Der Bundesrat hat in seiner 788. Sitzung am 23. Mai 2003 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
- 1. Die Verwirklichung eines gemeinsamen europäischen Ermittlungs- und Strafverfolgungsraums setzt gegenseitiges Vertrauen der Mitgliedstaaten in die Rechtssysteme der anderen voraus. Vor diesem Hintergrund unterstützt der Bundesrat das mit dem Grünbuch verfolgte Anliegen, die Frage eines Bedarfs für die gemeinschaftsweite Einführung von Mindeststandards für Personen, die einer Straftat verdächtig oder beschuldigt oder die wegen einer Straftat angeklagt oder verurteilt sind, einer Prüfung zu unterziehen.
- 2. Als Rechtsgrundlage für die ins Auge gefassten Rechtsakte kommt allein Artikel 31 Buchstabe c des Vertrags über die Europäische Union (EUV) in Betracht, der eine Annäherung der "jeweils geltenden Vorschriften" bezweckt, "soweit dies zur Verbesserung der Zusammenarbeit erforderlich ist".
- 3. In diesem Sinne ist eine Regelung erforderlich, wenn die Festlegung gemeinsamer Mindeststandards unverzichtbar ist, um das gegenseitige Vertrauen in die Rechtsordnung des anderen zu gewährleisten. Hierbei ist zu unterscheiden zwischen der Bekräftigung der von der Europäischen Menschenrechtskommission (EMRK) vorgegebenen Standards in einem besonderen Rechtsinstrument der EU und der Schaffung erhöhter Standards. Im ersten Fall muss belegt sein dass die EMRK und die dazugehörige Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) nicht ausreichen, um in den Konventionsstaaten für vergleichbare Schutzstandards zu sorgen, und damit weitere Durchsetzungshilfen benötigen. Besonders sorgfältig begründet werden müsste im zweiten Fall die Schaffung eines gehobenen Standards.
Mit dem Grünbuch hat die Kommission bestehende Defizite in dem erforderlichen Ausmaß nicht aufgezeigt.
Dies wäre aber erforderlich, um
- - die Notwendigkeit und gegebenenfalls den Umfang einer Harmonisierung angemessen beurteilen zu können,
- - den Beleg dafür zu erbringen, dass die Verbesserung der justiziellen Zusammenarbeit eine Angleichung der Standards auf dem beschriebenen Niveau erfordert,
- - ermessen zu können, welche Maßnahmen getroffen werden müssen, um dem von der Kommission vorgeschlagenen (erhöhten) Schutzniveau zu entsprechen,
- - ermessen zu können, welcher Mehraufwand entsteht und welche Kosten auf die Länderhaushalte zukommen.
Da die Umsetzung der Maßnahmen in erster Linie Aufgabe der Ermittlungsbehörden, der Gerichte, des Justizvollzugs und weiterer Einrichtungen der Länder sein wird, ist zu erwarten, dass finanzielle Mehrbelastungen zunächst die Länder treffen werden. Eine spürbare Mehrbelastung der Länderhaushalte kann angesichts der äußerst angespannten Haushaltslage und angesichts der knappen personellen und sachlichen Ressourcen bei Polizei und Justiz nicht hingenommen werden.
4. Zu den in dem Grünbuch angesprochenen Themen nimmt der Bundesrat wie folgt Stellung:
5. Erster Bereich - Vertretung durch einen Rechtsbeistand
- - Eine grundsätzliche Verpflichtung, generell dem Festgenommenen einen Rechtsbeistand beizuordnen, lässt sich aus Artikel 6 EMRK nicht herleiten.
Während Artikel 6 Abs. 1 EMRK, der den Grundsatz des fair trial enthält, für "jede Person" gilt, werden die Mindestrechte nach Artikel 6 Abs. 3 nur den "angeklagten Personen" garantiert. Der Bundesrat sieht für zusätzliche Regelungen auf EU-Ebene, die über diese abgestuften Regelungen hinaus gehen, keinen nachgewiesenen Bedarf.
- - Die Frage, ob ein Pflichtverteidiger "im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist", sollte grundsätzlich nicht davon abhängig sein, ob der einschlägige Straftatbestand - auch - Freiheitsstrafe androht. Dies würde dazu führen, dass in der Bundesrepublik Deutschland nahezu in jedem Verfahren ein Pflichtverteidiger zu bestellen wäre. Eine uferlose Ausdehnung des Begriffs "im Interesse der Rechtspflege" wäre somit zu besorgen. Auch die Umstände, dass die Aburteilung der Tat den Verlust des Arbeitsplatzes oder des Ansehens des Beschuldigten nach sich ziehen kann, sind für sich allein keine geeigneten Anhaltspunkte für eine Pflichtverteidigung. Die genannten Folgen können im Zuge eines jeden Strafverfahrens eintreten. Vielmehr sollten im Einzelfall konkrete Gesichtspunkte wie die Schwere der Tat, die Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage oder die Tatsache, dass sich der Beschuldigte nicht selbst verteidigen kann, Grundlage der Beurteilung sein.
- - Im Übrigen hätten entsprechende Regelungen hohe Kosten zu Lasten der Staatskasse zur Folge, die von den Länderhaushalten zu tragen wären. Eine Erstattung dieser Kosten durch die Europäische Union ist - soweit ersichtlich
- - nicht vorgesehen. Schon aus diesem Grund sollte davon abgesehen werden den Mitgliedstaaten detailliertere Vorgaben zu machen, als sie in der EMRK bereits geregelt sind.
- - Europarechtliche Vorgaben zur Vergütung gerichtlich bestellter Vertretungen, die einseitig auf den Aspekt der Attraktivität der Gebühren für den Rechtsanwalt abstellen, begegnen Bedenken. Die Höhe der Vergütung der Rechtsanwälte einschließlich gerichtlich bestellter Verteidiger, die durch Gesetz geregelt wird, orientiert sich nicht allein an der Attraktivität der Gebühren. Auch die Frage der Finanzierbarkeit stellt ein wesentliches Kriterium für die durch das nationale Parlament zu treffende Abwägung dar.
- - Der Bundesrat sieht keine Notwendigkeit für eine europarechtliche Vereinheitlichung der Regelungen zur Feststellung, ob der Angeklagte über Mittel zur Bezahlung eines Verteidigers verfügt. Sollten allerdings europarechtliche Regelungen zu dieser Frage getroffen werden, sollten diese so gestaltet sein, dass sie die in Deutschland bewährte Methode der Prüfung der Bedürftigkeit erst im Verfahren der Vollstreckung der Kosten nicht ausschließen.
6. Zweiter Bereich - Beiziehung von Gerichtsübersetzern und -dolmetschern
- - Der Bundesrat sieht keinen Bedarf für ein förmliches Verfahren zur Feststellung der sprachlichen Kompetenz eines Beschuldigten oder sonstigen Verfahrensbeteiligten. Maßgeblich dürfte allein sein, ob der Betroffene sich darauf beruft, einen Dolmetscher/Übersetzer zu benötigen. Selbst wenn der Betroffene in einem vorangegangenen förmlichen Verfahren seine Sprachkenntnisse bewiesen hätte, dürfte es schwer sein, ihm in einer späteren Prozesssituation einen Dolmetscher zu verwehren, wenn er sich darauf beruft, dem Verfahren nicht mehr folgen zu können.
- - Es wird keine Notwendigkeit gesehen, über die vom EGMR aufgestellten Grundsätze hinaus auf EU-Ebene Kriterien festzulegen, welche Verfahrensteile einschließlich des Vorverfahrens für den Betroffenen zu dolmetschen sind. Der Bedarf für eine europaweite Regelung wäre nur dann gegeben wenn die gegenwärtige Situation Defizite aufweisen würde.
Solche sind indes nicht erkennbar. Die bereits erfolgte Konkretisierung durch die Rechtsprechung verschafft dem Betroffenen einen hinreichend gesicherten Anspruch auf einen Dolmetscher, soweit dies zur Wahrung eines fairen Verfahrens erforderlich ist.
Die Mitgliedstaaten sollten über die vom EGMR aufgestellten allgemeinen Grundsätze hinaus nicht verpflichtet werden, Übersetzungen bestimmter Verfahrensdokumente bereitzustellen. Eine solche Verpflichtung müsste entweder einzelne Dokumente auflisten, die in jedem Fall übersetzt werden müssten oder eine Ausnahmeklausel enthalten, auf Grund derer das Recht auf Übersetzung mit den übrigen Rechten aus der EMRK abzuwägen wäre.
Mit einer entsprechenden europaweiten Regelung wäre kein wesentlicher Fortschritt im Hinblick auf Rechtsklarheit und Rechtssicherheit erreicht.
- - Ein Bedarf für die Schaffung eines nationalen oder gar europäischen Verzeichnisses von Gerichtsdolmetschern und -übersetzern wird nicht gesehen.
Dabei ist darauf hinzuweisen, dass die Auswahl der im Einzelfall hinzuzuziehenden Dolmetscher oder Übersetzer dem jeweils mit der Sache befassten Gericht obliegt. Den Gerichten stehen in Deutschland in ausreichendem
Maße Listen zur Verfügung, in denen Dolmetscher und Übersetzer verzeichnet sind. Die Errichtung und fortwährende Aktualisierung entsprechender nationaler und europäischer Verzeichnisse erfordert einen erheblichen Aufwand, dem kein adäquater Nutzen gegenüberstehen dürfte.
Im Übrigen werden aus Zeit- und Kostengründen im Regelfall Dolmetscher oder Übersetzer aus dem örtlichen Umfeld des Gerichts hinzugezogen.
- - Das nationale Gerichtsverfassungs- und Verfahrensrecht macht die Hinzuziehung bestimmter Personen als Dolmetscher und Übersetzer nicht vom formalen Nachweis einer bestimmten Qualifikation abhängig. Ob ein Dolmetscher seiner Aufgabe gerecht wird, hat das Gericht in jeder Lage des Verfahrens zu prüfen. Wegen seiner Bedeutung für die einwandfreie Verständigung zwischen den Verfahrensbeteiligten und insbesondere für die Gewährung des rechtlichen Gehörs hat der Dolmetscher in gerichtlichen Verfahren einen Eid zu leisten, dass er treu und gewissenhaft übertragen werde. Ein Bedarf für weitere Regelungen auf EU-Ebene ist nicht erkennbar.
- - Dasselbe gilt für die Frage der Festsetzung der Höhe der Dolmetscher- und Übersetzervergütung. Sie ist das Ergebnis einer von nationalen Parlamenten zu treffenden Abwägung, in die nicht nur die Attraktivität der Gebühren für die Dolmetscher und Übersetzer, sondern auch deren Finanzierbarkeit einfließen. In diese von den nationalen Parlamenten zu treffende Abwägung sollte durch europarechtliche Vorgaben, die einseitig nur einen Gesichtspunkt betonen nicht eingegriffen werden.
- - Ein Bedarf für eine europaweite Festlegung eines Verhaltenskodexes für Gerichtsübersetzer und -dolmetscher ist nicht erkennbar. Die Pflichten, die den von Gerichten herangezogenen Dolmetschern und Übersetzern obliegen, ergeben sich in erster Linie aus dem jeweiligen Gerichtsverfassungs- und Verfahrensrecht.
7. Dritter Bereich - Angemessener Schutz für besonders schutzbedürftige Personen
- - Der Bundesrat hat keine Bedenken, den Mitgliedstaaten die allgemeine Verpflichtung aufzuerlegen, nach näherer Maßgabe ihrer nationalen Rechtsordnung dafür Sorge zu tragen, dass besonders schutzbedürftigen Verdächtigen/Beschuldigten angemessene Hilfen zuteil werden. Die Anknüpfungspunkte für die Bestimmung der besonderen Schutzbedürftigkeit sind im Prinzip unbegrenzt. Neben objektiven Merkmalen ist auch die konkrete Schutzbedürftigkeit der Person zu beachten.
Dabei ist darauf hinzuweisen, dass die einzelnen Kriterien/Kategorien schutzbedürftiger Personen nicht hinreichend klar abgrenzbar sind. Dies wirft insgesamt die Frage auf, wie sich dies auf die zum Schutz verpflichteten Organe auswirkt, die nach Auffassung der Kommission rechtsmittelbewehrte Pflichten treffen sollen und denen im Unterlassungsfall Sanktionen drohen.
Die von der Kommission gewählte Aufzählung greift relativ weit; ihr kann mit gewissen Einschränkungen gleichwohl zugestimmt werden.
Soweit die Kommission eine besondere Schutzbedürftigkeit Kindern, ausländischen Personen, Flüchtlingen und Asylbewerbern zuerkennt, bestehen keine Bedenken. Besonders schutzbedürftige Verdächtige/Beschuldigte sind sicher auch Personen mit Behinderungen sowie Kranke. Nationale Regelungen im materiellen Strafrecht und im Strafverfahrensrecht tragen ihrer Schutzbedürftigkeit Rechnung. Weniger ausgeprägt oder nur partiell zu bejahen sein dürfte das besondere Schutzbedürfnis bei den weiteren im Grünbuch beschriebenen Personengruppen.
- - Es bestehen keine Bedenken, die am Ermittlungs-/Strafverfahren beteiligten Organe wie Richter, Staatsanwälte, Polizeibeamte, Rechtsanwälte und Gefängnisbedienstete durch eine europaweite Regelung in allgemeiner Form zu verpflichten, die besondere Schutzbedürftigkeit frühestmöglich zu überprüfen und das Ergebnis der Prüfung grundsätzlich zu dokumentieren. Für weitergehende Maßnahmen und Verpflichtungen wird kein Bedarf gesehen.
Defizite im Umgang mit besonders schutzbedürftigen Personengruppen im Strafverfahren sind weder bekannt geworden, noch werden sie von der Kommission aufgezeigt. Die handelnden Organe sind dem Beschuldigten nach deutschem Prozessrecht zu Schutz und Fürsorge verpflichtet. Wird eine besondere Schutzbedürftigkeit festgestellt, so sind entsprechende
Schutzmaßnahmen in die Wege zu leiten. Dies sollte auch schriftlich dokumentiert werden.
Eine Regelung, die Schutzbedürftigkeit in den verschiedenen Verfahrensabschnitten jeweils neu zu prüfen und zu bewerten, wäre hingegen eher kontraproduktiv.
Ein besonderer Aufsichtsweg zur Prüfung und Einhaltung der vorgeschriebenen Schutzpflichten durch die Verfahrensbeteiligten sollte nicht europaweit geregelt werden. Hier stehen bereits die jeweils spezifischen fach- und dienstaufsichtlichen Behelfe zur Verfügung.
- - Die Einführung spezifischer Sanktionen für die Nichtbewertung und Nichtprotokollierung der besonderen Schutzbedürftigkeit eines Verdächtigen oder Beschuldigten wird nicht als notwendig erachtet. Insbesondere sollten auf EU-Ebene keine Beweisverwertungsverbote vorgeschrieben werden.
Entscheidend ist nicht die Beachtung der Dokumentationspflicht, sondern die Einleitung der in der Sache gebotenen Hilfsmaßnahme. Im Fall einer unterbliebenen Hilfsmaßnahme für besonders schutzbedürftige Beschuldigte/Angeklagte besteht nach deutschem Recht die Möglichkeit, diese noch im Verfahren auszugleichen. Verstöße gegen diese Rechtspflicht können mit der Revision geltend gemacht werden. Daneben stehen den Beschuldigten die Verfassungsbeschwerde und die Menschenrechtsbeschwerde zur Verfügung. Insbesondere bieten die Abhilfemechanismen nach der EMRK ein gut organisiertes internationales Schutzsystem. Weiter ist auf das Sanktionsinstrumentarium nach Artikel 7 EUV, Entschädigungsmöglichkeiten nach dem Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen sowie nach Artikel 41 EMRK hinzuweisen. Zusätzliche Sanktionen erscheinen nicht erforderlich.
8. Fünfter Bereich - Kenntnis bestehender Rechte/"Letter of Rights"
Die Erstellung eines EU-"Letter of Rights" im Sinne einer vereinheitlichten Belehrung über die Rechte des Beschuldigten ist zu begrüßen. Hierdurch könnte ein EU-weiter Mindeststandard gewährleistet sein. Die Erstellung eines EU weiten "Letter of Rights" sollte sich einheitlich nur auf gemeinsame Standards erstrecken wobei sich gegebenenfalls eine Unterteilung in einen EU-weiten einheitlichen und einen zusätzlichen nationalen Teil anböte. Der "Letter of Rights" sollte sich auf folgende Inhalte erstrecken:
- - der Beschuldigte hat spätestens zu Beginn seiner ersten Vernehmung ein Recht auf Eröffnung des Gegenstands der gegen ihn geführten Ermittlungen,
- - der Beschuldigte hat das Recht, Erklärungen zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen abzugeben und zu seiner Entlastung einzelne Beweiserhebungen zu beantragen,
- - der Beschuldigte hat das Recht, keine Angaben zur Sache zu machen,
- - der Beschuldigte hat das Recht, jederzeit einen von ihm zu wählenden Verteidiger zu befragen,
- - in bestimmten Fällen hat er Anspruch auf Beiordnung eines Verteidigers, wenn er noch keinen Verteidiger hat,
- - der der Gerichtssprache nicht kundige Beschuldigte hat bei Verhandlungen im gesamten Strafverfahren einen Anspruch auf unentgeltliche Zuziehung eines Dolmetschers,
- - der Beschuldigte hat das Recht, mit den Konsularbeamten seines Heimatstaats zu verkehren; im Falle der Freiheitsentziehung steht ihm das Recht zu Mitteilungen an die konsularische Vertretung seines Heimatlandes zu richten
- - im Falle einer Festnahme ist der Beschuldigte unverzüglich, spätestens am Tag nach der Festnahme dem Richter vorzuführen,
- - im Falle der Verhaftung durch den Richter ist hiervon ein Angehöriger des Verhafteten oder eine Person seines Vertrauens unverzüglich zu benachrichtigen.
Es könnte sich empfehlen, dem Beschuldigten vor seiner ersten Vernehmung im Strafverfahren - im Falle seiner Festnahme unverzüglich - spätestens mit Eintreffen auf der Polizeidienststelle den "Letter of Rights" zu übergeben.
Es erscheint aus Sicht des deutschen Strafverfahrens nicht sinnvoll, eine für den Beschuldigten nicht obligatorische und daher folgenlose Unterschriftsleistung normativ vorzugeben. An eine Verweigerung der Unterschrift dürften keine Konsequenzen geknüpft werden.
Ein Bedürfnis, die (Nicht-)aushändigung des "Letter of Rights" zusätzlich verfahrensrechtlich zu bewehren, besteht nicht. Insbesondere sollte keine Unverwertbarkeit der Beweise allein auf Grund fehlender Aushändigung des "Letter of Rights" vorgesehen werden.
9. Sechster Bereich - Konsularischer Beistand
Es wird kein Bedürfnis gesehen, einer zeitnahen Erfüllung der Pflichten aus dem Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen (WÜK) durch eine Zuständigkeitsregelung auf EU-Ebene Rechnung zu tragen. Nach dem WÜK ist es den Mitgliedstaaten überlassen, die zuständigen Behörden für die Einhaltung der Regelungen des WÜK und dabei insbesondere die Belehrungspflicht zu bestimmen. Wer und in welcher Form in Deutschland die Belehrung nach dem WÜK und die Mitteilungen an die konsularischen Vertretungen vorzunehmen hat ist in Ausführungsbestimmungen der Landesjustizverwaltungen zum WÜK festgelegt. Daneben gibt es ein in die häufigsten Sprachen übersetztes bundeseinheitliches Merkblatt, welches den Betroffenen im Rahmen der Belehrung zu übergeben ist und über die wesentlichen Rechte nach dem WÜK informiert.
Eine zwingende Verpflichtung der Mitgliedstaaten der WÜK, auf Verstöße gegen das WÜK durch eine bestimmte Überprüfungsmaßnahme zu reagieren, ist weder ersichtlich noch geboten.
10. Abschließend weist der Bundesrat zu den Fragen der Bewertung und Kontrolle der Einhaltung gemeinsamer Mindeststandards auf Folgendes hin:- - Die Bewertung der Einhaltung der gemeinsamen Mindeststandards erscheint als sinnvoll, weil die gegenseitige Anerkennung das Vertrauen der anderen Mitgliedstaaten voraussetzt. Das Vertrauen in die Einhaltung dieser Standards könnte allerdings dann gefährdet sein, wenn die Standards nicht in das nationale Recht umgesetzt worden sind. Aufgabe der Kommission kann es daher sein, die nationalen Rechtsnormen dahin gehend zu evaluieren, ob diese der EMRK und entsprechenden Garantien genügen. Es besteht kein Anlass, dass die Kommission auch Einzelfälle überprüft.
Wenn überhaupt, wäre daran zu denken, dass die Mitgliedstaaten entsprechende Statistiken übermitteln. Dabei muss man aber sehen, dass die Erhebung von statistischen Daten mit erheblichem Aufwand verbunden ist und kein Selbstzweck sein kann.
- - Auf Grund der gegenwärtigen Rechtslage erscheinen Sanktionen bei einer Unterschreitung gemeinsam vereinbarter Mindeststandards weder zulässig noch geeignet, die praktische Durchsetzbarkeit des Rahmenbeschlusses zu gewährleisten. Dies liegt vor allem an der Natur eines Rahmenbeschlusses, der hier als Rechtsetzungsakt in Betracht kommt.