900. Sitzung des Bundesrates am 21. September 2012
A
Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union (EU), der Ausschuss für Innere Angelegenheiten (In) und der Verkehrsausschuss (Vk) empfehlen dem Bundesrat, zu der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG wie folgt Stellung zu nehmen:
- 1. Der Bundesrat begrüßt die Anstrengungen der Kommission zur Erhöhung der Straßenverkehrssicherheit und zur Verbesserung des Umweltschutzes durch Weiterentwicklung der harmonisierten Vorschriften für die Unterwegskontrolle von Nutzkraftfahrzeugen und deren Anhängern.
- 2. Der Bundesrat begrüßt grundsätzlich die Intention der EU, die technische Unterwegskontrolle auf einem höheren Niveau europaweit zu harmonisieren.
- 3. Der Verordnungsvorschlag in seiner derzeitigen Fassung begegnet allerdings folgenden Bedenken:
- 4. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass die Harmonisierung in diesem Bereich auch weiterhin im Rahmen einer Richtlinie und nicht im Wege der Verordnung erfolgen sollte. Den Mitgliedstaaten ist ein ausreichender Gestaltungsspielraum zu belassen; unnötige Eingriffe in deren Verwaltungsverfahren sind nicht gerechtfertigt. Daher fordert der Bundesrat die Bundesregierung auf, auf den Erlass einer entsprechenden Richtlinie unter Beachtung der folgenden Maßgaben hinzuwirken:
- - Der Bundesrat weist darauf hin, dass die deutsche Übersetzung des Absatzes 16 der Erwägungsgründe fehlerhaft ist, da das englische Wort "biannual" mit zweimal jährlich statt alle zwei Jahre übersetzt wurde. Die Berichtspflicht ist in Artikel 20 alle zwei Jahre vorgesehen ("every second year").
- - Der Bundesrat spricht sich dagegen aus, neben der regelmäßigen Verkehrs- und Betriebssicherheitsprüfung und der in Artikel 14 Absatz 2 vorgesehenen Folgemaßnahme die ausführliche technische Kontrolle als weiteres Element der technischen Überwachung des Verkehrs einzuführen (Artikel 4, Artikel 10). Soweit das vorgeschlagene System dennoch umgesetzt werden soll, weist der Bundesrat bereits jetzt darauf hin, dass entgegen dem Wortlaut des Artikels 4 des Vorschlags die anfängliche Unterwegskontrolle in Artikel 10 Absatz 1 und die ausführliche Unterwegskontrolle in Artikel 10 Absatz 2 geregelt ist.
- - Der Bundesrat ist der Auffassung, dass die Festlegung von Kontrollquoten (Artikel 5) einen weitgehenden Eingriff in die Verwaltungs- und Personalhoheit insbesondere der Polizeibehörden der Mitgliedstaaten darstellt, deren Erfüllung nur durch eine Ressourcenverlagerung aus anderen Bereichen der Verkehrsüberwachung zu bewerkstelligen ist. Der Bundesrat hat daher die konkrete Befürchtung, dass die Festlegung einer Kontrollquote für die technische Überwachung zu einer Verringerung der Verkehrsüberwachungsmaßnahmen im Bereich der Hauptunfallursachen wie Geschwindigkeits-, Abstands- oder Alkoholverstößen führt, die nicht durch die Bedeutung der technischen Mängel als Unfallursache gerechtfertigt ist, und damit im Ergebnis die Verkehrssicherheit insgesamt geschwächt wird.
- - Die Ausdehnung des Anwendungsbereichs auf Nutzfahrzeuge und Anhänger bis 3500 kg zulässiger Höchstmasse sowie die Einführung einer Mindestkontrollquote von fünf Prozent aller Fahrzeuge sind nicht zielführend. Die Quotenvorgabe kann in Verbindung mit den neuen Fahrzeugklassen zu Problemen bei der Berechnung der Quote führen, da eine Trennung der kleinen Anhänger in gewerbliche oder private kaum möglich sein dürfte. Dies gilt auch für die oftmals rein privat genutzten kleinen Nutzfahrzeuge. Bei der Übermittlung der Zulassungszahlen müsste sichergestellt werden, dass nur die Fahrzeuge/Anhänger mit gewerblicher Nutzung mitgeteilt werden.
- 5. Die Einführung einer Mindestkontrollquote von fünf Prozent aller Fahrzeuge sowie die Ausdehnung des Anwendungsbereichs auf Nutzfahrzeuge und Anhänger bis 3500 kg zulässiger Höchstmasse sind mithin deutlich zu hoch. Sie würden dazu führen, dass erheblich mehr Unterwegskontrollen als derzeit durchgeführt werden müssen. Infolgedessen steigen Personalbedarf und Verwaltungsaufwand.
- 6. Der Bundesrat hält mithin eine Quote von fünf Prozent der im Gebiet des jeweiligen Mitgliedstaates zugelassenen Fahrzeuge i.S.d. Artikels 3 Absatz 1 für deutlich zu hoch, da durch die Ausdehnung des Anwendungsbereichs auf Kraftfahrzeuge und Anhänger von bis zu 3500 kg eine deutlich größere Zahl von Fahrzeugen und Anhängern zu überwachen wäre.
- 7. Darüber hinaus weist der Bundesrat darauf hin, dass die Festlegung einer Quote in Bezug auf den Gesamtbestand der im Mitgliedstaat zugelassen Fahrzeuge wenig zielführend erscheint, da gerade im Bereich des Güterverkehrs zahlreiche Fahrzeuge nicht in den Ländern eingesetzt werden, in denen sie zugelassen sind.
- 8. Das vorgesehene Risikoeinstufungssystem mit einer Vorselektion bei Kontrollen auf der Straße könnte nur mit unverhältnismäßigem Aufwand errichtet werden.
- 9. In Bezug auf die Einführung eines Systems der Risikoeinstufung (Artikel 6) geht der Bundesrat davon aus, dass ein solches System zu erheblichen verwaltungstechnischen Mehraufwänden führen würde.
- 10. Hierzu müssten in einem neuen Register alle Fahrzeugkennzeichen der unter die Verordnung fallenden Fahrzeuge den jeweiligen Unternehmen und die Unternehmen einer Risikoklasse zugeordnet werden.
- 11. Im Gegenzug ist aber keine Erleichterung für die Praxis zu erwarten, da die betroffenen Fahrzeuge im fließenden Verkehr nicht ohne weiteres einem bestimmten Unternehmen zugeordnet werden können.
- 12. Das vorgesehene Risikoeinstufungssystem mit einer Vorselektion bei Kontrollen auf der Straße erscheint nur dann sinnvoll, wenn europaweit direkt auf die Daten zurückgegriffen werden kann.
- 13. Dieses Register müsste für die Überwachungsbehörden (Polizei, Bundesamt für Güterverkehr, allgemeine Ordnungsbehörden) auf der Straße in Echtzeit zugänglich sein. [Dieses erfordert eingehende datenschutzrechtliche Prüfungen.]
- 14. Der Bundesrat hält zwar die Regelung, dass der Prüfer, der die Verkehrs- und Betriebsprüfung eines Fahrzeugs vorgenommen hat, nicht auch die Unterwegskontrolle durchführen darf (Artikel 8), theoretisch für sinnvoll, in der Praxis aber für nicht umsetzbar.
- 15. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass die Verpflichtung des Fahrers zur Kooperation mit den Prüfern im Rahmen einer Unterwegskontrolle (Artikel 7 Absatz 2) und die Sanktionierung der mangelnden Kooperation (Artikel 24 Absatz 2) im Hinblick auf das in der Bundesrepublik Deutschland verfassungsrechtlich verankerte Prinzip, dass niemand gezwungen werden kann, sich selbst zu belasten, weiterer Einschränkungen bedürfen.
- 16. Die vorgesehenen Mindestanforderungen an Prüfer, die ausführliche Kontrollen durchführen dürfen, sind nicht ausreichend und führen im Vergleich zur jetzigen Situation in Deutschland zu einer Verschlechterung, die geeignet ist, die Verkehrssicherheit negativ zu beeinflussen.
Der Bundesrat bittet deshalb die Bundesregierung, sich dafür einzusetzen, dass das Risikoeinstufungssystem mit einer Vorselektion bei Kontrollen auf der Straße nicht eingeführt und eine deutlich niedrigere Mindestkontrollquote als fünf Prozent aller Fahrzeuge festgelegt wird. Darüber hinaus wird darum gebeten, sich dafür einzusetzen, dass hinsichtlich der Anforderungen an die Prüfer - die ausführliche Kontrollen durchführen dürfen - ein Niveau vorgesehen wird, das dem der in Deutschland tätigen Prüfingenieure entspricht.
- 17. Der Bundesrat hält es nicht für zielführend, die Möglichkeiten zur Auswahl für eine Kontrolle (Artikel 9) und damit auch zur Anhaltung auf ein hohes Risikoprofil i.S.d. Artikel 6 Absatz 2 oder den Verdacht einer Gefahr für die Straßenverkehrssicherheit zu beschränken. Vielmehr müssen Anhaltungen zur Durchführung von Verkehrskontrollen auch weiterhin verdachtsunabhängig erfolgen können.
Der Bundesrat hält es für unbedingt erforderlich, dass bei Einführung eines Systems, das zwischen anfänglicher und ausführlicher Unterwegskontrolle unterscheidet (Artikel 10), gewährleistet sein muss, dass anfängliche und ausführliche Kontrolle von unterschiedlichen Prüfern durchgeführt werden können, um so der Tatsache Rechnung zu tragen, dass die Polizeibehörden als für die anfängliche Kontrolle sinnvollerweise einzusetzenden Stellen weder über die Kenntnisse und Qualifikationen noch die technischen Mittel verfügen, um eine ausführliche Kontrolle durchzuführen.
Nach Artikel 10 des Verordnungsvorschlags dürfen ausführliche Unterwegskontrollen nur von Prüfern ausgeführt werden, die die Mindestanforderungen an Ausbildung und Qualifikation gemäß Artikel 12 und Anhang VI der Verordnung (EU) Nr. XXX pp. über die technische Überwachung von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhängern (vgl. BR-Drucksache 398/12 (PDF) ) erfüllen. In der Begründung Nummer 3, Absatz 6, wird nicht zwischen Prüfern für anfängliche und ausführliche Kontrollen differenziert. Es wird vielmehr gefordert, dass die durchführenden Prüfer mindestens dem Niveau der die Verkehrs- und Betriebsprüfungen durchführenden Prüfer entsprechen. Diese Anforderungen werden selbst durch erfahrene Polizeibeamtinnen und -beamte nicht erfüllt. Das würde dazu führen, dass die den Zustand der Fahrzeuge betreffenden polizeilichen Verkehrskontrollen gefahrenabwehrrechtlichen Gesichtspunkten dienen, aber nicht mehr im Sinne der TechKontrollV gewertet werden können.
Der Bundesrat hält es technisch für unmöglich und unter dem Gesichtspunkt der Sicherheit der Prüfer für nicht vertretbar, ausführliche Unterwegskontrollen unter Einbeziehung der Bremsanlage, der Lenkung, der Achsen, der Aufhängung und des Abgassystems mit einer mobilen Kontrolleinheit unmittelbar am Straßenrand durchzuführen (Artikel 11 Absatz 1 und Absatz 12 der Erwägungsgründe). Ausführliche Unterwegskontrollen können vielmehr nur in festen Prüfstellen durchgeführt werden.
In diesem Zusammenhang hält der Bundesrat die in Artikel 11 Absatz 2 vorgesehene Einschränkung auf Prüfstellen in 10 km Entfernung vom Ort der anfänglichen Unterwegskontrolle für unrealistisch, da sich entsprechende Prüfeinrichtungen gerade in ländlichen Gebieten in deutlich größeren Entfernungen zu Straßen des überörtlichen Verkehrs befinden können.
Der Bundesrat spricht sich dagegen aus, im Zusammenhang mit der technischen Unterwegskontrolle Vorschriften zur Kontrolle der Ladungssicherung zu erlassen, da es sich insofern um unterschiedliche Regelungsinhalte handelt. Zudem sind die Anforderungen für eine korrekte Ladungssicherung bislang nur auf nationaler Ebene geregelt, so dass sich der Umfang der Kontrolle nach diesen Bestimmungen richten muss.
Der Bundesrat begrüßt es ausdrücklich, dass sich die Berichtspflicht des Artikels 16 Absatz 1 nur auf die ausführliche und nicht auf die anfängliche Kontrolle bezieht. Der Bundesrat regt an, dies auch im Anhang V klarzustellen. Da die ausführliche Kontrolle nicht von den Polizeibehörden der Mitgliedstaaten durchgeführt werden kann, hält der Bundesrat es für sinnvoll, klarzustellen, dass der Bericht über die ausführliche Kontrolle von dem Prüfer abzugeben ist, der diese Kontrolle durchgeführt hat.
Der Bundesrat weist darauf hin, dass sich die Berichtspflicht der Mitgliedstaaten nach Artikel 20 Absatz 1 auf die gemäß Anhang V Punkt 8 geprüften Positionen und entdeckten Mängel bezieht. Richtigerweise muss es hier gemäß Anhang V Punkt 10 heißen. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass in diesem Zusammenhang zudem klargestellt werden sollte, dass sich die Berichtspflicht nur auf die ausführlichen Unterwegskontrollen bezieht, da nur insofern in Artikel 16 eine Berichtspflicht des Prüfers begründet wird.
Nach Artikel 20 des Verordnungsvorschlags besteht die Meldeverpflichtung gegenüber der Kommission wie bisher alle zwei Jahre. Dies steht allerdings im Widerspruch zu Punkt 16 der Präambel zum Verordnungsvorschlag, wonach zweimal jährlich eine Ergebnisübermittlung erfolgen sollte.
Der Bundesrat weist darauf hin, dass in Anhang V
- - Ziffer 6 die Fahrzeugklasse O1 nicht vorgesehen ist,
- - Ziffer 6 Buchstabe i statt auf Artikel 3 Absatz 2 auf Artikel 2 Absatz 2 verwiesen werden muss, und - Ziffer 10 der Prüfpunkt(9) fehlt.
- 18. Der Bundesrat übermittelt die Stellungnahme direkt an die Kommission. B
- 19. Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit empfiehlt dem Bundesrat, von der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG Kenntnis zu nehmen.