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Der Bundesrat hat in seiner 934. Sitzung am 12. Juni 2015 beschlossen, zu dem Zwanzigsten Hauptgutachten der Monopolkommission 2012/2013 und zu der Stellungnahme der Bundesregierung zu diesem Hauptgutachten gemäß § 44 Absatz 3 GWB wie folgt Stellung zu nehmen:
- 1. Der Bundesrat nimmt das Zwanzigste Hauptgutachten der Monopolkommission zur Kenntnis und begrüßt die zum Teil kritischen Anmerkungen hierzu in der Stellungnahme der Bundesregierung.
Insbesondere mit Blick auf die Entsorgungswirtschaft sieht der Bundesrat allerdings die Haltung der Monopolkommission und der Bundesregierung nicht als ausgewogen im Hinblick auf die Wahrnehmung der Aufgaben der kommunalen Entsorgungswirtschaft an.
- 2. Der Bundesrat nimmt die Auffassung der Monopolkommission zum Wettbewerb zwischen kommunalen und privaten Entsorgern von Hausmüll zur Kenntnis. Er lehnt die Empfehlung der Monopolkommission ab, eine neue Wettbewerbsordnung mit konkurrierenden Hausmüllentsorgungsunternehmen und einem kommunalen Grundentsorger zu schaffen (Nummer 1303 des Hauptgutachtens) und bedauert, dass die Bundesregierung dieser Empfehlung in ihrer Stellungnahme nicht widerspricht.
Aus Sicht des Bundesrates stellt die Überlassungspflicht eine an der Daseinsvorsorge orientierte, wirtschaftlich tragfähige Erfüllung der Entsorgungsaufgaben durch die öffentlichrechtlichen Entsorgungsträger sicher. Der Verpflichtung zur hochwertigen und umweltverträglichen Verwertung und Beseitigung aller im Gebiet angefallenen und überlassenen Haushaltsabfälle kann nur durch eine entsprechende Überlassungspflicht gesichert werden. Die Abfallmengen und vorzuhaltenden Entsorgungskapazitäten wären ohne eine entsprechende Überlassungspflicht nicht berechenbar, die Planungs- und Funktionsfähigkeit der öffentlichrechtlichen Entsorgungsträger somit im Kern gefährdet.
Der Bundesrat verweist in diesem Zusammenhang nachdrücklich auf die einschlägige Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH C-360/96 Arnhem/Rheden, Urteil vom 10. November 1998), der die Zulässigkeit einer generellen Zuweisung der Entsorgung von Abfällen aus privaten Haushaltsabfällen an die Kommunen anerkennt.
- 3. Der Bundesrat nimmt zur Kenntnis, dass die Monopolkommission empfiehlt, Kommunen zur Ausschreibung der Hausmüllentsorgung anzuhalten und dass diese Empfehlung durch die Bundesregierung unterstützt wird.
Die Entscheidung, ob die Kommunen Entsorgungsleistungen vergeben wollen, muss ihnen überlassen bleiben. Die Erwartung, dass allein durch die Beauftragung Dritter ein höheres Qualitätsniveau der Entsorgung und die Vermeidung ineffizienter Entsorgungsstrukturen erreicht wird, teilt der Bundesrat nicht.
- 4. Der Bundesrat lehnt die Empfehlung der Monopolkommission ab, die Verantwortung für die Anzeigen von gewerblichen Sammlungen gemäß § 18 Absatz 1 KrWG in jedem Land an eine zentrale unabhängige Stelle zu vergeben. Der Bundesrat bedauert, dass die Bundesregierung im Rahmen des Berichts der Monopolkommission nicht Stellung bezogen hat.
Der Bundesrat stellt hierzu fest, dass nach der verfassungsrechtlichen Ordnung die Regelung von behördlichen Zuständigkeiten im Bereich des Vollzugs des Kreislaufwirtschaftsrechts den Ländern vorbehalten ist.
Die Bedenken der Monopolkommission gegen eine Zuständigkeitszuweisung an die unteren Abfallbehörden teilt der Bundesrat nicht. Die Unabhängigkeit bei der Bearbeitung von Anzeigen wird durch organisatorische und personelle Trennung zwischen öffentlichrechtlichem Entsorgungsträger und unterer Abfallbehörde sichergestellt.
- 5. Der Bundesrat nimmt die Empfehlung der Monopolkommission zur Kenntnis, dass der Ordnungsrahmen für gewerbliche Sammlungen so gestaltet werden solle, dass Kommunen nur in klar abzugrenzenden Fällen wirtschaftlich tätig werden dürften und bedauert, dass die Bundesregierung hierzu nicht kritisch Stellung bezieht.
Der Bundesrat lehnt die Empfehlung der Monopolkommission ab, dass kommunale Entsorgungsbetriebe die Sammlung nur dann eigenständig übernehmen dürfen, wenn keine gewerblichen Sammler bereit seien, die Sammlung durchzuführen (Nummer 1327 des Hauptgutachtens).
Ein Vorrang der gewerblichen vor der kommunalen Sammlung verkehrt die Forderung nach mehr Wettbewerb einseitig zu Lasten der Kommunen. Dies führt auf Grund der kommunalen Gewährleistungsverantwortung letztlich zu höheren Entsorgungsgebühren für die Bürgerinnen und Bürger, wenn die kommunale Sammlung auf die wirtschaftlich unrentablen Bereiche beschränkt wird.
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Ferner hat der Bundesrat zum Zwanzigsten Hauptgutachten der Monopolkommission gemäß § 44 Absatz 3 GWB wie folgt Stellung genommen:
- 1. Der Bundesrat begrüßt die Befassung der Monopolkommission mit dem Bereich des Kinder- und Jugendhilferechts. Die Auffassung, dass eine kosteneffiziente und qualitativ hochwertige Leistungserbringung im Rahmen der Kinder- und Jugendhilfe durch die öffentliche Hand zu gewährleisten und eine transparente, an den Präferenzen der Leistungsberechtigten orientierte Struktur zu erhalten und weiterzuentwickeln sei, wird geteilt.
- 2. Der Bundesrat ist jedoch der Ansicht, dass die Grundprinzipien des SGB VIII sich bewährt haben und einer rein wettbewerbsrechtlichen Betrachtung fachlicher Angebote der Kinder- und Jugendhilfe deutlich entgegenstehen. Insbesondere zu nennen sind hier der Subsidiaritätsgrundsatz (§ 4 SGB VIII), die Trägerpluralität (§ 3 SGB VIII) sowie die Trägerautonomie (§ 4 SGB VIII) und das Wunsch- und Wahlrecht der Leistungsberechtigten bei der Auswahl eines Leistungsanbieters (§ 5 SGB VIII).
Der Bundesrat teilt die Einschätzung der Monopolkommission nicht, dass mit dem Stimmrecht anerkannter Träger der freien Jugendhilfe in den Jugendhilfeausschüssen ein Interessenkonflikt und eine Minderung der Entscheidungsqualität verbunden seien.
- 3. Der Bundesrat begrüßt und teilt insofern die Ausführungen der Bundesregierung, nach denen auch nach der Umsetzung der europarechtlichen Vorgaben im Bereich des Vergaberechts die Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe, die im sozialrechtlichen Dreiecksverhältnis finanziert werden, weiterhin nicht unter die Regelungen der Auftragsvergabe fallen.
Der Bundesrat empfiehlt, bei der Umsetzung der Reform des Vergaberechts die besondere Situation der Kinder- und Jugendhilfe ausreichend zu berücksichtigen und dem gewachsenen Zusammenwirken der öffentlichen Stellen mit den Trägern der Freien Wohlfahrtspflege sowie dem vorgegebenen "jugendhilferechtlichen Dreiecksverhältnis" weiterhin Rechnung zu tragen.
- 4. Die Kritik der Monopolkommission an der steuerlichen Privilegierung gemeinnützig anerkannter Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe teilt der Bundesrat nicht.