959. Sitzung des Bundesrates am 7. Juli 2017
A
- 1. Der Ausschuss für Arbeit, Integration und Sozialpolitik empfiehlt dem Bundesrat, zu dem vom Deutschen Bundestag am 1. Juni 2017 verabschiedeten Gesetz einen Antrag gemäß Artikel 77 Absatz 2 des Grundgesetzes nicht zu stellen.
B
Der Ausschuss für Arbeit, Integration und Sozialpolitik empfiehlt dem Bundesrat ferner, die nachstehenden Entschließungen zu fassen:
- 2.
- a) Der Bundesrat begrüßt, dass mit dem vorliegenden Gesetz die Rentenüberleitung zu einem Abschluss gebracht wird. Ein einheitlicher Rentenwert ist nur durch das Eingreifen der Politik erreichbar. Der Bundesrat fordert seit Längerem, dass spätestens 30 Jahre nach der Deutschen Einheit ein einheitliches Rentenrecht verwirklicht sein sollte (BR-Drucksache 563/14(B) , 206/15(B) , 585/15(B) ).
- b) Der Bundesrat erkennt an, dass durch das Gesetz nun sichergestellt wird, dass die Rentnerinnen und Rentner in den neuen Ländern auch bei künftigen Rentenanpassungen nicht hinter der realen Lohn- und Gehaltsentwicklung in Ostdeutschland zurückbleiben. Auf diese Weise ist es möglich, dass die Angleichung der Rentenwerte gegebenenfalls auch schneller vorankommt als im Gesetz vorgesehen.
- c) Der Bundesrat geht davon aus, dass die sukzessiven Wirkungen des Wegfalls der Hochwertung der Entgelte ab dem 1. Januar 2025 in den neuen Ländern vermieden werden können, wenn Politik, Wirtschaft und Tarifpartner diesen Zeitraum nutzen, um bei der Tarifbindung, der Eindämmung des Niedriglohnsektors, der Durchsetzung des "Equal-PayGrundsatzes" und bei der Zurückdrängung von prekären Beschäftigungsverhältnissen deutliche Fortschritte zu erzielen. Dementsprechende Erfolge kämen allen Beschäftigten zu Gute.
Begründung:
Sowohl die Angleichung des Rentenwerts Ost als auch die Abschmelzung der Höherwertung der Entgelte Ost werden bis zum Jahr 2025 gestreckt. Die Rentnerinnen und Rentner bzw. die rentennahen Generationen in den neuen Ländern haben damit Klarheit und Transparenz über den Zeitpunkt der vollständigen Rentenangleichung. Mit dem neu eingefügten § 255a Absatz 2 SGB VI ist sichergestellt, dass die Rentenanpassungen der Jahre 2018 bis 2023 mindestens der aktuellen Lohnentwicklung in den neuen Ländern folgen wenn diese günstiger verläuft als mit den Anpassungsschritten in Absatz 1 festgelegt. Wie die Rentenanpassung zum 1. Juli 2017 zeigt, ist es damit möglich, dass die Rentenangleichung insgesamt schneller abgeschlossen sein kann als zum 1. Juli 2024. Mit der gestreckten Abschmelzung der Entgelthochwertung bei der Rentenberechnung entsteht ein größeres Zeitfenster, um Differenzen im Verdienstniveau weiter abzubauen. Unter diesen Voraussetzungen stellt das Gesetz einen Kompromiss zwischen den Interessen der Rentnerinnen und Rentner sowie denen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dar.
- 3. Der Bundesrat kritisiert, dass mit der Änderung des DRK-Gesetzes den Mitgliedern der DRK-Schwesternschaft auf unbestimmte Zeit am Ort ihres Arbeitseinsatzes essentielle Arbeitnehmerbeteiligungsrechte vorenthalten werden.
Begründung:
Aufgrund des EuGH-Urteils vom 17. November 2016 (C-216/15 Betriebsrat der Ruhrlandklinik gGmbH gegen Ruhrlandklinik gGmbH) und der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes vom 21. Februar 2017 unterfallen Rotkreuzschwestern, die Mitglied einer vereinsrechtlich organisierten DRK-Schwesternschaft sind und in Gesundheitseinrichtungen ihre Tätigkeit ausüben, die nicht von der Schwesternschaft getragen werden, der EU-Leiharbeitsrichtlinie und folglich auch dem deutschen Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG).
Mit der Änderung des DRK-Gesetzes wird die Überlassung von Rotkreuzschwestern durch die DRK-Schwesternschaften an andere Institutionen auf unbestimmte Dauer ermöglicht. Sie werden dadurch von dem Schutzbereich der Überlassungshöchstdauer des AÜG ausgeklammert. Die Sonderregelung für die Überlassung von DRK-Schwestern führt dazu, dass sie weiterhin dauerhaft im Einsatz als Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter sind und ihnen damit Arbeitnehmerrechte vorenthalten werden. Sowohl der Europäische Gerichtshof (siehe Rechtssache C-216/15) als auch das Bundesarbeitsgericht (Beschluss vom 21. Februar 2017, 1 ABR 62/12) bewerten die Gestellung von DRK-Schwestern als Arbeitnehmerüberlassung im Sinne des AÜG. Damit gilt ab dem Inkrafttreten der Änderungen des AÜG zum 1. April 2017 eine Überlassungshöchstdauer von 18 Monaten auch für die DRK-Schwesternschaften. Ausnahmen sind seitdem nur noch durch tarifvertragliche Regelungen möglich.
Durch ihren Status als Leiharbeitnehmerinnen bzw. Leiharbeitnehmer bleibt den DRK-Schwestern gemäß § 14 Absatz 2 AÜG im Entleiherbetrieb die Möglichkeit verwehrt, sich in den jeweiligen Aufsichtsrat und die betriebsverfassungsrechtlichen Arbeitnehmervertretungen wählen zu lassen. Mit der Aufhebung der Überlassungshöchstdauer werden den DRK-Schwestern somit auf unbestimmte Zeit essentielle Arbeitnehmerbeteiligungsrechte am Ort ihres Arbeitseinsatzes vorenthalten.
Die Behauptung, wonach der Sonderstatus der DRK-Schwesternschaften für den Einsatz im Krisenfall erforderlich sei, entbehrt zudem jeglicher Grundlage, da der Gesetzgeber für solche Fälle hinreichend Vorsorge getroffen hat. Durch andere Organisationen wie Johanniter und Malteser, die teilweise als freiwillige Hilfsgesellschaft im Sinne des 1. Genfer Abkommens (Artikel 26) vom 12. August 1949 anerkannt sind, erfolgen Einsätze im Kriegs-, Krisen- und Katastrophenfall auch ohne eine solche vergleichbare Ausnahmeregelung.