Der Regierende Bürgermeister von Berlin Berlin, den 1. März 2011
An die Präsidentin des Bundesrates
Frau Ministerpräsidentin
Hannelore Kraft
Sehr geehrte Frau Präsidentin,
der Senat von Berlin hat beschlossen, die als Anlage beigefügte Entschließung des Bundesrates zur Gleichstellung eingetragener Lebenspartnerschaften mit der Ehe im Kindschaftsrecht beim Bundesrat einzubringen.
Ich bitte, den Antrag gemäß § 36 Absatz 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates den zuständigen Ausschüssen zur Beratung zuzuweisen.
Mit freundlichen Grüßen
Klaus Wowereit
Entschließung des Bundesrates zur Gleichstellung eingetragener Lebenspartnerschaften mit der Ehe im Kindschaftsrecht
Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, einen Gesetzentwurf vorzulegen, der die Gleichstellung eingetragener Lebenspartnerschaften mit der Ehe im Kindschaftsrechts beinhaltet.
Begründung:
Das am 01.08.2001 in Kraft getretene "Gesetz über die eingetragene Lebenspartnerschaft - Lebenspartnerschaftsgesetz - LPartG" hat zu einem deutlichen Abbau der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Paare geführt. Durch das Gesetz zur Überarbeitung des Lebenspartnerschaftsgesetzes von 2004 wurde das Recht der eingetragenen Lebenspartnerschaft noch mehr an das Eherecht angeglichen, u.a. wurde die Stiefkindadoption ermöglicht.
Die noch bestehenden Unterschiede im Adoptionsrecht zwischen Ehepaaren und eingetragenen Lebenspartnern widersprechen dem Gleichheitssatz des Artikels 3 des Grundgesetzes und sollten beseitigt werden:
Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss vom 07.07.2009 - 1 BvR 1164/07 (NJW 2010, 1439 ff. - zur Ungleichbehandlung von Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft im Bereich der betrieblichen Hinterbliebenenversorgung) unter Hinweis auf vorausgegangene Entscheidungen des BVerfG erneut festgestellt, dass der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln.
Verboten sei auch "ein gleichheitswidriger Begünstigungsausschluss, bei dem eine Begünstigung einem Personenkreis gewährt, einem anderen Personenkreis aber vorenthalten wird." (a.a. O., 1439). Weiter heißt es in dieser Entscheidung, dass "im Hinblick auf die Ungleichbehandlung von Verheirateten und eingetragenen Lebenspartnern (nach § 38 Satzung der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder - VBLS) ein strenger Maßstab für die Prüfung geboten ist, ob ein hinreichend gewichtiger Differenzierungsgrund vorliegt" (a.a. O., 1440). Ein gesteigerter Rechtfertigungsbedarf folge daraus, "dass die Ungleichbehandlung von Ehepartnern und eingetragenen Lebenspartnern das personenbezogene Merkmal der sexuellen Orientierung betrifft" (a.a. O., 1440). Das BVerfG führt weiter aus: "Die Anforderungen bei einer Ungleichbehandlung von Personengruppen sind umso strenger, je größer die Gefahr ist, dass eine Anknüpfung an Persönlichkeitsmerkmale, die mit denen des Art. 3 Abs. 3 GG vergleichbar sind, zur Diskriminierung einer Minderheit führt [ ... ]. Das ist bei der sexuellen Orientierung der Fall" (a.a. O., 1440). Das BVerfG fordert in dem Beschluss auch Rechtfertigungsgründe für eine unterschiedliche Behandlung von Ehepaaren und eingetragenen Lebenspartnern im Kindschaftsrecht.
"Da die durch § 38 VBLS bewirkte Ungleichbehandlung von Ehepaaren und eingetragenen Lebenspartnern eine Anknüpfung an die sexuelle Orientierung beinhaltet, sind erhebliche Unterschiede zwischen diesen beiden Formen einer auf Dauer angelegten, rechtlich verfestigten Partnerschaft erforderlich, um die konkrete Ungleichbehandlung rechtfertigen zu können" (a.a. O., 1441).
Diese liegen nicht vor.
"Die Rechtfertigung der Privilegierung der Ehe, und zwar auch der kinderlosen Ehe liegt, insbesondere wenn man sie getrennt vom Schutz der Familie betrachtet, in der auf Dauer übernommenen, auch rechtlich verbindlichen Verantwortung für den Partner. In diesem Punkt unterscheiden sich eingetragene Lebenspartnerschaften und Ehe aber nicht. Beide sind auf Dauer angelegt und begründen eine gegenseitige Einstandspflicht" [ ... ].
"Eine familienpolitische Intention des Satzungsgebers mit dem Ziel, dass Kinder möglichst mit verheirateten Eltern aufwachsen und daher Anreize zur Eheschließung gegeben werden sollten, ist nicht erkennbar und könnte zudem allenfalls eine Privilegierung gegenüber Paaren begründen, die eine Ehe eingehen könnten, also der heterosexuellen nicht ehelichen Lebensgemeinschaft, nicht aber gegenüber der gleichgeschlechtlichen eingetragenen Lebenspartnerschaft.Geht die Privilegierung der Ehe mit einer Benachteiligung anderer Lebensformen einher, obgleich diese nach dem geregelten Lebenssachverhalt und den mit der Normierung verfolgten Zielen der Ehe vergleichbar sind, rechtfertigt der bloße Verweis auf das Schutzgebot der Ehe eine solche Differenzierung nicht" (a.a. O., 1442). Weiter führt es aus: "Es ist verfassungsrechtlich nicht begründbar, aus dem besonderen Schutz der Ehe abzuleiten, dass andere Lebensgemeinschaften im Abstand zu Ehe auszugestalten und mit geringeren Rechten zu versehen sind [ ... ]. Hier bedarf es jenseits der bloßen Berufung auf Art. 6 Abs. 1 GG eines hinreichend gewichtigen Sachgrundes, der gemessen am jeweiligen Regelungsgegenstand und -ziel die Benachteiligung anderer Lebensformen rechtfertigt" (a.a. O., 1442).
Es gibt diesen gewichtigen Sachgrund gegen die gemeinsame Adoption eines Kindes durch Partner einer eingetragenen Lebenspartnerschaft nicht. Dass das Kindeswohl, welches Mittelpunkt der Prüfung jeder Adoptionsentscheidung ist, dem nicht entgegen steht, belegt auch die vom Gesetzgeber bereits eingeräumte Möglichkeit der Stiefkindadoption (in § 9 Abs. 7 Satz 2 LPartG), durch die das leibliche Kind eines Lebenspartners zum gemeinsamen Kind beider Lebenspartner werden kann. Das Bundesverfassungsgericht hat hierzu ausgeführt: "Nach einer Studie des Staatsinstituts für Familienforschung an der Universität Bamberg leben geschätzt etwa 2.200 Kinder in Deutschland, die in den derzeit rund 13.000 eingetragenen Lebenspartnerschaften aufwachsen (Rupp/Bergold, in: Rupp, Die Lebenssituation von Kindern in gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften, 2009, S. 282). Dieser tatsächliche Befund ist unabhängig von der bisher auf die Stiefkindadoption beschränkten Möglichkeit einer gemeinsamen rechtlichen Elternschaft. Damit liegt der Kinderanteil bei eingetragenen Lebenspartnerschaften zwar weit unter dem von Ehepaaren, ist jedoch keineswegs vernachlässigbar" (a.a. O., 1443). Die Praxis der Stiefkindadoptionen zeigt allerdings, dass es ohne die gesetzliche gemeinsame Elternschaft beider Lebenspartnerinnen analog § 1592 Nr. 1 BGB noch einer Klarstellung in § 1744 BGB für die Fälle einer Samenspende bedürfte.
Auch bei einer Schwangerschaft durch eine künstliche Insemination innerhalb einer bestehenden Lebenspartnerschaft sollte eine Rechtsangleichung an die Regelungen im Eherecht erfolgen, durch die die automatische Elternschaft der Lebenspartnerin der biologischen Mutter, die selbst nicht biologische Mutter des Kindes ist (Co-Mutter), die Ermöglichung der Mutterschaftsanerkennung entsprechend der Vaterschaftsanerkennung schon vor der Geburt geschaffen und die Gleichstellung von eingetragenen Lebenspartnerschaften in den Bestimmungen über die "assistierte Reproduktion" (Zugang zu reproduktionsmedizinischen Leistungen wie Samenbanken und heterologer Insemination) gesichert werden.
Zwar hat das Bundesverfassungsgericht in einer früheren Entscheidung eine Bevorzugung der Ehe bei der sozialrechtlichen Finanzierung (!) einer künstlichen Befruchtung insbesondere mit Rücksicht auf die rechtlich gesicherte Verantwortungsbeziehung und Stabilitätsgewähr der Ehe als gerechtfertigt angesehen (BVerfGE 117, 316 ff.). Von dieser Auffassung rückt das BVerfG aber in der Entscheidung vom 7.7.2009 erkennbar im Hinblick auf die gegenseitige Einstandspflicht auch von Lebenspartnern ab (a.a. O., 1442).
Auch steht Artikel 6 des Europäischen Adoptionsabkommens einer gemeinsamen Adoption nicht entgegen, obwohl dort von "two persons married to each other" gesprochen wird. Hierzu bedürfte es lediglich einer zügigen Ratifikation der bereits 2008 beschlossenen revidierten Fassung des Übereinkommens, das nun nicht mehr das Bestehen einer "Ehe" voraussetzt.