Punkt 11 der 930. Sitzung des Bundesrates am 6. Februar 2015
Der Bundesrat möge zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung nehmen:
- a) Zum Gesetzentwurf insgesamt
Der Bundesrat begrüßt grundsätzlich die Zielsetzung des Gesetzentwurfes. Das Ziel, den Anteil weiblicher Führungskräfte in Spitzenpositionen der deutschen Wirtschaft und der Bundesverwaltung zu erhöhen, ist zu unterstützen. Der geringe Frauenanteil in Führungspositionen spiegelt weder den Geschlechterproporz in der Bevölkerung, noch das Qualifikationsniveau von Frauen ausreichend wider.
Dennoch ist auch sicherzustellen, dass der Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft und der bürokratische Aufwand verhältnismäßig bleiben.
Im weiteren Gesetzgebungsverfahren besteht daher folgender Änderungsbedarf:
- b) Erleichterungen bei der fixen Mindestquote in Härtefällen
Viele Unternehmen setzen sich auf verschiedenste Weise nachweislich stark für die Förderung des jeweils unterrepräsentierten Geschlechts in ihrer Belegschaft (beispielsweise durch entsprechende Fördermaßnahmen, Fortbildungen et cetera) ein. Dieses Engagement sollte nicht durch die Einführung gesetzlich vorgegebener Mindestanteile an Frauen und Männern in Führungspositionen konterkariert werden, wenn diese trotz aller Bemühungen und unter Berücksichtigung des sonstigen Einsatzes des Unternehmens für eine geschlechtergerechte Arbeitswelt nicht eingehalten werden können.
Im weiteren Gesetzgebungsverfahren ist daher dafür Sorge zu tragen, dass Unternehmen von der Verpflichtung zur Erfüllung von Mindestanteilen an Frauen und Männern im Aufsichtsrat (sogenannte fixe Mindestquote von 30 Prozent) befreit werden, wenn und soweit sie diese Anforderungen trotz nachweislicher erheblicher Bemühungen und Maßnahmen zur Förderung und Qualifizierung von Nachwuchskräften des unterrepräsentierten Geschlechts nicht zu erreichen imstande sind.
- c) Ausnahme von der Pflicht zur Festlegung von Zielgrößen für kleine Gremien mit bis zu drei Mitgliedern
Die Geltung der Zielgrößen (in börsennotierten oder mitbestimmungspflichtigen Unternehmen) auch für kleine Gremien führt faktisch zu festen Mindestquoten von 50 Prozent bei zweiköpfigen bzw. 33 Prozent bei dreiköpfigen Gremien.
Dies widerspricht dem Ziel, dass Unternehmen sich selbstbestimmte Zielgrößen ohne Quotenvorgaben setzen können. Oder es führt dazu, dass im Einzelfall ein faktischer Zwang besteht, sich eine höhere Quote als bei der fixen Mindestquote für den Aufsichtsrat bei börsennotierten und voll mitbestimmungspflichtigen Unternehmen zu setzen, um eine Null-Prozent-Quote zu vermeiden. Daher ist dann, wenn ein Gremium aus lediglich drei oder weniger Mitgliedern besteht, eine Ausnahme von der Pflicht zur Festlegung von Zielgrößen für den Frauenanteil vorzusehen.
- d) Ausnahme von der Pflicht zur Festlegung von Zielgrößen für Unternehmen mit weniger als 20 Prozent Frauen- bzw. Männeranteil
Die Verpflichtung zur Setzung von Zielvorgaben (in börsennotierten oder mitbestimmungspflichtigen Unternehmen) ist für solche Unternehmen nicht immer sachgerecht, in denen der Anteil des unterrepräsentierten Geschlechts an der Belegschaft geringer als 20 Prozent ist.
Während zum Beispiel Frauen insbesondere in technischen und ingenieurwissenschaftlichen Bereichen stark unterrepräsentiert sind, gilt dies für Männer vor allem in den Bereichen Gesundheit, Soziales und Erziehung. Sollten börsennotierte oder mitbestimmte Unternehmen in diesen Branchen zur Angabe von Zielgrößen verpflichtet werden, ist mit nur sehr geringen Selbstverpflichtungen hinsichtlich der Teilhabe des jeweils unterrepräsentierten Geschlechts an Positionen in Vorstand, Aufsichtsrat und den beiden obersten Führungsetagen unterhalb des Vorstands zu rechnen.
Der Einsatz der Unternehmen für die mit dem Gesetzentwurf verfolgten gesellschaftspolitischen Ziele lässt sich in diesen Unternehmen deshalb nicht anhand des Anteils des unterrepräsentierten Geschlechts in Führungspositionen messen.
Unrealistische Zielvorgaben zur Teilhabe des jeweils unterrepräsentierten Geschlechts an Führungspositionen könnten demotivierend wirken und auch das sonstige Engagement der Unternehmen für eine geschlechtergerechte Teilhabe an der Arbeitswelt negativ beeinflussen.
Im weiteren Gesetzgebungsverfahren ist daher dafür Sorge zu tragen, dass Ausnahmeregelungen von der Verpflichtung zur Setzung von Zielvorgaben (in börsennotierten oder mitbestimmungspflichtigen Unternehmen) für solche Unternehmen geschaffen werden, in denen der Anteil des unterrepräsentierten Geschlechts an der Belegschaft geringer als 20 Prozent ist.
- e) Verlängerung der Frist für die Erfüllung der ersten selbstgesetzten Zielvorgaben von zwei auf drei Jahre
Der Zweijahreszeitraum für die Erfüllung der ersten Zielvorgaben in börsennotierten oder mitbestimmungspflichtigen Unternehmen erscheint zeitlich zu eng bemessen. Gerade die erste Festlegung von Zielgrößen nach Inkrafttreten des Gesetzes sollte Unternehmen motivieren, sich selbst ehrgeizige Ziele für die Frauenförderung zu setzen. Eine zeitlich zu kurz bemessene erste Frist zur Erreichung dieser Zielgrößen wird jedoch viele Unternehmen dazu veranlassen, zunächst sehr vorsichtige und niedrige Festlegungen zu treffen, um den Druck, in kurzer Zeit genügend Frauen für Führungspositionen gewinnen zu müssen, zu reduzieren.
Daher ist die erste Frist auf drei Jahre auszuweiten, zumal dann auch die Wahrscheinlichkeit steigt, dass in diesem Zeitraum turnusmäßige Neubesetzungen von Gremien anstehen. Stehen keine turnusmäßigen Neubesetzungen an, so könnte sich ein Unternehmen lediglich die Quote als Zielgröße festlegen, die bereits erreicht ist, da davon ausgegangen wird, dass bestehende Mandate - ebenso wie bei der fixen Quote von 30 Prozent - bis zu ihrem regulären Ende wahrgenommen werden können.
- f) Reduzierung der Berichtspflichten
Im weiteren Gesetzgebungsverfahren ist zu prüfen, inwieweit die im Gesetzentwurf vorgesehenen Berichtspflichten auf eine Berichtspflicht nur einmal pro Wahlperiode des Gremiums reduziert werden können, um den bürokratischen Aufwand für die Unternehmen in einem überschaubaren Rahmen zu halten.
Es erscheint ausreichend, wenn Unternehmen verpflichtet werden, einmal pro Wahlperiode des Gremiums über das Erreichen der Quotenvorgabe oder die selbst festgelegten Zielgrößen und Fristen und deren Erreichen zu berichten. Die Belastung der Unternehmen durch zusätzliche bürokratische Berichtspflichten kann hierdurch vermindert werden. Änderungen der tatsächlichen Quote in Aufsichtsrat und Vorstand sowie der tatsächlich erreichten Zielgröße innerhalb einer Wahlperiode dürften sich ohnehin auf Einzelfälle beschränken, so dass eine jährliche Stellungnahme nicht erforderlich erscheint. Das Ziel der Frauenförderung wird hierdurch nicht beeinträchtigt.
- g) Angleichung der mathematischen Rundungsregelungen im Bundesgremienbesetzungsgesetz an die Regelungen im privatwirtschaftlichen Teil
Der Gesetzentwurf enthält eine sachlich nicht zu rechtfertigende Differenzierung bei den Rundungsregelungen. Im öffentlichrechtlichen Teil wird in allen Fällen auf die nächste volle Personenzahl aufgerundet. Im privatwirtschaftlichen Teil gelten die mathematischen Rundungsregelungen. Diese Differenzierung ist aufzuheben, indem auch für den öffentlichrechtlichen Teil die mathematischen Rundungsregelungen normiert werden.