874. Sitzung des Bundesrates am 24. September 2010
Der Finanzausschuss empfiehlt dem Bundesrat, zu dem Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2011 gemäß Artikel 110 Absatz 3 des Grundgesetzes und zu dem Finanzplan des Bundes 2010 bis 2014 gemäß § 50 Absatz 3 Satz 1 des Haushaltsgrundsätzegesetzes und § 9 Absatz 2 Satz 2 des Gesetzes zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft wie folgt Stellung zu nehmen:
- a) Die Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise hinterlässt weiterhin deutliche Spuren in allen öffentlichen Haushalten. Zum Ausgleich der gravierenden Steuerausfälle und zur Finanzierung der konjunkturellen Stabilisierung mussten die öffentlichen Haushalte in außerordentlich hohem Umfang Kredite aufnehmen. Der Bundesrat stellt fest, dass die nach Eintritt der Krise getroffenen und teilweise noch fortwirkenden stabilisierenden Maßnahmen ihre Wirkung gezeigt haben und immer noch entfalten. Inzwischen sind deutliche konjunkturelle Erholungstendenzen zu erkennen. Seit Jahresbeginn hat sich die Wirtschaftstätigkeit in Deutschland spürbar belebt. Bei einer Festigung und Fortsetzung dieser Entwicklung wird die deutsche Wirtschaft im Laufe des aktuellen Finanzplanungszeitraums wieder eine normale Auslastung erreichen.
- b) Die strukturelle Konsolidierung aller öffentlichen Haushalte ist für eine solide Finanzpolitik, für die Handlungsfähigkeit des Staates und mit Blick auf die Generationengerechtigkeit unabdingbar. Sowohl der Europäische Stabilitäts- und Wachstumspakt als insbesondere auch die neue nationale Schuldenbremse verpflichten Bund und Länder zur deutlichen Reduzierung ihrer strukturellen Defizite. Der Bundesrat stellt fest, dass die Bundesregierung mit ihrem Haushaltsentwurf für 2011 und ihrer Finanzplanung bis 2014 den Weg der Konsolidierung beschreitet. Für die Erreichung des Konsolidierungsziels können Risiken nicht ausgeschlossen werden. Der Bundesrat weist aber ausdrücklich darauf hin, dass Entlastungsmaßnahmen für den Bund nicht zu negativen Rückwirkungen auf die Finanzen der Länder und Kommunen führen dürfen. Vielmehr dürfen die Länder nicht dabei behindert werden, den Weg zur Einhaltung des ihnen verfassungsrechtlich vorgegebenen Neuverschuldungsverbots zu beschreiten.
- c) Knappe Finanzmittel und die Notwendigkeit zur nachhaltigen Konsolidierung der Haushalte erfordern die Setzung von Prioritäten. Die eng begrenzten Spielräume für zusätzliche Ausgaben sollten vorrangig investiv, für zukunftsorientierte und auf Dauer wachstumsstärkende Maßnahmen genutzt werden. Auch die von der Bundesregierung bekräftigte Zielsetzung, die Ausgaben des Bundes für Bildung und Forschung in den Jahren 2010 bis 2013 um insgesamt 12 Mrd. Euro zu erhöhen, entspricht diesen Prämissen. Länder und Kommunen tragen in Deutschland den weitaus größten Anteil an den öffentlichen Bildungsausgaben und leisten trotz ihrer vielfach sehr knappen finanziellen Möglichkeiten einen maßgeblichen Beitrag in diesem Bereich. Die Finanzierung von auf Länderseite erforderlichen Mehrausgaben zur Erreichung des 10%-Zieles kann durch die Länder bei Beachtung der verfassungsrechtlichen Schuldenbremse mit den vorhandenen Ressourcen nicht sichergestellt werden. Der Bundesrat bekräftigt daher die Erwartung, dass der Bund die Länder neben den von ihm geplanten zusätzlichen Bildungsausgaben im Rahmen der verfassungsrechtlichen Kompetenzordnung mit zusätzlichen Umsatzsteuermitteln unterstützt.
- d) Der Bundesrat erwartet, dass nach den für den Bundeshaushalt vorgesehenen Konsolidierungsmaßnahmen nun auch zu Gunsten von Ländern und Kommunen geeignete Entlastungsmaßnahmen für ihre Haushalte in Gang gebracht werden. So sollten insbesondere bundesgesetzliche Regelungen auf Entlastungsmöglichkeiten hin untersucht werden. Diesbezüglich erwarten die Länder wesentliche Unterstützung seitens des Bundes. Einen ersten wichtigen Beitrag hierzu sollte die Gemeindefinanzkommission leisten.
- e) Auch künftig ist eine aufgabengerechte Dotierung weiterhin gemeinsam finanzierter Investitionen erforderlich. Dem widerspricht allerdings insbesondere die im Haushaltsentwurf für 2011 vorgesehene massive Kürzung der Zuweisungen des Bundes im Bereich des Städtebaus. Unbeschadet knapper Gestaltungsspielräume und des Erfordernisses zur Konsolidierung des Bundeshaushalts erwartet der Bundesrat eine der dringenden Bedarfslage entsprechende Rücknahme der Kürzung.
- f) Der Bund hat die Höhe der Beschaffung von Impfstoff gegen das Influenzavirus A/H1N1 in hohem Maße beeinflusst, die entsprechenden Diskussionen im internationalen Kontext allein geführt, sich maßgeblich an den Verhandlungen mit den Herstellern beteiligt und die Länder zum Erwerb größerer Kontingente Impfstoff veranlasst. Aus dem Gesamtprozess ist den Ländern eine hohe finanzielle Belastung entstanden. Der Bundesrat fordert, die Kosten für nicht an Drittstaaten veräußerte und nicht verimpfte Impfstoffe, die im Zuge der Pandemievorsorge und -bekämpfung erworben wurden, aus dem Bundeshaushalt zu tragen und im Bundeshaushaltsplan 2011 entsprechende Haushaltsvorsorge zu treffen.
- g) Der Bundesrat erinnert daran, dass zur Fortführung der Kompensationsleistungen des Bundes als Ausgleich für die im Rahmen der Föderalismusreform entfallenen Gemeinschaftsaufgaben und Finanzhilfen nach dem Jahr 2013 im Interesse der Planungssicherheit rechtzeitig Gespräche geführt und die notwendigen Regelungen getroffen werden. Er weist darauf hin, dass in den jeweiligen Aufgabenbereichen nach wie vor erheblicher Finanzierungsbedarf besteht und daher zumindest eine Beibehaltung des bisherigen Ausgleichsvolumens erforderlich ist.