A. Problem und Ziel
- Zum selbstverständlichen unausgesprochenen Grundkonsens der Kinder- und Jugendhilfe in Deutschland gehörte es, dass diese immer als zentrales Ziel die Integration in die Gesellschaft verfolgt. In letzter Zeit unternehmen islamisch geprägte Gruppierungen verstärkt Anstrengungen, internatsähnliche Betreuungsformen, aber auch Kindertagesstätten, aufzubauen. Es gibt Hinweise, dass diese Einrichtungen die Abgrenzung von der deutschen Gesellschaft und Parallelkulturen fördern.
- Um sich anbahnenden gesamtgesellschaftlich bedenklichen Entwicklungen wirksam entgegentreten zu können, soll daher eine eindeutige und damit stärkere Verankerung des Integrationsgedankens im Kinder- und Jugendhilferecht erfolgen.
B. Lösung
- Änderung des Artikels 1 des Achten Buches Sozialgesetzbuch - Kinder- und Jugendhilfe -.
C. Alternativen
- Keine.
D. Finanzielle Auswirkungen
- Keine.
E. Sonstige Kosten
- Keine.
Gesetzentwurf des Bundesrates
Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Achten Buches Sozialgesetzbuch
Der Bundesrat hat in seiner 803. Sitzung am 24. September 2004 beschlossen, den beigefügten Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Abs. 1 des Grundgesetzes beim Deutschen Bundestag einzubringen.
Anlage
Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Achten Buches Sozialgesetzbuch
Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates das folgende Gesetz beschlossen:
Artikel 1
Änderung des Achten Buches Sozialgesetzbuch
Das Achte Buch Sozialgesetzbuch - Kinder- und Jugendhilfe - in der Fassung der Bekanntmachung vom 8. Dezember 1998 (BGBl. I S. 3546), zuletzt geändert durch ..., wird wie folgt geändert:
- 1. In § 1 Abs. 3 wird nach Nummer 3 folgende Nummer eingefügt:
"3a. die Integration von jungen Menschen in Staat und Gesellschaft fördern,"
- 2. § 45 Abs. 2 wird wie folgt gefasst:
(2) Die Erlaubnis kann mit Nebenbestimmungen versehen werden, insbesondere mit Befristungen oder Auflagen wie Schulung und Begleitung des Betreuungspersonals, Selbstverpflichtungserklärungen des Trägers. Die Landesregierungen werden ermächtigt, durch Rechtsverordnung Näheres über die Ausgestaltung der Nebenbestimmungen zu regeln. Die Erlaubnis ist zu versagen wenn Zweifel an einer der Integration von Kindern und Jugendlichen in Staat und Gesellschaft dienenden Ausrichtung bestehen. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn
- 1. regelmäßiger Kontakt der Kinder und Jugendlichen in der Einrichtung mit ihren Familien oder mit Kindern und Jugendlichen außerhalb der Einrichtung erschwert wird,
- 2. die Erziehung und Betreuung nicht überwiegend in gängiger deutscher Sprache stattfindet,
- 3. nichtaltersgerechte Erziehungsmethoden oder Psychotechniken angewandt werden
- 4. die Prinzipien der freiheitlichdemokratischen Grundordnung in Frage gestellt werden oder
- 5. gesundheitliche Vorsorge und medizinische Betreuung eingeschränkt wird.
Sie ist außerdem zu versagen, wenn
- 1. die Einrichtung die Erfordernisse des § 1 Abs. 3 nicht erfüllt oder
- 2. die Betreuung der Kinder oder der Jugendlichen durch geeignete Kräfte nicht gesichert ist oder
- 3. in sonstiger Weise das Wohl der Kinder oder der Jugendlichen in der Einrichtung nicht gewährleistet ist.
Über die Voraussetzungen der Eignung sind Vereinbarungen mit den Trägern der Einrichtungen anzustreben. Die Erlaubnis ist zurückzunehmen oder zu widerrufen wenn das Wohl der Kinder oder der Jugendlichen in der Einrichtung gefährdet, und der Träger der Einrichtung nicht bereit oder in der Lage ist, die Gefährdung abzuwenden. Zur Sicherung des Wohles der Kinder und der Jugendlichen können auch nachträgliche Auflagen erteilt werden.
Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Rücknahme oder den Widerruf der Erlaubnis haben keine aufschiebende Wirkung."
- 3. Dem § 47 Abs. 1 wird folgender Satz angefügt:
"Die Träger können durch Landesrecht verpflichtet werden, in regelmäßigen Abständen über ihr Konzept und ihre Tätigkeit Bericht zu legen."
- 4. In § 48 werden die Wörter "dass er die für seine Tätigkeit erforderliche Eignung nicht besitzt" durch die Wörter "dass sie die für die Tätigkeit erforderliche Eignung nicht besitzen, insbesondere wenn sie die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 4 erfüllen" ersetzt.
- 5. § 75 Abs. 1 Nr. 1 wird wie folgt gefasst:
"1. auf dem Gebiet der Jugendhilfe im Sinne des § 1 tätig sind und in ihrer Zielsetzung die Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 erfüllen,"
Artikel 2
Inkrafttreten
Dieses Gesetz tritt am Tage nach der Verkündung in Kraft.
Begründung
A. Allgemeines
Der Gesetzentwurf sieht vor, das Postulat der Integration junger Menschen mit Migrationshintergrund in Staat und Gesellschaft zu verankern. Durch die Hervorhebung und Betonung der Integration im Gesetz wird die Basis geschaffen, bei der Ausgestaltung der Betriebserlaubnis hinsichtlich der Beachtung des Wohls für Kinder und Jugendliche die Zielsetzungen des § 1 SGB VIII stärker als bisher einzubinden.
Als Rechtsgrundlage für die Erteilung (oder Versagung) der Betriebserlaubnis steht nur der § 45 SGB VIII zur Verfügung. Danach ist die Betriebserlaubnis zu versagen wenn das Wohl der Kinder und Jugendlichen in der Einrichtung nicht gewährleistet ist.
Die Schwierigkeit besteht darin, eine mangelnde Bereitschaft eines Einrichtungsträgers, dem Integrationspostulat zu entsprechen, als relevanten Tatbestand unter den unbestimmten Begriff des "Kindeswohls" hinreichend subsumieren zu können. Durch die Aufnahme des Grundsatzes der Integration und die Aufgliederung des Begriffs des Zweifels an der Integrationsabsicht in beobachtbare und nachprüfbare Tätigkeiten soll die Prüfung und Erteilung der Betriebserlaubnis erleichtert und verbessert werden. Dadurch werden zugleich die Anforderungen an den Einrichtungsträger angemessen verdeutlicht.
Kostenfolgen sind mit der vorgesehenen Änderung nicht verbunden. Im Vordergrund der Regelung steht der Aspekt der Gefahrenabwehr, der auf den Schutz von Kindern und Jugendlichen abzielt. Dies wird auch durch den Regelungszusammenhang in der Vorschrift des § 1 SGB VIII unterstrichen, der sich seiner Rechtsnatur nach als Bündelung von Programmsätzen versteht, ohne dabei konkret ableitbare Kostenfolgen auszulösen.
B. Zu den einzelnen Vorschriften
Zu Artikel 1
Zu Nummer 1 (§ 1 Abs. 3 Nr. 3a SGB VIII)
Das Integrationserfordernis soll in den Allgemeinen Teil des Achten Buches Sozialgesetzbuch als übergreifende Leitnorm in § 1 aufgenommen werden.
Dieser neue Grundsatz entfaltet seine Wirkung deshalb auf alle nachfolgenden Bestimmungen der Kinder- und Jugendhilfe.
Zu Nummer 2 (§ 45 Abs. 2 SGB VIII)
Um sicherzugehen, dass vor allem islamische und sonstige weltanschauliche Träger von Einrichtungen den Integrationsgedanken wahren, soll klargestellt werden dass Zweifel der Erlaubnisbehörde an dessen Beachtung die Versagung der Erlaubnis begründet. Die aufgezählten Beispiele gliedern den Begriff des Zweifels an der Integrationsabsicht in beobachtbare und nachprüfbare Tätigkeiten auf.
Die den Ländern eingeräumte Ermächtigung, durch Rechtsverordnung Näheres zu den Nebenbestimmungen zu regeln, eröffnet die Möglichkeit, detaillierte und den Bedürfnissen der Länder angepasste Regelungen zu treffen.
Zu Nummer 3 (§ 47 Abs. 1 Satz 3 SGB VIII)
Der Landesrechtsvorbehalt soll es den Ländern ermöglichen, die Träger zu verpflichten über ihre konzeptionellen Entwicklungen sowie Tätigkeiten regelmäßig zu berichten und so eine gezielte Kontrolle durch die Behörden zu erleichtern.
Zu Nummer 4 (§ 48 SGB VIII)
Die Vorschrift stellt die logische Fortsetzung der Änderung in § 45 Abs. 2 dar und bezieht sich auf die Eignung der Personen.
Zu Nummer 5 (§ 75 Abs. 1 Nr. 1 SGB VIII)
Die Neufassung stellt die konsequente Fortsetzung der Verankerung des Integrationskriteriums in § 1 SGB VIII dar.
Zu Artikel 2 (Inkrafttreten)
Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten.