 1. empfiehlt im Hinblick auf von Männern gegen Frauen ausgeübte Gewaltakte der Kommission und den Mitgliedstaaten:
- a) sie als eine Menschenrechtsverletzung zu betrachten, die ungleiche geschlechtsspezifische Machtverhältnisse widerspiegelt, und eine allumfassende Politik zu deren Bekämpfung zu betreiben, einschließlich wirksamer Verfahren der Prävention und Strafverfolgung;
- b) von Männern ausgeübte Gewalt gegen Frauen als strukturelles Phänomen zu betrachten sowie als eines der größten Hindernisse für die Bemühungen zur Überwindung der Ungleichheit zwischen Männern und Frauen;
- c) eine "Nulltoleranz-Politik" gegenüber jeder Form von Gewalt gegen Frauen zu praktizieren;
- d) einen Rahmen für die Zusammenarbeit zwischen Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen zu verabschieden mit dem Ziel, Politiken und Praktiken zur Bekämpfung der häuslichen Gewalt zu entwickeln;
- e) eine harmonisierte Methodologie, Definitionen und Kriterien in Zusammenarbeit mit Eurostat, der Agentur für Grundrechte und dem künftigen Europäischen Gender-Institut, auszuarbeiten, um in der gesamten Union vergleichbare und kompatible Daten betreffend die Gewalt von Männern gegen Frauen zu sammeln, insbesondere umfassende Prävalenzstudien;
- f) nationale Berichterstatter zu ernennen, um Informationen und statistische Angaben über Gewalt von Männern gegen Frauen - einschließlich Informationen über Kinder, die in gewaltgeprägtem Umfeld aufwachsen - zu sammeln, auszutauschen und zu verarbeiten und den Austausch bewährter Verfahren zwischen den Mitgliedstaaten und den Beitritts- und Kandidatenländern zu fördern;
- g) bei allen Maßnahmen, die die Gewalt von Männern gegen Frauen betreffen, auch deutlich zu machen, wie sich diese Gewalt auf Kinder auswirkt;
- h) ein einheitliches System der Registrierung von Misshandlungsfällen durch alle zuständigen Stellen der Mitgliedstaaten, wie Justiz- und Polizeibehörden, Krankenhäuser und Sozialdienste, einzuführen, um zu gewährleisten, dass die Daten gemeinsam erfasst und in größerem Umfang genutzt werden können;
- i) für die angemessene Bildung und Ausbildung der Personen zu sorgen, die für die Registrierung von Fällen häuslicher Gewalt und die Erfassung diesbezüglicher Daten zuständig sind um zu gewährleisten, dass diese ihre Aufgaben mit der notwendigen Konsequenz wahrnehmen;
- j) Mittel zur Erforschung der Kosten der Gewalt von Männern gegen Frauen bereitzustellen;
- k) die entsprechenden Mechanismen einzurichten, um die Tätigkeit und die Fortschritte der Beitritts- und Kandidatenländer bezüglich der Behandlung von Frauen in allen Bereichen der Gesellschaft zu beobachten, und die Sicherheit und die Behandlung von Frauen in diesen Ländern zu einem Beitrittskriterium zu machen;
- l) Programme und Studien zur Situation von Frauen durchzuführen, die Gemeinschaften mit kulturellen Besonderheiten oder nationalen Minderheiten angehören um sich einen Überblick über die besonderen Formen der Gewalt zu verschaffen denen diese Frauen ausgesetzt sind, und geeignete Konzepte dagegen zu entwickeln;
- m) den Menschenhandel über alle Grenzen hinweg streng zu überwachen;
- 2. fordert die Mitgliedstaaten auf, Partnerschaftsprojekte zwischen den Strafvollzugsbehörden, Nichtregierungsorganisationen, Opfer-Zufluchtsstätten und anderen geeigneten Stellen einzurichten und die Zusammenarbeit zu intensivieren, um die effektive Umsetzung von Rechtsvorschriften zur Bekämpfung der Gewalt von Männern gegen Frauen zu gewährleisten, und Beamte auf allen Ebenen für Fragen der Gewalt von Männern gegen Frauen zu sensibilisieren;
- 3. fordert die Mitgliedstaaten dringend auf, geeignete Maßnahmen im Hinblick auf Gewalt von Männern gegen Frauen in ihrem nationalen Recht zu treffen, insbesondere:
- a) die sexuelle Gewalt in der Ehe als Verbrechen anzuerkennen und die Vergewaltigung in der Ehe unter Strafe zu stellen;
- b) keine Bezugnahmen auf kulturelle Gebräuche als mildernden Umstand in Fällen von Gewalt gegen Frauen, bei Ehrenverbrechen und Fällen von weiblicher Genitalverstümmelung zu akzeptieren;
- c) mit den Behörden in Ländern, die mehr Erfahrung mit dem Problem der Ehrenverbrechen haben, zusammenzuarbeiten und Informationen über bewährte Verfahren mit ihnen auszutauschen;
- d) den Opfern einen sicheren Zugang zur Justiz und effektiven Strafverfolgung zu gewährleisten einschließlich der Gewährung von Schadensersatz;
- e) die strafrechtliche Verfolgung von Komplizen bei Ehrenverbrechen, wie Familienmitglieder des Täters, die diesen ermutigt oder gar zu einem Ehrenverbrechen veranlasst haben, zu fördern, um klar und deutlich zu zeigen, dass ein solches Verhalten gesellschaftlich nicht akzeptabel ist;
- f) dafür zu sorgen, dass Kinder, die Zeuge werden, wie ihre Mütter geschlagen werden als Opfer betrachtet werden und damit auch zu erwägen, ob sie gemäß dem nationalen Recht Anspruch auf Schadensersatz haben sollten;
- g) die Risiken der Bestimmung eines gemeinsamen Wohnsitzes mit dem Gewalttäter abzuwägen und effektive Maßnahmen zur Gewährleistung einer sicheren Ausübung des Sorgerechts in Fällen von Trennung oder Scheidung der Eltern einzuführen;
- h) Hinweise auf die Rauschwirkung durch Alkoholgenuss nicht als mildernde Umstände bezüglich der Gewalt von Männern gegen Frauen zu akzeptieren;
- i) gegen die Vorstellung anzugehen, dass die Prostitution mit der Ausübung einer Arbeit gleichzusetzen ist;
- 4. fordert die Mitgliedstaaten auf, geeignete Maßnahmen zu treffen, um einen besseren Schutz und Unterstützung von Opfern von Gewalt gegen Frauen und Personen, die Gefahr laufen, Opfer von Gewalt gegen Frauen zu werden, durch folgende Maßnahmen zu gewährleisten:
- a) Garantie qualifizierter Schutzmaßnahmen und rechtlicher, medizinischer, sozialer sowie psychologischer Dienstleistungen und Hilfsmaßnahmen, einschließlich Polizeischutz;
- b) sachgemäße, insbesondere psychologische, Ausbildung - auch in kinderbezogenen Aspekten - des Personals der zuständigen Organe, die sich mit Gewalt von Männern gegen Frauen befassen, wie z.B. Polizeibeamte, Justizpersonal, Gesundheitspersonal, Erzieher, Jugend- und Sozialarbeiter sowie im Strafvollzug tätige Personen; bei Behandlungen in Form von Gesprächstherapien bei einem Kinderpsychologen oder Therapeuten ist es besonders wichtig, dass diese von der Gewalt von Männern gegen Frauen Kenntnis haben, um zu vermeiden, dass die Gewaltübergriffe des Vaters gegen die Mutter und/oder das Kind heruntergespielt oder verharmlost werden;
- c) Einführung einer proaktiven, präventiven und strafrechtlichen Strategie gegenüber den Urhebern von Gewalt gegen Frauen, um die Rückfallquote zu verringern, sowie Bereitstellung von Beratungsdiensten, die die Täter entweder auf eigene Initiative oder auf Grund eines richterlichen Beschlusses in Anspruch nehmen, und dies stets unter Durchführung einer angemessenen Risikobewertung, um die Sicherheit der Frauen und gegebenenfalls Kinder im Verfahren zu gewährleisten;
- d) Anerkennung der Bedeutung von Hilfeleistung für die Opfer - d.h. Frauen und Kinder - um ihnen zu helfen, finanziell und psychologisch vom Gewalttäter unabhängig zu werden;
- e) Gewährleistung der nötigen Unterstützung für Frauen und ihre Kinder im Falle von Trennung oder Scheidung, einschließlich vorübergehender Unterbringung;
- f) Behandlung der Frauen, die Opfer von Gewalt gegen Frauen geworden sind, als vorrangige Gruppen beim Zugang zu den sozialen Wohnungsbauprogrammen;
- g) Bereitstellung sicherer Unterkünfte einschließlich ausreichender finanzieller Mittel;
- h) Festlegung eines Mindesteinkommens für Frauen, die keine anderen Einkünfte haben um es ihnen zu ermöglichen, sich in relativer Sicherheit und in stetiger Zusammenarbeit mit den Beratungszentren in die Gesellschaft zu reintegrieren;
- i) Entwicklung von spezifischen Aktionsprogrammen im Bereich Beschäftigung für die Opfer der Gewalt gegen Frauen, um ihre Integration in den Arbeitsmarkt zu ermöglichen und damit ihre wirtschaftliche Unabhängigkeit zu gewährleisten;
- j) Prüfung der Möglichkeit, "Multiagenturen" einzurichten, bei denen die Opfer die geeigneten Behörden ansprechen können: Vertreter der Polizei, der Staatsanwaltschaft und der Sozial- und Gesundheitsdienste;
- k) Planung von Dienstleistungen und Zentren zur Betreuung und Unterstützung der Kinder von Frauen, die Opfer von Gewalt sind;
- l) Gewährleistung von sozialer und psychologischer Hilfe für Kinder, die Zeuge häuslicher Gewalt geworden sind;
- m) kostenfreie Tests bezüglich sexuell übertragbarer Krankheiten in Fällen von Vergewaltigung;
- n) Gewährleistung professioneller Hilfe und Behandlung für alle Gewalttäter;
- o) Gewährleistung eines angemessenen Schutzes für Zuwanderer, besonders allein erziehende Mütter und ihre Kinder, da diese häufig keine angemessenen Möglichkeiten haben, sich selbst zu verteidigen oder nichts über die Hilfsstrukturen wissen die ihnen in den Mitgliedstaaten zur Begegnung häuslicher Gewalt zur Verfügung stehen;
- 5. fordert die Mitgliedstaaten auf, das Daphne-II-Programm13 zu nutzen, um Ehrenverbrechen in den Mitgliedstaaten zu bekämpfen, mehr Schutzunterkünfte für Frauen, die Opfer von Gewalt, einschließlich von Ehrenverbrechen geworden sind, zu bauen und zu unterhalten, und Sachverständige speziell im Umgang mit Opfern von Ehrenverbrechen fortzubilden;
- 6. fordert die Union auf, das Problem der Ehrenverbrechen, das ein EU-weites Problem mit grenzüberschreitenden Auswirkungen geworden ist, zu lösen, und fordert den Vizepräsidenten der Kommission Frattini auf, sein Versprechen, eine europäische Konferenz zu diesem Thema einzuberufen, einzulösen;
- 7. fordert die Mitgliedstaaten auf, dafür zu sorgen, dass die Geheimhaltung, die die Gewalt von Männern gegen Frauen in der Gesellschaft - und insbesondere im Bereich der häuslichen Gewalt - noch immer umgibt, zu beseitigen, durch den Erlass von Maßnahmen, um das kollektive und individuelle Bewusstsein in Bezug auf die Gewalt von Männern gegen Frauen zu verstärken;
- 8. ersucht die Mitgliedstaaten, über die Bildungssysteme und die Medien Programme zur Sensibilisierung und Information der Öffentlichkeit bezüglich der häuslichen Gewalt sowie zum Abbau der gesellschaftlichen Klischees zur Stellung der Frauen in der Gesellschaft zu entwickeln;
- 9. fordert die Mitgliedstaaten auf, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um der weiblichen Genitalverstümmelung Einhalt zu gebieten; betont, dass die Prävention und das Verbot der weiblichen Genitalverstümmelung sowie die Strafverfolgung der Täter Priorität in allen einschlägigen Politiken und Programmen der Europäischen Union haben müssen; weist darauf hin, dass in der Union wohnhafte Einwanderer sich darüber im Klaren sein sollten dass Genitalverstümmelung bei Frauen ein schwerwiegender Angriff auf die Gesundheit der Frau darstellt und eine Verletzung der Menschenrechte ist; fordert die Kommission in diesem Zusammenhang auf, eine umfassende Strategie auf europäischer Ebene einzuleiten mit dem Ziel, der Praxis der weiblichen Genitalverstümmelung in der Europäischen Union ein Ende zu setzen;
- 10. fordert die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, die weibliche Genitalverstümmelung als illegalen Gewaltakt gegen Frauen zu definieren, der einen Verstoß gegen ihre Grundrechte und eine schwerwiegende Verletzung ihrer körperlichen Unversehrtheit darstellt und somit diese Gewalt unabhängig davon, wo oder in welchem Land sie gegen EU-Bürger oder -Einwohner ausgeübt wird, illegal ist;
- 11. fordert die Mitgliedstaaten auf, entweder bestehende spezielle Rechtsvorschriften über weibliche Genitalverstümmelung anzuwenden oder solche Gesetzesvorschriften zu erlassen und alle Personen, die Genitalverstümmelungen bei Frauen vornehmen, strafrechtlich zu verfolgen;
- 12. fordert, dass Ärzte, die Genitalverstümmelungen bei jungen Frauen und Mädchen vornehmen nicht nur strafrechtlich verfolgt werden, sondern auch ihre ärztliche Zulassung entzogen bekommen;
- 13. fordert die Mitgliedstaaten auf, dafür zu sorgen, dass Eltern strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden, wenn weibliche Genitalverstümmelungen an Minderjährigen vorgenommen werden;
- 14. fordert die Mitgliedstaaten auf, sicherzustellen, dass die weibliche Genitalverstümmelung als stichhaltiges Argument für die Beantragung von Asyl betrachtet wird, um die Asylsuchenden vor unmenschlicher Behandlung zu schützen;
- 15. fordert die Kommission auf, ein Europäisches Jahr gegen Gewalt von Männern gegen Frauen auszurufen, wie es wiederholt vom Parlament gefordert wurde, und einen Arbeitsplan vorzulegen, der eine größere Öffentlichkeitswirkung des Phänomens und Kritik an der derzeitigen Situation ermöglicht;
- 16. fordert die Kommission auf, ein Programm mit dem Titel "Bekämpfung der Gewalt" als gesonderten Teil seines Rahmenprogramms zu Grundrechten und Justiz für den Zeitraum 2007-20013 zu erstellen;
- 17. hält es für äußerst wichtig, dass über von Frauen bei den Strafvollstreckungsbehörden gemeldete Akte brutaler oder unmenschlicher Behandlung zuverlässige Statistiken verfügbar sind;
- 18. bedauert, dass die vorstehend erwähnten Meldungen gewöhnlich nicht registriert werden wenn die Vollstreckungsbehörden nichts unternehmen, und dass daher die Statistiken immer noch nicht vertrauenswürdig und unzuverlässig sind;
- 19. fordert die Mitgliedstaaten deshalb auf, sicherzustellen, dass über alle von Frauen gemeldeten brutalen oder unmenschlichen Behandlungen sowie über den Prozentsatz der Fälle, in denen die Vollstreckungsbehörden Maßnahmen eingeleitet haben, und über die Art der ergriffenen Maßnahme Buch geführt wird;
- 20. weist darauf hin, dass die Beweislast häufig bei den Frauen liegt, die sich ohnehin schon in einer benachteiligten Situation befinden;
- 21. fordert die Kommission auf, einen Mechanismus einzuführen, der es ermöglicht, die Mitgliedstaaten zu ermitteln, in denen die Situation in Bezug auf die Gewalt gegen Frauen schlechter als in anderen Staaten ist;
- 22. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten, professionellen Gesundheitseinrichtungen und Verbraucherorganisationen zu übermitteln.
1 Angenommen von der Weltkonferenz über Menschenrechte, 14. bis 25. Juni 1993.
2 Resolution 048/104 der UN-Generalversammlung vom 20. Dezember 1993.
3 Resolution 058/147 der UN-Generalversammlung vom 19. Februar 2004.
4 Resolution 057/179 der UN-Generalversammlung vom 30. Januar 2003.
5 Resolution 052/86 der UN-Generalversammlung vom 2. Februar 1998.
6 Angenommen auf der 11. CEDAW-Sitzung, 1992.
7 ABl. C 59 vom 23.2.2001, S. 258.
8 ABl. C 364 vom 18.12.2000, S. 1.
9 ABl. C 304 vom 16.10.1997, S. 55.
10 ABl. C 320 E vom 15.12.2005, S. 247.
11 ABl. C 77 E vom 28.3.2002, S. 126.
12 Heiskanen, M., Piispa, M. Faith, Hope, Battering. A Survey of Men"s Violence against Women in Finland. Statistikcentralen Finland, Justice 1998:20, Helsinki 1998 Lundgren, E. et al, Captured Queen. Men"s violence against women in "equal" Sweden - a prevalence study Univ. von Uppsala 2001. Schröttle, M., et al. Health, wellbeing and personal safety of women in Germany Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 2004.
13 ABl. L 143 vom 30.4.2004, S. 1.