942. Sitzung des Bundesrates am 26. Februar 2016
A
Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union (EU) und der Ausschuss für Agrarpolitik und Verbraucherschutz (AV) empfehlen dem Bundesrat, zu der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG wie folgt Stellung zu nehmen:
Zum Verordnungsvorschlag insgesamt
- 1. Der Bundesrat begrüßt grundsätzlich den Vorschlag für die geplante Prospektverordnung, die es Unternehmen erleichtern soll, ihren administrativen Pflichten nachzukommen, wobei die Anleger jedoch weiterhin umfassend über die Wertpapiere informiert werden müssen, in die sie investieren. Er sieht jedoch die Gefahr, dass mit dem jetzigen Verordnungsvorschlag das bestehende Verbraucherschutzniveau der aktuellen nationalen und europäischen Regelungen abgesenkt bzw. kein ausreichend hohes Verbraucherschutzniveau geschaffen wird. Um eine solche Absenkung des bestehenden Verbraucherschutzniveaus zu verhindern, sollte in dem Verordnungsvorschlag die Möglichkeit für Mitgliedstaaten geschaffen werden, anderweitige nationale Regelungen zu treffen, sofern diese ausschließlich der weiteren Steigerung des in der Prospektverordnung als Mindeststandard verbindlich festgelegten Verbraucherschutzniveaus dienen.
Zu Artikel 3 Absatz 2
- 2. Besonders die Gestattung weitreichender Ausnahmemöglichkeiten von der Prospektpflicht durch einzelne Mitgliedstaaten, wie dies Artikel 3 Absatz 2 des Verordnungsvorschlags unter bestimmten Voraussetzungen vorsieht, erachtet der Bundesrat als nicht anleger- und verbraucherschützend. Der für den Gesamtgegenwert des Angebots über einen Zeitraum von zwölf Monaten vorgesehene Schwellenwert von bis zu 10 Millionen Euro erscheint als zu hoch. Die Möglichkeit der Mitgliedstaaten, eine Ausnahme bis zu dieser Größenordnung zu erlassen, kann faktisch eine teilweise Aushebelung der Prospektpflicht zulasten des Verbraucherschutzes bedeuten. Die Voraussetzung für diese Ausnahme, dass das Angebot nur im betreffenden Mitgliedstaat gelten darf, beschneidet den Anlegerschutz derjenigen Verbraucherinnen und Verbraucher, die sich in dem von der Ausnahme Gebrauch machenden Mitgliedstaat befinden. Für betroffene Verbraucherinnen und Verbraucher macht es keinen Unterschied, ob diese Ausnahme nur in ihrem Mitgliedstaat gilt oder europaweit. Um die Ausnahme nicht zu weitreichend zu gestalten und den Anlegerschutz nicht zu beeinträchtigen, wird es als notwendig erachtet, den Schwellenwert in Höhe von bis zu 10 Millionen Euro im Interesse des Anleger- und Verbraucherschutzes deutlich zu reduzieren.
Zu Artikel 6 und 7
- 3. Die Bundesregierung wird gebeten, sich dafür einzusetzen, dass die Anforderungen an die Verständlichkeit des Prospekts (Artikel 6) und der Prospektzusammenfassung (Artikel 7) in dem Verordnungsvorschlag weiter konkretisiert werden. Insbesondere sollte geregelt werden, dass als Maßstab der Verständnishorizont von in Finanzangelegenheiten durchschnittlich gebildeten und informierten Verbraucherinnen und Verbrauchern heranzuziehen ist, wenn sich das Angebot nicht ausschließlich an qualifizierte Anleger richtet.
- 4. Der Bundesrat hält es weiter für erforderlich, dass die zum Schutz von Kleinanlegern in die Prospektzusammenfassung aufzunehmenden Informationen nicht hinter denen zurückbleiben, die für Anlageprodukte nach der Verordnung (EU) Nr. 1286/2014 über Basisinformationsblätter für verpackte Anlageprodukte für Kleinanleger und Versicherungsanlageprodukte (PRIIP) verlangt werden, sofern die Wertpapiere nicht ausschließlich qualifizierten Anlegern angeboten werden. Dies gilt insbesondere für die Darstellung der mit dem Erwerb des Wertpapiers verbundenen Risiken.
- 5. Der Bundesrat spricht sich außerdem dafür aus, dass die Prospektzusammenfassung auch Angaben darüber enthält, für welche, gegebenenfalls zu typisierende Anlageziele das angebotene Wertpapier nicht geeignet ist. Insbesondere sollten Anleger einen deutlichen Hinweis erhalten, wenn das Wertpapier nicht zur Altersvorsorge geeignet ist. Die Bundesregierung wird gebeten, sich für eine entsprechende Regelung einzusetzen.
Zu Artikel 9 Absatz 2 bis 4 und Absatz 7 bis 9
- 6. Der Bundesrat sieht zwar den Vorteil des einheitlichen Registrierungsformulars für Daueremittenten, hat jedoch erhebliche Bedenken hinsichtlich des Anlegerschutzes. Die Regelung des Artikels 9 Absatz 2 und 3 des Verordnungsvorschlags hat zur Folge, dass nach drei jährlich aufeinanderfolgenden Billigungen des Formulars in den Folgejahren keine weitere Billigung mehr notwendig ist und das Formular nur noch hinterlegt werden muss. Dies birgt das Risiko, dass Angaben im einheitlichen Registrierungsformular über die Zeit hinweg unvollständig, unverständlich oder widersprüchlich werden und dies mangels Billigung nicht von der zuständigen Behörde entdeckt wird. Auf Grund der unverzüglichen Veröffentlichungspflicht gemäß Artikel 9 Absatz 4 des Verordnungsvorschlags könnte dies für Verbraucherinnen und Verbraucher fatal sein, da sie sich an den nicht mehr den Anforderungen entsprechenden Formularen möglicherweise orientieren könnten. Auch die in Artikel 9 Absatz 8 und 9 des Verordnungsvorschlags genannte Überprüfung durch die zuständige Behörde findet nicht regelmäßig und zwingend statt. Dies kann dazu führen, dass die Kohärenz, Verständlichkeit und Vollständigkeit nach dreimaliger Billigung nur unzulänglich überprüft wird und dies eventuell bewusst von einzelnen Emittenten ausgenutzt werden könnte, insbesondere da es sich bei der Regelung zur Aktualisierung des Formulars gemäß Artikel 9 Absatz 7 des Verordnungsvorschlags um eine "Kann"-Vorschrift handelt. Um den Interessen des Anlegerschutzes und der Daueremittenten gleichermaßen gerecht zu werden, wird es für notwendig gehalten, dass weitere Billigungen zumindest jedes zweite Jahr stattfinden müssen, sofern drei jährlich aufeinanderfolgende Billigungen bereits erfolgt sind.
Zu Artikel 11
- 7. Der Bundesrat hält es aus Gründen des Anlegerschutzes für wichtig, die die gesetzliche Prospekthaftung in Deutschland prägende Vermutung der Ursächlichkeit eines Prospektmangels für die Anlageentscheidung (vergleiche beispielsweise § 23 Absatz 2 Wertpapierprospektgesetz) zu erhalten. Die Bundesregierung wird daher gebeten, sich bei den Verhandlungen zum Verordnungsvorschlag für die notwendigen mitgliedstaatlichen Spielräume oder eine entsprechende Gestaltung der Haftungsregelung einzusetzen.
- 8. Der Bundesrat regt außerdem an, die Beschränkungen der Haftung für Mängel der Prospektzusammenfassung zu überprüfen. Die im Verordnungsvorschlag vorgesehene Regelung lässt wie auch die bestehende Regelung in Artikel 11 der Richtlinie 2003/71/EG die Haftung wegen Mängeln der Prospektzusammenfassung weitgehend leerlaufen, da sie nur dann eingreift, wenn sich die Prospektzusammenfassung bei gemeinsamer Lektüre mit dem vollständigen Prospekt als irreführend, unpräzise oder unvollständig erweist. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass dies der Bedeutung der Prospektzusammenfassung als wesentlicher Informations- und Entscheidungsgrundlage nicht gerecht wird. Zudem weicht die im Verordnungsvorschlag vorgesehene Haftungsbestimmung von der Haftung ab, die Artikel 11 der Verordnung (EU) Nr. 1286/2014 für Mängel des Basisinformationsblattes regelt.
B
- 9. Der Finanzausschuss, der Rechtsausschuss und der Wirtschaftsausschuss empfehlen dem Bundesrat, von der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG Kenntnis zu nehmen.