984. Sitzung des Bundesrates am 20. Dezember 2019
A
1. Der Gesundheitsausschuss empfiehlt dem Bundesrat, zu dem vom Deutschen Bundestag am 12. Dezember 2019 verabschiedeten Gesetz die Einberufung des Vermittlungsausschusses gemäß Artikel 77 Absatz 2 des Grundgesetzes nicht zu verlangen.
B
Der Gesundheitsausschuss empfiehlt dem Bundesrat ferner, die folgende Entschließung zu fassen:
2. Zu Artikel 1 Nummer 3 Buchstabe a (§ 271 Absatz 2 Satz 3 SGB V)
Der Bundesrat sieht die im Rahmen der Finanzierung der Entlastung der Betriebsrentnerinnen und Betriebsrentner in § 271 Absatz 2 Satz 3 SGB V vorgesehene Absenkung der Mindestreserve des Gesundheitsfonds von 25 auf 20 Prozent als nicht zielführend an und bittet die Bundesregierung, diese Maßnahme zu prüfen und gegebenenfalls in einem zukünftigen Gesetzgebungsverfahren zu ändern.
Begründung:
Der Bundesrat begrüßt den vereinbarten Kompromiss auf Bundesebene, der weitgehend auch Forderungen der Bunderatsinitiative (vgl. BR-Drucksache 645/18(B) ) aufgreift, die Verbeitragung bei Betriebsrenten durch Einführung eines Freibetrags für Betriebsrenten deutlich zu reduzieren.
Durch die geplante Einführung eines Freibetrags entstehen der GKV ab dem Jahr 2020 Mindereinnahmen in Höhe von 1,2 Milliarden Euro jährlich. Im Jahr 2020 werden die Beträge voll und in den Jahren 2021 bis 2023 abnehmend aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds entnommen.
Nicht nachvollziehbar ist aber die Begründung der Bundesregierung, durch die neue sowie die bereits anderweitig beschlossenen Entnahmen aus dem Gesundheitsfonds könne die bisher vorgeschriebene Mindestreserve einer durchschnittlichen Monatsausgabe von 25 Prozent (2020 bei rund 5,4 Milliarden Euro) nicht mehr eingehalten werden, so dass diese auf 20 Prozent (4,07 Milliarden Euro) gesenkt werden müsse. In diesem Fall wäre zu befürchten, dass unterjährige Einnahmeschwankungen des Gesundheitsfonds zukünftig nicht mehr vollständig ausgeglichen werden könnten.
Sowohl die aktuelle Finanzentwicklung der GKV in 2019 als auch die Erhöhung des Zusatzbeitragssatzes für das Jahr 2020 von 0,9 Prozent auf 1,1 Prozent zeigen bereits eine Trendumkehr der Finanzlage der GKV.
Die vorgesehene Absenkung der Mindestreserve unter 25 Prozent wird deshalb als nicht zielführend angesehen. Es muss auch künftig gewährleistet bleiben, dass der GKV unterjährig ausreichend liquide Mittel zur Verfügung stehen. Statt einer Senkung der Mindestliquidität des Gesundheitsfonds, ist eher eine Erhöhung des Bundeszuschusses zur besseren Deckung der Ausgaben für versicherungspflichtige Leistungen zu prüfen.
Zudem weist der Bundesrat auf die bisher fehlende kostendeckende Beitragsleistung des Bundes für Bezieher von ALG II hin und verweist dabei auf seinen dahingehenden, bisher nicht aufgegriffenen Beschluss vom 21. September 2018 (vgl. BR-Drucksache 375/18(B) ).
3. Zu Artikel 1 Nummer 2 (§ 226 Absatz 2 Satz 2 SGB V) und Nummer 3 Buchstabe b (§ 271 Absatz 2 Satz 6 SGB V) und Artikel 3 Nummer 1 (§ 39 Absatz 2 KVLG 1989) und Nummer 2 (§ 45 Absatz 2 KVLG 1989)
- a) Der Bundesrat sieht die mit dem Betriebsrentenfreibetragsgesetz (GKV-BRG) verbundene Ungleichbehandlung von pflichtversicherten und freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherten Personen kritisch und bittet die Bundesregierung, eine Einbeziehung auch der freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherten Personen in das GKV-BRG zu prüfen und das Gesetz entsprechend anzupassen.
- b) Der Bundesrat lehnt eine Kompensation der Mindereinnahmen aufgrund der Einführung des Freibetrages auf Betriebsrenten aus Mitteln der gesetzlichen Krankenversicherung ab und bittet die Bundesregierung um Einführung einer Regelung, die die Gegenfinanzierung aus Steuermitteln sicherstellt.
Begründung:
Zu Buchstabe a:
Der Bundesrat begrüßt die Reduzierung der Beitragsbelastungen für Betriebsrentnerinnen und Betriebsrentner durch die Einführung eines Freibetrages für Betriebsrenten.
Diese Entlastung gilt jedoch nur für versicherungspflichtige Mitglieder in der gesetzlichen Krankenversicherung. Freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung Versicherte werden dagegen nicht in entsprechendem Maße entlastet. In der Anhörung im Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages am 9. Dezember 2019 wurde das besonders deutlich, wobei man von drei bis fünf Prozent der Versicherten ausgeht, das wäre ein mittlerer zweistelliger Millionenbetrag, der zusätzlich als Mindereinnahmen der gesetzlichen Krankenversicherung resultieren würde. Dies betrifft im Besonderen freiwillig gesetzlich versicherte Rentnerinnen und Rentner, die die Voraussetzungen der Krankenversicherung der Rentner nicht erfüllen sowie Beamtinnen und Beamte, die oftmals aus der Überzeugung heraus, sich einer solidarischen gesetzlichen Krankenversicherung anzuschließen, diesen Weg wählten.
Aus Sicht des Bundesrates stellt die fehlende Berücksichtigung der freiwillig gesetzlich krankenversicherten Personen eine verfassungsrechtlich beachtliche Ungleichbehandlung dar, für die aus Sicht des Bundesrates keine Rechtfertigung ersichtlich ist. Das Land Brandenburg ist deshalb eines der bisher wenigen Länder, die eine pauschale Beihilfe auch für freiwillig gesetzlich versicherte Beamtinnen und Beamte zum 1. Januar 2020 eingeführt haben. Insoweit ist eine Unterstützung der Beamtinnen und Beamten durch das Land bereits vorgesehen und soll mit dieser Entschließung um einen weiteren wichtigen Baustein erweitert werden.
Aus Sicht des Bundesrates trifft die fehlende Entlastung freiwillig versicherte Personen in besonderem Maße, da bei ihnen - im Gegensatz zu den pflichtversicherten Personen - die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit bei der Beitragsbemessung berücksichtigt werden muss. Eine fehlende Entlastung durch einen Freibetrag auf Betriebsrenten schlägt bei ihnen in besonderem Maße zu Buche.
Um insbesondere die auch vom Bundesverfassungsgericht seinerzeit beanstandete Ungleichbehandlung freiwillig versicherter und pflichtversicherter Rentnerinnen und Rentner nicht zu wiederholen und das Erreichen des Gesetzesziels der Steigerung der Attraktivität der betrieblichen Altersvorsorge zu befördern, ist die Einbeziehung freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherter Personen aus Sicht des Bundesrates unumgänglich.
Zu Buchstabe b:
Ausweislich der Begründung des Gesetzes entstehen der gesetzlichen Krankenversicherung durch die Einführung des Freibetrags Mindereinnahmen in Höhe von 1,2 Milliarden Euro jährlich.
Dies führt zu einer entsprechenden Belastung der Beitragszahlerinnen und Beitragszahler der gesetzlichen Krankenversicherung, da die Finanzierung über Entnahmen aus der Liquiditätsreserve der gesetzlichen Krankenversicherung erfolgen soll. Das sieht der Bundesrat kritisch. Denn bei der Einführung des Freibetrages mit dem Ziel der Steigerung der Attraktivität der betrieblichen Altersvorsorge handelt es sich um ein gesamtgesellschaftliches Anliegen, das nicht unmittelbar in der gesetzlichen Krankenversicherung zu verorten und aus dieser erwachsen ist.
Die Gegenfinanzierung über die Beitragszahlerinnen und Beitragszahler der gesetzlichen Krankenversicherung erscheint vor diesem Hintergrund daher sachfremd. Vielmehr ist aus Sicht des Bundesrates die Kompensation der Mindereinnahmen aus Steuermitteln, beispielsweise über eine Erhöhung des Bundeszuschusses an den Gesundheitsfonds, sachgerecht und angezeigt.