Der Bundesrat hat in seiner 967. Sitzung am 27. April 2018 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
Zum Verbraucherschutz
- 1. Der Bundesrat begrüßt den Verordnungsvorschlag der Kommission, mit dem Vorgaben des europäischen Gesetzgebers zur Regulierung von Crowdfunding-Dienstleistern erlassen werden sollen. Er begrüßt insbesondere das Bemühen, dass bei der weiteren Harmonisierung der europäischen Finanzmärkte auch alternative Investments, die über die klassischen Geldanlagen wie Aktien, verzinsliche Wertpapiere und Geldmarktpapiere hinausgehen, stärker reguliert werden sollen.
- 2. Angesichts der Tatsache, dass das Crowdfunding zunehmend von Kleinanlegerinnen und Kleinanlegern genutzt wird, müssen beim Erlass eines europäischen Rechtsrahmens auch deren Interessen angemessen berücksichtigt werden. Aus Sicht des Bundesrates kann eine langfristige und wirksame Freisetzung des Potenzials von Crowdfunding in der EU aber nur gelingen, wenn die Belange von Kleinanlegerinnen und Kleinanlegern europaweit angemessen und unter Berücksichtigung der hohen Verbraucherschutzstandards des geregelten Kapitalmarkts reguliert werden. Beispielsweise verfügen einzelne EU-Mitgliedstaaten über umfassendere Schutzvorschriften für Kleinanlegerinnen und Kleinanleger als der Verordnungsvorschlag.
- 3. Die Fragmentierung des Crowdfundings im Binnenmarkt durch unterschiedliche einzelstaatliche Regelungen des Kleinanlegerschutzes könnte im Rahmen des Verordnungsvorschlags beseitigt werden. Zur Wahrung der Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher sollten für Crowdfunding-Dienstleister auch auf europäischer Ebene Schwellenwerte für die von ihnen vermittelten Darlehen festgelegt werden, um die Einzelanlagen der Kleinanlegerinnen und Kleinanleger beim jeweiligen Crowdfunding-Projekt verbindlich zu deckeln. Ferner sollten die Anbieter bereits bei der Werbung für öffentlich angebotene Vermögensanlagen dazu verpflichtet werden, dort deutlich den hervorgehobenen Warnhinweis aufzunehmen, dass der Erwerb der Vermögensanlage mit erheblichen Risiken verbunden ist und zum vollständigen Verlust des eingesetzten Vermögens führen kann.
- 4. Aus Sicht des Bundesrates sollten die europäischen Regelungen den Vorschriften des Vermögensanlagengesetzes (VermAnlG) entsprechen. Die dortigen Schwellenwerte der Höchstanlagesummen für Schwarmfinanzierungen, die keiner Prospektpflicht unterliegen, von 1 000 Euro pro Projekt (§ 2a Absatz 3 Nummer 1 VermAnlG) bzw. unter bestimmten Voraussetzungen von 10 000 Euro pro Projekt (§ 2a Absatz 3 Nummer 2 und 3 VermAnlG) scheinen dafür eine geeignete Grundlage. Durch vergleichbare europäische Normen würde den Emittenten ermöglicht, erforderliches Kapital zu generieren und die Kleinanlegerinnen und Kleinanleger wären vor erheblichen Vermögensverlusten geschützt. Auch Regelungen zur Werbung - wie in § 12 Absatz 3 VermAnlG - sind ein wichtiger Bestandteil der Regulierung von Crowdfunding-Dienstleistern.
- 5. Der Bundesrat regt an zu prüfen, ob nicht auch Wertpapierfirmen in den Anwendungsbereich der Verordnung einbezogen und insbesondere den Vorschriften der Kapitel IV (Transparenz und Kenntnisprüfung) und V (Marketingmitteilungen) des Verordnungsvorschlags unterworfen werden könnten, wenn sie Crowdfunding-Dienstleistungen grenzüberschreitend im Binnenmarkt anbieten.
- 6. Der Bundesrat ist weiter der Auffassung, dass das nach Artikel 16 des Verordnungsvorschlags vorgesehene Basisinformationsblatt grundsätzlich auch in der Amtssprache des Staates, in dem Investoren geworben werden sollen, zur Verfügung gestellt werden sollte, wenn sich das Angebot zumindest auch an Kleinanlegerinnen und Kleinanleger richtet. Nur so kann eine effektive Information von Kleinanlegerinnen und Kleinanleger gewährleistet werden.
- 7. Er spricht sich außerdem dafür aus, dass die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) die Vollständigkeit, Verständlichkeit und Plausibilität der Basisinformationsblätter vor der Veröffentlichung des Angebots prüft.
- 8. Der Bundesrat macht deutlich, dass der Schutz von Kleinanlegerinnen und Kleinanlegern in Deutschland bei der Anlage in Crowdfunding-Projekte über von der ESMA zugelassene Crowdfunding-Dienstleister auch in Zukunft durch ein Widerrufsrecht und eine effektive Haftung wegen unrichtiger oder irreführender Basisinformationen, wie sie in § 2d und § 22 des Vermögensanlagengesetzes (VermAnlG) geregelt sind, gewährleistet sein muss.
- 9. Die Bundesregierung wird gebeten, zu prüfen, ob im EU-Recht im Interesse des Anlegerschutzes ein Haftungstatbestand für Crowdfunding-Plattformbetreiber bei Verstößen gegen die ihnen obliegenden Informationspflichten einzuführen ist oder ob dies den nationalen Rechtsordnungen überlassen werden sollte.
- 10. Durch die Aufnahme höherer Verbraucherschutzstandards in den Verordnungsvorschlag würde sichergestellt, dass Verbraucherinnen und Verbraucher vor leichtfertigen Investments und hohen Vermögensverlusten geschützt werden und ihr Vertrauen in den europäischen Kapitalmarkt gestärkt wird.
- 11. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, sich auf europäischer Ebene für die Aufnahme entsprechender Verbraucherschutzbestimmungen in den Verordnungsvorschlag einzusetzen.
Zu Crowdfunding-Dienstleistern
- 12. Der Bundesrat betont die Bedeutung von Crowdfunding-Dienstleistungen als Finanzierungsinstrument insbesondere für kleine und mittlere sowie für innovative Unternehmen in der Gründungsphase. Für diese Unternehmen stellt Crowdfunding eine wichtige Finanzierungsalternative dar. Hierdurch tragen Crowdfunding-Dienstleistungen zur Förderung privater Investitionen und damit letztlich zur Schaffung und Sicherung von Arbeitsplätzen sowie zur Förderung des Wirtschaftswachstums bei.
- 13. Daher begrüßt er den vorliegenden Verordnungsvorschlag als einen wichtigen Beitrag zur Errichtung eines einheitlichen europäischen Crowdfunding-Marktes. Die Schaffung eines einheitlichen Rechtsrahmens für bestimmte Arten von Crowdfunding-Dienstleistungen wird dazu beitragen, den Zugang zu Crowdfunding für Projektträger sowie Anlegerinnen und Anleger zu verbessern. Hierdurch leistet der vorliegende Vorschlag einen Beitrag zur Vollendung der Kapitalmarktunion.
- 14. Nach Auffassung des Bundesrates kann jedoch der von der Kommission gewählte Ansatz paralleler Regulierungs- und Aufsichtsregime den angestrebten einheitlichen Rechtsrahmen nicht schaffen. Er ist auch nicht mit der im Primärrecht vorgesehenen Kompetenzverteilung zwischen nationalem und EU-Recht vereinbar und daher abzulehnen. Vielmehr führt der Vorschlag zu einer Konkurrenz zwischen nationalem Rechtsrahmen und nationaler Aufsicht einerseits und dem entsprechenden EU-Regime andererseits. Es droht eine Situation, in der sich Crowdfunding-Dienstleister - zum Nachteil der Investoren - immer für die für sie günstigste Variante entscheiden werden und der Crowdfunding-Markt infolgedessen auch fragmentiert bleiben würde. Es sind auch ungerechtfertigte Diskriminierungen und Eingriffe in die europäischen Grundfreiheiten zwischen Gesellschaften mit Sitz in unterschiedlichen Mitgliedstaaten denkbar, soweit diese mit unterschiedlichen Regulierungen auf demselben Markt in einem Mitgliedstaat tätig werden. Vielmehr spricht sich der Bundesrat daher für einen alleingültigen EU-weit einheitlichen Rechtsrahmen zur Einführung von Mindeststandards aus, der den Prinzipien der Proportionalität und Verhältnismäßigkeit Rechnung trägt. Hierbei sollte auch noch einmal geprüft werden, ob nicht die Rechtsform einer Richtlinie ausreichend ist.
- 15. Er hält es für notwendig, dass von der ESMA zugelassene Crowdfunding-Dienstleister durch eine entsprechende Bezeichnung von sonstigen Crowdfunding-Dienstleistern und Emittenten unterschieden werden können, da für sie die nationalen Zulassungsvorschriften nicht gelten und, was vor allem im Beschwerdefall von Bedeutung sein kann, die Aufsichtszuständigkeit bei der ESMA liegt. Der Verordnungsvorschlag enthält hierzu keine Regelung.
- 16. Der Bundesrat begrüßt, dass der Vorschlag vorsieht, die Zulassung und Aufsicht über Crowdfunding-Dienstleistungen in einer Institution zu bündeln. Der Bundesrat weist jedoch auf die Gefahr des hierdurch möglichen Konkurrenzverhältnisses mit nationalen Regelungen sowie daraus resultierenden parallelen Zuständigkeiten von ESMA und nationalen Aufsichts- und Zulassungsbehörden hin. Daher bittet der Bundesrat die Bundesregierung darauf hinzuwirken, dass Parallelstrukturen bei der Zulassung und Aufsicht nach europäischem und nationalem Recht vermieden werden.