COM (2018) 238 final
Der Bundesrat hat in seiner 969. Sitzung am 6. Juli 2018 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
- 1. Der Bundesrat begrüßt das Vorhaben der Kommission, den mit dem "New Deal for Consumers" im Richtlinienvorschlag zur besseren Durchsetzung und Modernisierung der EU-Verbraucherschutzvorschriften (BR-Drucksache 153/18 (PDF) ) beabsichtigten Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher vor irreführenden Angebotsplatzierungen auf Online-Plattformen mit einer entsprechenden anbieterbezogenen Regelung zu unterstützen.
- 2. Er begrüßt die grundsätzliche Zielstellung, Fairness und Transparenz bei der gewerblichen Nutzung von Online-Vermittlungsdiensten und Online-Suchmaschinen (sogenannte Online-Plattformen) zu stärken. Der Bundesrat teilt die Auffassung, dass bestehende Asymmetrien zwischen großen Online-Plattformen auf der einen Seite und kleineren gewerblichen Nutzern dieser Plattformen auf der anderen Seite, abgebaut werden sollen. Gerade für klein- und mittelständische Unternehmen sowie Start-ups stellen große Online-Plattformen einen wichtigen Vertriebsweg dar. Die in dem Verordnungsvorschlag vorgeschlagenen Regeln sind grundlegend geeignet, Fairness und Transparenz zwischen Online-Plattformen und deren gewerblichen Nutzern herzustellen.
- 3. Der Bundesrat begrüßt das Bestreben der Kommission, ein faires, berechenbares, tragfähiges und vertrauenswürdiges Online-Geschäftsumfeld im digitalen Binnenmarkt zu etablieren. Die Regelungen sind aus seiner Sicht geeignet, für ausgewogene Geschäftsbeziehungen zwischen Anbietern von Online-Vermittlungsdiensten und gewerblichen Nutzern zu sorgen. Der Bundesrat sieht an einzelnen Stellen jedoch noch Klarstellungsbedarf.
- 4. Er gibt zu bedenken, dass der Verordnungsvorschlag einige Regelungen enthält, die hinsichtlich ihrer Auswirkung auf digitale Geschäftsmodelle hinderlich sein können. In diesem Zusammenhang ist der "One size fits all"-Ansatz des Verordnungsvorschlags zu überdenken, der alle Online-Vermittlungsdienste und Online-Suchmaschinen rechtlich gleich behandeln will, obwohl digitale Plattformen in verschiedenen Marktsegmenten mit ganz unterschiedlichen Voraussetzungen und Herausforderungen operieren. Der Vielfalt von digitalen Plattformen wird der Verordnungsvorschlag nicht vollumfänglich gerecht.
- 5. Der Bundesrat gibt ferner zu bedenken, dass durch die in dem Verordnungsvorschlag vorgeschlagenen neuen bürokratischen Vorgaben und zusätzlichen Kosten für Online-Vermittlungsdienste und Online-Suchmaschinen neue Markteintrittsbarrieren im digitalen Sektor geschaffen werden, die in der Folge dazu führen können, dass die Etablierung neuer digitaler Geschäftsmodelle, gerade durch Start-ups sowie klein- und mittelständischen Unternehmen, behindert und die digitale Transformation der Wirtschaft in Europa insgesamt verlangsamt wird.
- 6. Der Bundesrat weist darauf hin, dass insbesondere für kleine Unternehmen und Start-ups zu strenge Regulierungen Wachstumshindernisse bedeuten können, die die Entstehung neuer, innovativer Plattformkonzepte behindern. Es besteht die Gefahr, dass diese Regulierungen den Bestrebungen von Landesregierungen und der Bundesregierung zur Stärkung einer deutschen Digitalwirtschaft entgegenstehen.
- 7. Er befürchtet, dass von den Regulierungen insbesondere innovationsorientierte kleine und mittlere Unternehmen außerhalb der Internetwirtschaft getroffen werden, die ihr traditionelles Geschäftsmodell durch den Aufbau einer eigenen Online-Plattform erweitern wollen. Dieser Aspekt muss deshalb bei der Ausgestaltung der Verordnung in hinreichendem Maße berücksichtigt werden.
- 8. Der Bundesrat gibt zu bedenken, dass der Verordnungsvorschlag kleinere, insbesondere durch klein- und mittelständische Unternehmen sowie Start-ups betriebene Online-Plattformen benachteiligen kann, da diesen die gleichen regulatorischen Pflichten auferlegt werden wie den großen, marktbeherrschenden Digitalplattformen. Dies kann in der Folge dazu führen, dass die relative Marktstärke der großen Online-Plattformbetreiber gegenüber kleineren Betreibern durch die vorgeschlagene Verordnung eher zementiert als verändert wird. Er regt in diesem Zusammenhang an, zu prüfen, für klein- und mittelständische Unternehmen sowie Start-ups Ausnahmetatbestände in dem Verordnungsvorschlag zu formulieren, zum Beispiel durch Einführung von Schwellenwerten hinsichtlich Jahresumsatz, Nutzerzahlen oder Unternehmensalter.
- 9. Der Bundesrat weist darauf hin, dass Parallelstrukturen und Doppelregelungen zu vermeiden sind. Er bittet die Bundesregierung und die Kommission, das Verhältnis des Verordnungsvorschlags zum Kartellrecht klarzustellen.
- 10. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, sich bei der Kommission für eine Klarstellung in Artikel 3 Nummer 2 des Verordnungsvorschlages dahingehend einzusetzen, dass rechtswidrige Klauseln ex tunc unwirksam sind, ohne dass es einer gerichtlichen Feststellung bedarf. Durch die bestehende Regelung, nach der rechtswidrige Klauseln solange verbindlich und einzuhalten sind, bis ein Gericht das Gegenteil feststellt (Erwägungsgrund 15: Wirkung ex nunc), wird der Verwender unangemessen bevorzugt.
- 11. Darüber hinaus regt der Bundesrat eine Klarstellung in Artikel 3 Nummer 3 Satz 4 des Verordnungsvorschlages dahingehend an, dass der Verzicht des Nutzers auf die Einhaltung der Frist bei AGB-Änderungen nicht durch den Plattformbetreiber mittels "Zwangs-Optin" bei der Registrierung erzwungen werden darf.
- 12. Aus Sicht des Bundesrates sollte geprüft werden, ob der Schutz der Anbieter sowie der Verbraucherinnen und Verbraucher um den Schutz vor manipulierten Bewertungen erweitert werden könnte. Zum Schutz des fairen Wettbewerbs sowie der Verbraucherinnen und der Verbraucher wäre es wünschenswert, wenn die Anbieter von Online-Vermittlungsdiensten hiergegen geeignete Maßnahmen ergriffen und insbesondere ein effektives Beschwerdemanagement einrichteten.
- 13. Mit Blick auf den fairen Wettbewerb und das Ziel, die Angebotsvielfalt zu fördern, sollte außerdem geprüft werden, wie insbesondere kleine und mittlere Anbieter vor unangemessener Benachteiligung durch ein rein provisionsgestütztes Angebots-Ranking, das regelmäßig größere, finanzstärkere Anbieter begünstigt, geschützt werden können. Der Bundesrat sieht in diesem Zusammenhang auch Exklusiv-Vertriebsvereinbarungen, wie sie in Artikel 8 des Verordnungsvorschlages angesprochen werden, bei marktbeherrschenden Plattform-Betreibern kritisch und betont die Notwendigkeit einer konsequenten kartell- und wettbewerbsrechtlichen Überprüfung.
- 14. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, die Kommission aufzufordern, zu überprüfen, ob die Unparteilichkeit und Unabhängigkeit von Mediatoren gewährleistet werden kann, wenn der Plattformbetreiber die Mediatoren benennt, und ob die dauerhafte Zusammenarbeit mit denselben Mediatoren die Unparteilichkeit und Unabhängigkeit möglicherweise gefährdet.
- 15. Der Bundesrat bittet, die getroffene Kostenregelung für Mediationsverfahren noch einmal zu überprüfen. In Fällen von querulatorischen oder sonst unbegründeten Streitigkeiten könnte die hälftige Kostenlast insbesondere kleinere Plattformbetreiber unverhältnismäßig belasten. Für den Fall, dass die Kostenregelung bestehen bleibt, regt er an, in Erwägung zu ziehen, KMU vom Anwendungsbereich der Vorschrift auszunehmen.
- 16. Der Bundesrat bittet - über den bisherigen Vorschlag hinausgehend -, zu erwägen, Regelungen aufzunehmen, die Plattformbetreiber verpflichten, die Infrastruktur der Plattform technisch so auszugestalten, dass es dem gewerblichen Nutzer möglich ist, sich wettbewerbs- und urheberrechtskonform (insbesondere durch Einhaltung der verbraucherschützenden Vorschriften, wie Informationspflichten) zu verhalten. Auf diese Weise sollen Abmahnungen vermieden werden, die in der Vergangenheit darauf begründet wurden, dass Plattformen keine Möglichkeit geboten hätten, den Informationspflichten nachzukommen, oder dem angebotenen Produkt allein aufgrund einer Produktnummer ein Bild zugeordnet worden sei, auf dessen Auswahl und urheberrechtliche Rechtskonformität der gewerbliche Nutzer keinen Einfluss hatte.