Der Bundesrat hat in seiner 914. Sitzung am 20. September 2013 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
- 1. Der Bundesrat begrüßt die Initiative des Europäischen Parlaments aus 2012 und den vorgelegten Vorschlag der Kommission. Er ist der Auffassung, dass das Jahr 2015 besonders geeignet ist, um intensiv und öffentlich über die europäische Entwicklungszusammenarbeit und die Rolle der EU in der globalen Entwicklung zu diskutieren.
- 2. Der Bundesrat stellt fest, dass das Europäische Jahr der Entwicklung gemäß Artikel 2 des Vorschlags dem Ziel dienen soll, die Bürgerinnen und Bürger der EU besser über die Entwicklungszusammenarbeit der EU zu informieren, ihr Interesse an der Entwicklungszusammenarbeit der EU zu wecken und ihr Bewusstsein für die Bedeutung der EU-Entwicklungszusammenarbeit zu stärken. Nach dem Vorschlag der Kommission soll es sich beim Europäischen Jahr der Entwicklung daher um ein Instrument der Kommunikation und der Öffentlichkeitsarbeit handeln.
- 3. Er nimmt zur Kenntnis, dass die Kommission die Inhalte ihrer Mitteilung vom 27. Februar 2013 "Ein menschenwürdiges Leben für alle: Beseitigung der Armut und Gestaltung einer nachhaltigen Zukunft für die Welt" als wichtigste Botschaften für das Europäische Jahr erachtet. Er verweist auf seine diesbezügliche Stellungnahme (BR-Drucksache 173/13(B) ) vom 3. Mai 2013 und fordert die Kommission erneut auf, ein Verfahren zu entwickeln, das verhindert, dass Waren, die unter schlimmsten Formen der Kinderarbeit produziert worden sind, in die EU eingeführt werden.
- 4. Der Bundesrat hat in seiner zuvor zitierten Stellungnahme seiner Erwartung Ausdruck verliehen, dass sich die EU mit Blick auf die Post-2015-Entwicklungsagenda für einen kohärenten Gesamtprozess der globalen nachhaltigen Entwicklung einsetzt und ein entsprechendes EU-Konzept entwickelt. Dieses Anliegen muss aus Sicht des Bundesrates auch im Europäischen Jahr für Entwicklung seinen Niederschlag finden.
- 5. Er ist aus diesen Gründen der Auffassung, dass die Ziele des Europäischen Jahres der Entwicklung 2015 deutlich weiter gefasst werden müssen, als von der Kommission vorgeschlagen. Ziel des Jahres muss es sein, vor dem Hintergrund der Beratungen und Verhandlungen über eine Post-2015-Entwicklungsagenda eine breite, öffentliche und, wo erforderlich, auch kritische Diskussion über die Ziele und Inhalte der Europäischen Entwicklungspolitik zu ermöglichen, die die Gesamtheit der europäischen Politiken und ihrer Auswirkungen auf die globale Entwicklung in den Blick nimmt. Es sollte auch auf den notwendigen Paradigmenwechsel in der europäischen Entwicklungspolitik hingewiesen werden, in dem Entwicklungspolitik - über die reinen Hilfeleistungen hinaus - auch die globalen wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Rahmenbedingungen aktiv mitgestaltet. Ein besonderes Augenmerk ist dabei der Frage zu widmen, welche Haltung die EU und ihre Mitgliedstaaten im Post-2015-Prozess einnehmen und vor welche Herausforderungen eine neue, umfassende globale nachhaltige Entwicklungsagenda wichtige europäische Sektorpolitiken wie etwa die Landwirtschaftspolitik und die Handelspolitik stellt. Das Europäische Jahr der Entwicklung sollte sich nicht auf eine "Präsentation der Ergebnisse" der Entwicklungszusammenarbeit der EU und eine Steigerung deren "Akzeptanz" beschränken (Ziffern 12 und 13 der Erwägungsgründe), sondern einer breiten und umfassenden öffentlichen Debatte dienen. Diese sollte im Kern bürgernah und dezentral geführt werden. Entsprechend regt der Bundesrat auch eine breite Konsultation mit der auf europäischer Ebene organisierten entwicklungspolitischen Zivilgesellschaft über das "Forum für entwicklungspolitische Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit (DEAR)" hinaus an.
- 6. Der Bundesrat begrüßt, dass die Kommission in ihrem Vorschlag explizit die Rolle auch der regionalen und der lokalen Ebene in der europäischen Entwicklungspolitik anerkennt (Ziffer 16 der Erwägungsgründe). Vor diesem Hintergrund sind die deutschen Länder bereit, an der Durchführung eines umfassenden Europäischen Jahres der Entwicklung 2015 mitzuwirken und mit eigenen Überlegungen und Initiativen zu dem von der Kommission vorgeschlagenen nationalen Arbeitsprogramm beizutragen. Der Bundesrat erwartet hierzu aber einerseits eine deutlich erkennbare Ausweitung der Ziele des Europäischen Jahres der Entwicklung und andererseits von der Bundesregierung eine partnerschaftliche Zusammenarbeit bei der Auswahl des nationalen Koordinators und der Ausarbeitung des deutschen Arbeitsprogramms.
- 7. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, bei den weiteren Verhandlungen darauf hinzuwirken, dass der in Artikel 4 Ziffer 3 des Vorschlags der Kommission genannte Termin des 1. Juni 2014 für die Vorlage der nationalen Arbeitsprogramme entweder zeitlich nach hinten verschoben wird - zum Beispiel auf den 1. Oktober 2014 - oder dass Einzelheiten zu spezifischen Maßnahmen - insbesondere ausführliche Haushaltsvoranschläge - nachgereicht werden können. Dies würde allen Interessierten, von der Zivilgesellschaft bis hin zu lokalen und regionalen Behörden, eine intensive Beteiligung am Europäischen Jahr für Entwicklung erleichtern. Es sollte die finanzielle Unterstützung von Maßnahmen und Projekten in möglichst einer Haushaltslinie zusammengeführt werden, die insbesondere auch NGO's eine unkomplizierte Antragstellung bei einer zentralen Anlaufstelle in der Vertretung der Europäischen Kommission in Deutschland ermöglicht.
- 8. Soweit die Kommission im Beschlussvorschlag feststellt, dass auch Maßnahmen in anderen Bereichen wie dem Handel direkt oder indirekt zur Förderung der Entwicklung beitragen, fordert der Bundesrat sowohl Kommission als auch Bundesregierung erneut auf, beim Abschluss von EU-Handelsabkommen bzw. vor deren Unterzeichnung sicherzustellen, dass Nachhaltigkeitsauflagen, zu denen auch arbeitsrechtliche Mindestnormen wie die Umsetzung der Konvention Nr. 182 der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) über das Verbot und unverzügliche Maßnahmen zur Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit gehören, verbindlich und sanktionierbar festgeschrieben werden.
- 9. Der Bundesrat übermittelt diese Stellungnahme direkt an die Kommission.