983. Sitzung des Bundesrates am 29. November 2019
A.
Der Ausschuss für Städtebau, Wohnungswesen und Raumordnung empfiehlt dem Bundesrat, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:
1. Zu Artikel 1 Nummer 1 Buchstabe c - neu - (§ 556d Absatz 2 Satz 5 bis 7 BGB)
Dem Artikel 1 Nummer 1 ist folgender Buchstabe c anzufügen:
"c) Die Sätze 5 bis 7 werden aufgehoben."
Begründung:
Die für die sogenannte Mietpreisbremse nach § 556d Absatz 2 Satz 5 bis 7 BGB geltende Begründungspflicht mit der daraus abgeleiteten Veröffentlichungspflicht ist zu streichen.
Die sogenannte Mietpreisbremse gilt nur in Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten, die durch Rechtsverordnung der Landesregierungen bestimmt werden (§ 556d Absatz 2 Satz 1 BGB).
§ 556d Absatz 2 Satz 5 BGB sieht eine Begründungspflicht für eine solche Landesverordnung vor, die in § 556 Absatz 2 Satz 6 und 7 BGB näher präzisiert wird. Rechtsverordnungen unterliegen grundsätzlich keiner verfassungsrechtlichen Begründungspflicht (vergleiche Maunz/Dürig/Remmert, Grundgesetz, 87. EL März 2019, Artikel 80 Grundgesetz, Rn. 131). Das Begründungserfordernis zur sogenannten Mietpreisbremse ist verfassungsrechtlich nicht erforderlich. Es dient zwar dem Grundrechtsschutz, denn es soll den Verordnungsgeber zu einer sorgfältigen Prüfung der Erlassvoraussetzungen auch mit Blick auf die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in die Eigentumsgarantie der betroffenen Vermieter anhalten (vergleiche BVerfG, Beschluss vom 18. Juli 2019, Az. 1 BvL 1/18 u.a., Rn. 78, juris; BGH, Urteil vom 17. Juli 2019, Az. VIII ZR 130/18, Rn. 22, juris). Es handelt sich dabei jedoch nicht um eine verfahrensrechtliche Sicherung, die für die Gewährleistung ausreichenden Grundrechtsschutzes unabdingbar wäre. Vielmehr bietet insbesondere das Eigentumsgrundrecht im Zusammenhang mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ausreichende materielle Maßstäbe, an denen die Verfassungsmäßigkeit der den Mietpreis begrenzenden bundesrechtlichen Vorschriften, aber auch der landesrechtlichen Verordnungen beurteilt werden kann (vergleiche BayVerfGH, Entscheidung vom 4. April 2017, Az. Vf. 3-VII-16, Rn. 33 - zitiert nach juris; BayVerfGH, Entscheidung vom 15. Juni 2015, Az. Vf. 12-VII-14, Rn. 36 ff. - zitiert nach juris - zur Reduzierung der Kappungsgrenze bei Mieterhöhungen).
Dass die Begründungspflicht für einen ausreichenden Grundrechtsschutz nicht unabdingbar ist, zeigt sich auch daran, dass weitere bundesrechtliche Ermächtigungen zum Erlass mieterschützender Landesverordnungen - insbesonders § 558 Absatz 3 Satz 2 und 3 BGB, zur Verlängerung der Kündigungssperrfrist bei der Umwandlung von vermieteten Wohnräumen in Wohnungseigentum nach § 577a Absatz 2 BGB oder zum Zweckentfremdungsverbot nach Artikel 6 § 1 des Gesetzes zur Verbesserung des Mietrechts und zur Begrenzung des Mietanstiegs sowie zur Regelung von Ingenieur- und Architektenleistungen (MietRVerbG) - keine Verpflichtung des Verordnungsgebers enthalten, die Verordnungen zu begründen, ohne dass dies zu einem defizitären Grundrechtsschutz führen würde (vergleiche BVerfG, Beschluss vom 4. Februar 1975, Az. 2 BvL 005/74 , Rn. 65 ff. - zitiert nach juris - zum Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum; BayVerfGH, Entscheidung vom 4. April 2017 am angegebenen Ort, a.a. O.).
Aus der einfachgesetzlich vorgesehenen Begründungspflicht zur sogenannten Mietpreisbremse nach § 556d Absatz 2 Satz 5 bis 7 BGB ist - nunmehr auch höchstrichterlich entschieden - eine Veröffentlichungspflicht hergeleitet worden (vergleiche BGH, Entscheidung vom 17. Juli 2019, a.a. O.). Das zur Mietpreisbremse vorgesehene - verfassungsrechtlich nicht erforderliche - Begründungserfordernis und die daraus abgeleitete Veröffentlichungspflicht haben in der Vergangenheit jedoch dazu geführt, dass zahlreiche Landesverordnungen wegen nicht oder nicht rechtzeitig oder nicht ordnungsgemäß erfolgter Begründung für nichtig erklärt worden sind (vergleiche LG München I, Urteil vom 6. Dezember 2017, Az. 14 S 10058/17; LG Frankfurt a. M., Urteil vom 27. März 2018, Az. 2-11 S 183/17 (PDF) ; LG Hamburg, Urteil vom 14. Juni 2018, Az. 333 S 028/17 (PDF) ; AG Potsdam, Urteil vom 27. September 2018, Az. 23 C 93/17, GE 2018, 1464, juris).
Das Begründungserfordernis hat die mietrechtliche Praxis mit zahlreichen diffizilen Problemen belastet und zudem zu einer wesentlichen Verzögerung des Wirksamwerdens der Mietpreisbremse geführt.
Darüber hinaus führen das Begründungserfordernis und die daraus abgeleitete Veröffentlichungspflicht in der Gesamtschau zu einer inkonsistenten Regelung im Mietrechtsregime. Die bundesrechtlichen Ermächtigungsgrundlagen zum Erlass mieterschützender Landesverordnungen zur Absenkung der Kappungsgrenze für Mieterhöhungen nach § 558 Absatz 3 Satz 2 und 3 BGB, zur Verlängerung der Kündigungssperrfrist bei der Umwandlung in Wohnungseigentum nach § 577a Absatz 2 BGB und zum Zweckentfremdungsverbot nach Artikel 6 § 1 MietRVerbB sehen keine Begründungspflicht vor, obwohl die Voraussetzungen zum Erlass derartiger Landesverordnungen deckungsgleich sind und die darauf beruhenden Grundrechtseingriffe teilweise ebenso oder zumindest genauso tiefgreifend sein können. Der Tatbestand zum Erlass dieser Rechtsverordnungen ist jeweils deckungsgleich: Die Landesregierungen können für Gebiete, in denen die Versorgung der Bevölkerung mit ausreichendem Wohnraum zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist, mieterschützende Verordnungen erlassen. Unter diesen Voraussetzungen, jedoch ohne Begründungserfordernis, kann die Landesregierung beispielsweise eine mit einem erheblichen Eingriff in das Eigentumsrecht der Wohnungseigentümer verbundene Kündigungssperrfristverordnung nach § 577a Absatz 2 BGB erlassen. Darin kann die gesetzliche Frist von drei Jahren für den Ausschluss einer Eigenbedarfs- oder Verwertungskündigung des Vermieters bei der Begründung von Wohnungseigentum an vermietetem Wohnraum auf bis zu zehn Jahre verlängert werden.
Der Umstand, dass die Tatbestandsvoraussetzungen für den Erlass mieterschützender Landesverordnungen deckungsgleich sind, führt dazu, dass sich das Begründungserfordernis indirekt auch auf Verordnungsermächtigungen erstreckt, die eigentlich keine Begründungspflicht vorsehen. Sind beispielsweise statistische Daten zur Feststellung von Mangelgebieten (in der Regel durch ein Gutachten) erhoben und herangezogen worden, um eine Kappungsgrenzenverordnung nach § 558 Absatz 3 BGB zu erlassen, so sind diese Angaben auch zu veröffentlichen, wenn die Landesregierung diese Daten zweckmäßigerweise (zur Vermeidung weiterer Gutachten) zugleich auch für die Einführung einer Mietpreisbremse heranzieht.
Zur Vermeidung inkonsistenter Bestimmungen im Regelungsgefüge der mietrechtlichen Vorschriften sollte das verfassungsrechtlich nicht erforderliche Begründungserfordernis zur sogenannten Mietpreisbremse wieder aufgehoben werden.
2. Zu Artikel 1 Nummer 2 (§ 556g Absatz 2, Absatz 4 BGB)
Artikel 1 Nummer 2 ist wie folgt zu fassen:
"2. § 556g wird wie folgt geändert:
- a) Absatz 2 wird aufgehoben.
- b) Die Absätze 3 und 4 werden die Absätze 2 und 3.
- c) In dem neuen Absatz 3 wird die Angabe "bis 3" durch die Angabe "und 2" ersetzt."
Begründung:
Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz hat die Regelungen zur Mietpreisbremse evaluieren lassen. Der Evalutionsbericht des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung Berlin (DIW) kommt zu dem Schluss, dass die Mietpreisbremse in ihrer derzeitigen Fassung ökonomische Fehlanreize für Vermieterinnen und Vermieter setzt, sich nicht an das Gesetz zu halten, da derzeit lediglich die Rückzahlung der ab dem Zeitpunkt einer berechtigten Rüge zu viel bezahlter Mieten droht und alle bis zu diesem Zeitpunkt geleisteten Mietzahlungen davon unberührt bleiben (vergleiche Evaluationsbericht Seite 43). Hierauf nimmt die Bundesregierung in ihrem Gesetzentwurf auch Bezug.
Das wichtige und sinnvolle Anliegen, ökonomische Fehlanreize für die Missachtung des Gesetzes zu beseitigen, wird durch den Gesetzentwurf der Bundesregierung aber nur unvollständig erreicht. Eine (einfache) Rüge bleibt Voraussetzung für die Rückforderung zu viel gezahlter Miete. Erfolgt die Rüge nicht binnen 30 Monaten nach Beginn des Vertragsverhältnisses, kann, wie auch derzeit, lediglich die nach Zugang der Rüge fällig gewordene Miete zurückverlangt werden. Der Vermieter kann also darauf hoffen, dass der Mieter binnen der ersten 30 Monate des Mietverhältnisses eine Rüge unterlässt. In diesem Fall kann er auch überhöhte Mieten bei späterer Rüge umfassend behalten.
Auch die geplante Neuregelung begünstigt damit weiterhin Vermieterinnen und Vermieter, die das Gesetz missachten und Mieten verlangen, die nach den Regelungen der Mietpreisbremse gesetzeswidrig sind, wenn auch nicht mehr so stark wie in der derzeitigen Fassung.
Es ist bei lebensnaher Betrachtung aber äußerst unwahrscheinlich, dass eine Mieterin oder ein Mieter, die oder der froh ist, in einem Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt überhaupt eine Wohnung bekommen zu haben, zu Beginn des Mietverhältnisses eine Rüge erheben wird. Damit würde sie oder er das Verhältnis zur Vermieterin oder zum Vermieter von Beginn an belasten und das Risiko eingehen, dass die Vermieterin oder der Vermieter versuchen könnte, das Mietverhältnis zu beenden. Die Rügeobliegenheit stellt daher einen wesentlichen Grund für die geringe Wirkung der Mietpreisbremse dar. Dem ist dadurch Rechnung zu tragen, dass die Rückforderung zu viel gezahlter Miete nicht mehr von einer zuvor erfolgten Rüge der Mieterin oder des Mieters abhängt und in den Grenzen der Verjährung die Rückforderung von in der Vergangenheit zu viel gezahlter Miete umfasst. Eine zeitliche Befristung der Möglichkeit, überzahlte Mieten rückwirkend zurückzufordern, sollte hingegen nicht vorgesehen werden. Gerade in Fällen, in denen das Mietverhältnis aus anderen
Gründen in Streit gerät, erscheint es realistisch, dass Mieter sich auf die überzahlte Mieten berufen. Dies kann aber durchaus mehr als 30 Monate nach Beginn des Vertragsverhältnisses der Fall sein. Wenn die gezahlten Mieten objektiv überhöht waren und der Mieter (als strukturell schwächere Vertragspartei) lediglich aus Angst davor, dass er mit einer Rüge das Mietverhältnis erheblich belasten würde, diese Ansprüche zuvor nicht geltend gemacht hat, ist die Geltendmachung auch mehr als 30 Monate nach Beginn des Mietverhältnisses aber legitim und sollte nicht kraft Gesetzes abgeschnitten sein. Dies ist bei sonstigen bereicherungsrechtlichen Rückforderungen auch nicht der Fall.
Die Aufhebung von § 556g Absatz 2 BGB würde ökonomische Fehlanreize umfassend beseitigen und der Mietpreisbremse weitaus stärker zur Geltung verhelfen, als die von der Bundesregierung im Gesetzentwurf vorgesehene Neuregelung.
Dem Schutzbedürfnis der Vermieterinnen und Vermieter wird hinreichend dadurch Rechnung getragen, dass eine Rückforderung nur in den Grenzen der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren (§ 195 BGB), die für Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung gilt, möglich ist.
B
3. Der federführende Rechtsausschuss und der Wirtschaftsausschuss empfehlen dem Bundesrat, gegen den Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes keine Einwendungen zu erheben.