924. Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2014
A
Der federführende Wirtschaftsausschuss (Wi) und der Ausschuss für Innere Angelegenheiten (In) empfehlen dem Bundesrat, der Verordnung gemäß Artikel 80 Absatz 2 des Grundgesetzes nach Maßgabe folgender Änderungen zuzustimmen:
1. Zu § 2 Absatz 2 Satz 2 Nummer 4 GewAnzV
In § 2 Absatz 2 Satz 2 ist Nummer 4 wie folgt zu fassen:
"4. die unmittelbare Abgabe der Erklärung in einem elektronischen Formular, das von der Behörde über öffentlich zugängliche Netze zur Verfügung gestellt wird und mit der versichert wird, dass die Person, die die Erklärung abgibt, mit der im Vordruck nach Absatz 1 angegebenen Person des Anzeigenden identisch ist."
Begründung:
§ 2 Absatz 2 Satz 2 Nummer 4 GewAnzV bedarf der Konkretisierung Es ist nicht geregelt, wie die Erklärung abzugeben ist. Nach dem Wortlaut könnte eine einfache E-Mail ausreichen. Denkbar wäre auch eine Erklärung in Papierform. Zwar würde dies dem Anliegen, ein medienbruchfreies elektronisches Verfahren zur Erstattung der Gewerbeanzeigen zu erreichen, widersprechen. In § 2 Absatz 2 Satz 3 GewAnzV wird allerdings auch von einer Papierform ausgegangen, indem die Übersendung einer Kopie des Personalausweises oder Reisepasses zugelassen wird. Dies ist aber als Ausnahme zu werten, da die Übersendung einer Kopie nicht bei der Aufzählung in § 2 Absatz 2 Satz 2 GewAnzV geregelt ist, die sich auf elektronische Verfahren beziehen. In der Begründung zu § 2 Absatz 2 Satz 2 Nummer 4 GewAnzV heißt es, dass als ein weiteres geeignetes und nutzerfreundliches Verfahren zur Identifizierung und Authentifizierung die Abgabe einer zum Beispiel von der für die Entgegennahme der Gewerbeanzeige zuständigen Behörde vorformulierten Erklärung in Betracht kommt, mit der bestätigt wird, dass die Person, die die Erklärung abgibt, mit der Person des Anzeigenden identisch ist. Es wird also von einer vorformulierten Erklärung ausgegangen, ohne dass gesagt wird, ob diese schriftlich oder elektronisch zu erfolgen hat. Dabei ist - da es sich um ein elektronisches Antragsverfahren handelt und die Vorschrift bei der Aufzählung der elektronischen Verfahren in § 2 Absatz 2 Satz 2 Nummer 1 bis 3 GewAnzV als vierte Möglichkeit in Nummer 4 genannt wird - von einem elektronischen Formular auszugehen, das eine vorformulierte Erklärung enthält und das von der Behörde über öffentlich zugängliche Netze zur Verfügung gestellt wird. Auch wenn in der Begründung die vorformulierte Erklärung nur als Beispiel genannt wird, kann eine einfache E-Mail nicht als gleichwertige Alternative angesehen werden, weil diese im Verhältnis zu den übrigen Möglichkeiten nach § 2 Absatz 2 Satz 2 Nummer 1 und 3 GewAnzV und deren Anforderungen für die Feststellung der Identität kein geeignetes Verfahren darstellt. Die E-Mail bietet keine Garantie, dass sie auf dem Weg zum Empfänger nicht verändert worden ist. Würde eine einfache E-Mail zugelassen, wären die anderen Verfahren mit ihren Anforderungen nicht gerechtfertigt. Die beantragte Formulierung des § 2 Absatz 2 Satz 2 Nummer 4 GewAnzV orientiert sich an § 3a Absatz 2 Satz 4 Nummer 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes.
2. Zu § 2 Absatz 2 Satz 3 GewAnzV
In § 2 Absatz 2 ist Satz 3 zu streichen.
Begründung:
Die Erhebung und Verwendung personenbezogener Daten aus dem Personalausweis oder mithilfe des Ausweises ist abschließend in § 14 PAuswG geregelt. Ein Verfahren zur Identitätsfeststellung mittels Übersendung einer Kopie des Personalausweises, wie es § 2 Absatz 2 Satz 3 GewAnzV vorsieht, ist dabei nicht vorgesehen.
Im Entwurf eines Gesetzes über Personalausweise und den elektronischen Identitätsnachweis sowie zur Änderung weiterer Vorschriften (BR-Drucksache 550/08 (PDF) ) wird in der Einzelbegründung zu § 14 PAuswG ausgeführt:
" § 14 stellt klar, dass die Erhebung und Verwendung personenbezogener Daten aus oder mithilfe des Ausweises künftig nur über die dafür vorgesehenen Wege erfolgen darf. Dies sind für nichtöffentliche und für öffentliche Stellen der elektronische Identitätsnachweis und für zur hoheitlichen Identitätsfeststellung berechtigte Behörden der Abruf der elektronisch gespeicherten Daten einschließlich der biometrischen Daten. Weitere Verfahren z.B. über die optoelektronische Erfassung ("scannen") von Ausweisdaten oder den maschinenlesbaren Bereich sollen ausdrücklich ausgeschlossen werden."
Die in § 2 Absatz 2 Satz 3 GewAnzV vorgesehene Anforderung einer Kopie eines Personalausweises zur Feststellung der Identität des Anzeigenden ist als ein solches weiteres Verfahren anzusehen. Damit würde im Verordnungswege von § 14 PAuswG abgewichen werden. Es erscheint fraglich, ob die Bestimmung von der Verordnungsermächtigung in § 14 Absatz 14 GewO umfasst wird: Bei der Anforderung einer Ausweiskopie dürfte es sich nach der Gesetzesbegründung (vgl. BR-Drucksache 6 1/1 1) weder um eine Festlegung zur Angabe von Informationen (§ 14 Absatz 14 Satz 2 Nummer 1 GewO) noch um eine Vorgabe für die elektronische Datenübermittlung (§ 14 Absatz 14 Satz 2 Nummer 3 GewO) handeln.
Da eine Formvorgabe für die Übersendung der Kopie des Personalausweises oder Reisepasses nicht getroffen wurde, können die Daten auch elektronisch - etwa mittels einfacher E-Mail - übermittelt werden. Die Verordnung lässt damit offen, wie sichergestellt werden kann, dass die elektronische Übermittlung geeignet ist, die Identität des Erklärenden und die Authentizität der übermittelten Daten sicherzustellen. Die Bestimmung könnte dazu führen, dass innerhalb kurzer Zeit unzählige Kopien von Personalausweisen und Reisepässen im Internet kursieren.
3. Zu § 3 Absatz 1 Nummer 2 GewAnzV
In § 3 Absatz 1 Nummer 2 sind die Wörter "den Feldern 29 und" durch das Wort "Feld" zu ersetzen.
Begründung:
Die Erstreckung des Verbots der Datenübermittlung an die Handwerkskammern gemäß § 3 Absatz 1 Nummer 2 auf Feld 29 ("Nur für Handwerksbetriebe: Liegt eine Handwerkskarte vor? Ja/Nein. Wenn Ja, Ausstellungsdatum und Name der Handwerkskammer") ist nicht nachvollziehbar, da die Handwerkskarten von den Handwerkskammern selbst ausgestellt werden. Das Verbot der Datenübermittlung sollte auf den Rechtsstand des bisherigen § 14 Absatz 9 Nummer 2 a.F. der Gewerbeordnung zurückgeführt werden. Es ist unerlässlich, die Angaben zur Verfügung zu stellen, die für die jeweiligen Aufsichtsbehörden von Bedeutung sind, um eine ordnungsgemäße Wahrnehmung ihrer Aufgaben zu gewährleisten. Die
Datenübermittlung an die Handwerkskammern sollte daher auch in Zukunft Feld 29 umfassen.
4. Zu § 3 Absatz 4 Satz 6 - neu - GewAnzV
Dem § 3 Absatz 4 ist folgender Satz anzufügen:
"Bei der Festlegung der Standards für das Übermittlungsprotokoll sowie für das Datenaustauschformat nach den Sätzen 2 und 5 sind die vom IT-Planungsrat nach § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 des IT-Staatsvertrages beschlossenen IT-Interoperabilitäts- und IT-Sicherheitsstandards zu beachten."
Begründung:
Bei den genannten Standards handelt es sich um fachunabhängige bzw. fachübergreifende Standards im Sinne von § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 des IT-Staatsvertrages, für die der IT-Planungsrat die Beschlusskompetenz hat.
B
- 5. Der Ausschuss für Arbeit und Sozialpolitik und der Finanzausschuss empfehlen dem Bundesrat, der Verordnung gemäß Artikel 80 Absatz 2 des Grundgesetzes zuzustimmen.
C
Der Ausschuss für Arbeit und Sozialpolitik (AS) und der Ausschuss für Innere Angelegenheiten (In) empfehlen dem Bundesrat ferner, die nachstehende Entschließung zu fassen:
- 6.
- a) Der Bundesrat begrüßt die mit der GewAnzV intendierte flächendeckende Nutzung medienbruchfreier elektronischer Verfahren zur Erstattung der Gewerbeanzeige und zur Übermittlung von Gewerbeanzeigendaten an empfangsberechtigte Behörden. Er sieht hierin einen weiteren Schritt zur Entbürokratisierung des Verwaltungshandelns und einen wichtigen Beitrag zur Umsetzung der E-Government-Strategie der Bundesregierung.
- b) Weiterhin unterstützt der Bundesrat die insbesondere mit § 3 Absatz 3 GewAnzV verfolgte Zielsetzung, auf der Grundlage des Zwischenberichts des von der Bundesregierung eingesetzten Staatssekretärsausschusses zu "Rechtsfragen und Herausforderungen bei der Inanspruchnahme der sozialen Sicherungssysteme durch Angehörige der EU-Mitgliedstaaten" vom März 2014 (BT-Drucksache 18/960) bereits erste Maßnahmen zur wirksameren Bekämpfung von Scheinselbständigkeit und Schwarzarbeit zu ergreifen.
- c) Aus Sicht des Bundesrates wird die vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie mit der GewAnzV vorgesehene Einführung einer Prüfungspflicht der Gewerbebehörden hinsichtlich des Vorliegens von Anhaltspunkten für Scheinselbständigkeit bzw. Schwarzarbeit und die damit einhergehende Selektierung der an die Finanzkontrolle Schwarzarbeit der Zollverwaltung (FKS) weiterzuleitenden Gewerbeanmeldungen zu signifikanten Verbesserungen bei der Bekämpfung entsprechender Rechtsverstöße führen. Auch die vorgesehene Verpflichtung, Daten aus der Gewerbeanzeige spätestens bis zum Ablauf einer Frist von zehn Arbeitstagen nach bescheinigter Entgegennahme der Gewerbeanzeige an die empfangsberechtigten Behörden zu übermitteln, wird einer zeitnahen Übermittlung der Gewerbe-Meldedaten förderlich sein.
- d) Mit Sorge betrachtet der Bundesrat allerdings die aktuelle Entwicklung, dass das zur künftigen Weitergabe von Daten aus verdächtigen Gewerbeanzeigen vorgesehene elektronische Übermittlungsverfahren gegebenenfalls hinter dem bislang - auf der Grundlage der zwischen dem Bundesministerium der Finanzen (BMF) und den zuständigen Ressorts der Länder getroffenen "Vereinbarung über die Grundsätze der Zusammenarbeit der FKS mit den Gewerbebehörden und den Schwarzarbeitsbekämpfungsbehörden der Länder (Zusammenarbeitsvereinbarung Handwerks- und Gewerberecht)" - praktizierten Verfahren zurückbleibt.
- e) Der Bundesrat bittet deshalb die Bundesregierung, im Rahmen der mit den Ländern nach § 3 Absatz 3 Satz 2 GewAnzV abzuschließenden Verwaltungsvereinbarung sicherzustellen, dass bei der Festlegung der Anhaltspunkte für die elektronische Übermittlung verdächtiger Gewerbeanzeigen weiterhin die Möglichkeit gegeben bleibt, auch die bei den Gewerbebehörden gegebenenfalls vorliegenden Erkenntnisse zum Ort der Leistungserbringung, zu "Auftraggeber/innen" oder "Vergütungsvereinbarungen" ebenfalls im Wege des elektronischen Verfahrens übermitteln zu können. Denn vor allem durch Hinweise hierauf werden die Dienstkräfte der FKS überhaupt erst in die Lage versetzt, entsprechenden Verdachtsmomenten auch tatsächlich nachgehen zu können. In diesem Zusammenhang sollte zumindest gewährleistet sein, dass im Rahmen der Übermittlung verdächtiger Gewerbeanzeigen mittels eines zusätzlichen Feldes in dem Datenaustauschformat auf das etwaige Vorliegen weiterer Erkenntnisse hingewiesen werden kann (zum Beispiel "Es liegen weitere Erkenntnisse vor, die auf das Vorliegen von Scheinselbständigkeit bzw. Schwarzarbeit hindeuten und auf Anfrage übermittelt werden können.").
Begründung:
Mit der GewAnzV sollen die Rahmenbedingungen für die elektronische Erstattung der Gewerbeanzeige und der elektronischen Weiterleitung von Daten aus der Gewerbeanzeige festgelegt werden. Dies umfasst unter anderem auch die Festlegung, welche Daten aus der Gewerbeanzeige die in § 14 Absatz 8 Satz 1 der Gewerbeordnung (GewO) aufgeführten empfangsberechtigten Stellen erhalten dürfen.
Zu diesen Stellen zählen unter anderem auch die Behörden der Zollverwaltung zur Wahrnehmung der ihnen nach dem Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz, nach § 405 Absatz 1 in Verbindung mit § 404 Absatz 2 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch sowie nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz obliegenden Aufgaben (§ 14 Absatz 8 Satz 1 Nummer 7 GewO).
§ 3 Absatz 3 GewAnzV sieht in diesem Zusammenhang eine Prüfungspflicht für Gewerbebehörden vor, ob Anhaltspunkte für das Vorliegen von Schwarzarbeit oder Scheinselbständigkeit gegeben sind. Künftig sollen nur noch diese (verdächtigen) Gewerbeanzeigen auf elektronischem Wege an die Behörden der Zollverwaltung (FKS) übermittelt werden. In welchen Fällen Anhaltspunkte für Schwarzarbeit oder Scheinselbständigkeit vorliegen, soll nach § 3 Absatz 3 Satz 2 GewAnzV vom BMF und den Ländern im Rahmen einer Verwaltungsvereinbarung einvernehmlich geregelt werden.
Hierzu haben nach Mitteilung des BMF bereits Gespräche mit den für Wirtschaft zuständigen Ressorts der Länder stattgefunden. Im Ergebnis dieser Gespräche steht zu befürchten, dass der FKS durch das elektronische Verfahren in Zukunft möglicherweise Informationen der Gewerbebehörden vorenthalten werden, die - soweit sie im Rahmen des Gewerbeanzeigenverfahrens bekannt werden - zur Aufdeckung von Scheinselbständigkeit bzw. Schwarzarbeit jedoch unerlässlich sind.
Daher sollte auch in Zukunft die Möglichkeit gegeben sein, im Wege einer Freitexteingabe Angaben zum Beispiel zum Ort der Leistungserbringung, zu "Auftraggeber/innen" oder "Vergütungsvereinbarungen" zusammen mit den Daten aus der Gewerbeanzeige übermitteln zu können. Zumindest sollte das in § 3 Absatz 4 Satz 5 GewAnzV bundesweit einheitlich geregelte Datenaustauschformat hinsichtlich der Übermittlung der in Rede stehenden Anhaltspunkte vom Statistischen Bundesamt um ein zusätzliches Datenfeld ergänzt werden, mit dem die Gewerbebehörde der FKS durch entsprechendes Anklicken mitteilen kann, dass ihr zusätzliche Erkenntnisse, die auf Scheinselbständigkeit bzw. Schwarzarbeit hindeuten, vorliegen und auf Anfrage übermittelt werden können.
- 7. Der Bundesrat weist darauf hin, dass in den Anlagen 1 bis 3 zu § 1 GewAnzV die datenschutzrechtlichen Hinweise nach § 4 Absatz 3 BDSG bzw. nach den entsprechenden Hinweispflichten in den Datenschutzgesetzen der Länder fehlen und bittet die Bundesregierung, die erforderlichen Hinweise noch aufzunehmen.
Begründung:
Die Anlagen 1 bis 3 zu § 1 GewAnzV (Muster-Vordrucke für die Gewerbeanmeldung, -ummeldung und -abmeldung) werden nach der Verordnungsbegründung unverändert von dem bisherigen Verfahren übernommen. Die Vordrucke enthalten bisher keine ausreichenden datenschutzrechtlichen Hinweise (z.B. auf die Rechtsgrundlage bzw. die Freiwilligkeit der Datenerhebung, die verantwortliche Stelle, die Datenempfänger) nach § 4 Absatz 3 BDSG bzw. nach den entsprechenden Hinweispflichten in den Datenschutzgesetzen der Länder.
Der Verordnungserlass sollte zum Anlass genommen werden, diese datenschutzrechtlich erforderlichen Hinweise in die Anlagen 1 bis 3 zu § 1 GewAnzV aufzunehmen.