Zugeleitet mit Schreiben des Generalsekretärs des Europäischen Parlaments - 316995 - vom 7. Oktober 2009.
Das Europäische Parlament hat die Entschließung in der Sitzung am 17. September 2009 angenommen.
Das Europäische Parlament,
- - gestützt auf Artikel 33 des EG-Vertrags,
- - unter Hinweis auf seine Entschließung vom 25. Oktober 2007 zum Anstieg der Futtermittel- und Lebensmittelpreise1,
- - unter Hinweis auf seine Entschließung vom 12. März 2008 zum "Gesundheitscheck" der GAP 2,
- - unter Hinweis auf seine Entschließung vom 22. Mai 2008 zum Preisanstieg bei Lebensmitteln in der Europäischen Union und in den Entwicklungsländern3,
- - unter Hinweis auf seine Erklärung vom 19. Februar 2008 zu der Untersuchung des Machtmissbrauchs durch große Supermarktketten, die in der Europäischen Union tätig sind, und zu entsprechenden Abhilfemaßnahmen4,
- - unter Hinweis auf seine Entschließung vom 26. März 2009 zu Lebensmittelpreisen in Europa 5,
- - in Kenntnis der Verordnung (EG) Nr. 072/2009 des Rates vom 19. Januar 2009 zur Anpassung der gemeinsamen Agrarpolitik durch Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 247/2006, (EG) Nr. 320/2006, (EG) Nr. 1405/2006, (EG) Nr. 1234/2007, (EG) Nr. 3/2008 und (EG) Nr. 479/2008 und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 1883/78, (EWG) Nr. 1254/89, (EWG) Nr. 2247/89, (EWG) Nr. 2055/93, (EG) Nr. 1868/94, (EG) Nr. 2596/97, (EG) Nr. 1182/2005 und (EG) Nr. 315/20076,
- - in Kenntnis der Mitteilung der Kommission an den Rat vom 22. Juli 2009 zur Lage auf dem Milchmarkt 2009 (KOM (2009) 0385),
- - in Kenntnis des Vorschlags für eine Verordnung des Rates vom 7.7.2009 zur Abweichung von der Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 (über die einheitliche GMO) hinsichtlich der Interventionszeiträume 2009 und 2010 für Butter und Magermilchpulver (KOM (2009) 0354) und unter Hinweis auf seine Entschließung vom 17. September 2009 hierzu7,
- - gestützt auf Artikel 115 Absatz 5 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass es in den vergangenen zwölf Monaten zu einer dramatischen Verschlechterung der Situation auf den Milchmärkten gekommen ist und die Preise trotz Marktinterventionen und Ausfuhrbeihilfen unter 0,21 EUR pro Liter gefallen sind und viele Landwirte Milcherzeugnisse jetzt unterhalb der Herstellungskosten verkaufen,
B. in der Erwägung, dass die Existenz zahlreicher Milchbauern in der Europäischen Union ernsthaft in Gefahr ist und viele von ihnen nur überleben können, indem sie ihre persönlichen Rücklagen aufbrauchen, was eindeutig nicht nachhaltig ist, und dass die Landwirte deshalb EU-weit große Protestaktionen durchgeführt haben,
C. in der Erwägung, dass die weltweite Wirtschaftskrise genau in dem Moment zu einem spürbaren Rückgang der Nachfrage für Milcherzeugnisse geführt hat, als das Angebot wegen der zunehmenden Produktion in Drittstaaten wie Neuseeland, Australien, Argentinien, Brasilien und den USA erhöht wurde,
D. in der Erwägung, dass das Parlament im Rahmen des EU-Haushaltsverfahrens für das Jahr 2009 der Schaffung eines speziellen EU-Milchfonds Vorrang eingeräumt hat, um den Sektor während der schwierigen Umstrukturierung zu unterstützen,
E. in der Erwägung, dass das Parlament immer wieder auf den Unterschied zwischen den Endverbraucherpreisen für landwirtschaftliche Erzeugnisse im Supermarkt und den Preisen für die Erzeuger hingewiesen und umfassende Untersuchungen über mögliche Fälle von Marktmissbrauch gefordert hat,
F. in der Erwägung, dass die Kommission ermittelt hat, dass die Endverbraucherpreise für Milch und Käse zwischen Mai 2006 und Mai 2009 um mehr als 14 % anstiegen, während die Preise, die die Erzeuger für ihre Produkte erzielen, in einigen Mitgliedstaaten in 12 Monaten um 40 % gesunken sind,
- 1. vertritt die Auffassung, dass angesichts der andauernden kritischen Lage auf den Milchmärkten sowohl weitreichende als auch kurzfristig wirksame Gegenmaßnahmen erforderlich sind, weist darauf hin, dass die bisherigen Maßnahmen der Kommission nicht ausreichen, um die Krise dieses Sektors zu bewältigen;
- 2. bedauert, dass die Kommission die Ausmaße der aktuellen Krise nicht vorausgesehen und schon früher entsprechende Gegenmaßnahmen vorgeschlagen hat;
- 3. fordert die Kommission auf, umgehend Maßnahmen zur Stabilisierung des Marktes auf den Weg zu bringen und gemeinsam mit den maßgeblichen Akteuren und den Mitgliedstaaten umfassende Überlegungen über die Zukunft des Milchsektors anzustellen und dabei Möglichkeiten zur Stärkung von Managementmechanismen zur Vermeidung von Preisschwankungen zu erörtern;
- 4. stellt fest, dass die Mitgliedstaaten bezüglich der Möglichkeit, die Milchquoten 2010 nicht zu erhöhen, ganz unterschiedliche Ansichten vertreten; fordert die Kommission auf, eine detaillierte Analyse zu allen Faktoren vorzulegen, die sich auf den von den Milcherzeugern erzielten Preis auswirken, einschließlich einer Anhebung der Quote;
- 5. fordert die Kommission auf, die notwendigen Maßnahmen zu treffen, um sicherzustellen, dass importierte Futtermittel den Normen entsprechen, die die Milchbauern innerhalb der Europäischen Union erfüllen müssen, und zu verhindern, dass Einfuhren von Erzeugnissen, die diesen Normen nicht genügen, die Bemühungen der Europäischen Union zur Förderung der nachhaltigen Milcherzeugung untergraben;
- 6. bekräftigt seine Überzeugung, dass die Einrichtung eines EU-Milchfonds in Höhe von 600 Millionen EUR die Erzeugerorganisationen und Kooperativen unterstützen und betriebliche Investitionen, Modernisierungsmaßnahmen, Diversifizierungen, flächenbezogene Maßnahmen, Marketingmaßnahmen, Kleinerzeuger und junge Landwirte fördern würde; weist darauf hin, dass das Parlament bereits im Rahmen des Haushaltsverfahrens 2009 eine entspreche Forderung gestellt hat;
- 7. fordert die Kommission auf, Maßnahmen vorzuschlagen, um den Erzeugern zu helfen, den Mehrwert ihrer Produkte zu steigern, sowie Anreize zu schaffen, qualitativ hochwertige Molkereierzeugnisse zu produzieren (z. B. Käse), insbesondere in Gebieten, in denen es kaum Produktionsalternativen gibt;
- 8. fordert die Kommission auf, umgehend Maßnahmen zu ergreifen, um die Nachfrage nach Milcherzeugnissen zu steigern; vertritt die Auffassung, dass eine Ausweitung des Umfangs, der Produktpalette und der finanziellen Mittel des Schulmilchprogramms ein gutes Beispiel für eine durchführbare Initiative wäre; fordert in diesem Zusammenhang eine bessere Koordinierung unter den Generaldirektionen der Kommission;
- 9. fordert die Kommission auf, ergänzend zu den anderen für diesen Sektor notwendigen Regulierungsinstrumenten die Vertragsbeziehungen innerhalb der Lebensmittelkette zu fördern und die Erzeugerorganisationen zu stärken, um bezüglich der Beziehungen zwischen den verschiedenen Akteuren der Kette für ein Gleichgewicht zu sorgen und Marktrisiken vorzubeugen;
- 10. hält eine spezifische Förderung der Erzeugnisse der Milchbauern für notwendig, die mit ständigen natürlichen und geographischen Nachteilen wie Bergregionen zu kämpfen haben oder über eine klare organische Strategie verfügen, da sie einen nicht marktorientierten ökologischen und kulturellen Mehrwert und entsprechende Qualität aufweisen;
- 11. fordert die Kommission auf, Vorschläge zu unterbreiten, um auf dem Milchmarkt der Europäischen Union das Verhältnis von Angebot und Nachfrage wieder in Einklang zu bringen;
- 12. fordert die Kommission auf, Möglichkeiten zu erörtern, um eine Vorruhestandsregelung für Milchbauern auf den Weg zu bringen, z. B. durch Mechanismen zum Rückkauf von Quoten, ähnlich wie die Rodungsregelung innerhalb der GMO für Wein;
- 13. fordert die Kommission angesichts der gesamteuropäischen Dimension der Krise im Milchsektor auf, ihrer Verantwortung bei der Suche nach gemeinsamen Lösungen gerecht zu werden und dabei Ungleichheiten zwischen den Mitgliedstaaten und Marktverzerrungen durch nationale Beihilfen zu vermeiden;
- 14. unterstützt die Absicht der Kommission, Maßnahmen zu prüfen, wie z. B. Vorzugsdarlehen oder gegenseitige Bürgschaften, damit die Preisschwankungen bei landwirtschaftlichen Grundstoffen reduziert werden;
- 15. spricht sich für den umgehenden Einsatz von Milchpulver zur Fütterung von Kälbern aus, um so die Nachfrage nach Milcherzeugnissen zu steigern;
- 16. weist darauf hin, dass eine klare Etikettierung von Ersatzprodukten von Milcherzeugnissen wie Käse und sonstigen Erzeugnissen von wesentlicher Bedeutung ist und Hinweise auf die verwendeten Inhaltsstoffe und das Herkunftsland enthalten sollten; fordert nachdrücklich, dass als Milcherzeugnisse bezeichnete Produkte auch tatsächlich Tiermilch oder Produkte aus Tiermilch enthalten;
- 17. fordert die Kommission auf, im Wege einer Ausnahme von der festgesetzten nationalen Obergrenze für staatliche Beihilfen unverzüglich den Höchstbetrag der Mindestzahlungen im Rahmen staatlicher Beihilfen für alle landwirtschaftlichen Produktionsbereiche von 7 500 auf 15 000 EUR anzuheben, um die Landwirte bei der Überwindung der gegenwärtigen Krise, vor allem im Milchsektor, zu unterstützen;
- 18. ist sich bewusst, dass niedrigere Preise für Futtermittel helfen würden, die Erzeugerkosten der Milchbauern zu senken;
- 19. begrüßt den Vorschlag der Kommission, den Interventionszeitraum für Butter und Magermilchpulver bis zum 28. Februar 2010 auszuweiten, und vertritt die Auffassung, dass die Interventionspreise zumindest kurzfristig erhöht werden sollten; weist darauf hin, dass es sich bei einer solchen Erhöhung um eine Dringlichkeitsmaßnahme zum Ausgleich der extremen Marktverwerfungen und nicht um eine langfristige Lösung handeln würde;
- 20. fordert eine Ausweitung der privaten Lagerhaltung auf Käseprodukte und angemessene Schritte zur effektiven Durchführung dieser Maßnahme sowie eine Ausweitung der Liste der Drittstaaten, z. B. um die USA, für die beim Export von Käseprodukten aus der Europäischen Union Ausfuhrerstattungen gezahlt werden;
- 21. fordert die Kommission auf, langfristig und insbesondere für die Zeit nach dem Auslaufen der Ausfuhrerstattungen zu überprüfen, wie die entsprechenden Mittel auch weiterhin für den Milchsektor verwendet werden können;
- 22. fordert die Kommission auf, in der Landwirtschaft Exportkreditversicherungen zuzulassen, wie sie in den USA üblich sind;
- 23. fordert die Kommission auf, innerhalb der Lieferkette bei Nahrungsmitteln auf eine transparente Preisgestaltung hinzuwirken, da sich die Endverbraucherpreise in einigen Mitgliedstaaten trotz des dramatischen Verfalls bei den Preisen für die Erzeuger auf einem auffallend hohen Niveau bewegen;
- 24. fordert die Kommission auf, unverzüglich eine Mitteilung zu den Lebensmittelpreisen in Europa vorzulegen; weist darauf hin, dass das Parlament die Kommission schon seit geraumer Zeit auffordert, mögliche Fälle von Missbräuchen von Marktmacht innerhalb der Lieferkette bei Lebensmitteln zu untersuchen, insbesondere im Milchsektor; vertritt die Auffassung, dass eine solche Untersuchung überfällig ist;
- 25. fordert die Kommission auf, einen EU-weiten Verhaltenskodex zwischen Händlern und Erzeugern durchzusetzen;
- 26. ist der Ansicht, dass ein transparentes System zur Überwachung der Grundstoffpreise geschaffen werden muss, insbesondere der Endverbraucherpreise;
- 27. stellt mit Bedauern fest, dass der Rat in seinen Schlussfolgerungen vom 7. September 2009 keine konkreten Lösungsvorschläge unterbreitet hat, um den europäischen Milchsektor schnell aus der Krise herauszuführen, von der alle Erzeuger in der Europäischen Union ohne Ausnahme betroffen sind;
- 28. fordert die Kommission auf, sich den Initiativen einiger Mitgliedstaaten, die Gemeinsame Agrarpolitik wieder den Einzelstaaten zu übertragen, entschieden zu widersetzen;
- 29. fordert die Kommission nachdrücklich auf, das Parlament in den kommenden Monaten regelmäßig über die Lage auf den Milchmärkten zu unterrichten;
- 30. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat und der Kommission sowie den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten zu übermitteln.
- 1 ABl. C 263 E vom 16.10.2008, S. 621.
- 2 ABl. C 66 E vom 20.3.2009, S. 9.
- 3 Angenommene Texte: P6_TA(2008)0229.
- 4 ABl. C 184 E vom 6.8.2009, S. 23.
- 5 Angenommene Texte: P6_TA(2009)0191.
- 6 ABl. L 30 vom 31.1.2009, S. 1.
- 7 Angenommene Texte: P7_TA-PROV(2009)0014.